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596 Stahl und Eisen. Moderne Tempergießerei. 29. Jahrg. Nr. 16. Kohlenstoff kennzeichnen. Bei der Herstellung von Stahl im Martinofen bilden diese Oxydationen charakteristische Teile des Schmelzprozesses, während bei dem Schmelzen von Temperguß material die Veränderungen des Schmelzgutes als unvermeidliche Beigaben mit in den Kauf genommen werden müssen, und der Martinofen nur als eine Vorrichtung zum Flüssigmachen des Eisens aufzufassen ist. Um den gewünschten, richtigen Silizium gehalt im flüssigen Eisen zu erreichen, ist es daher erforderlich, daß der Abbrand bei der Gattierung entsprechend berücksichtigt wird. Abbildung 5. Gaserzeuger für ununterbrochenen Betrieb mit selbsttätiger Beschickung. Derselbe beträgt im Mittel 10 bis 15 °/o, heißer Ofengang vorausgesetzt, sowie daß der Ofen ab gestochen wird, wenn das Bad heiß und gieß fertig ist. Träges und langsames Schmelzen wird stets einen höheren Siliziumabbrand zur Folge haben, so daß der Guß nicht mehr die gewünschte Zusammensetzung besitzt. Da Mangan und Phosphor bei Qualitäts- Temperguß nur in geringen Mengen vorhanden sein dürfen (Mn 0,2 °/o, P 0,1 °/o), so muß dem entsprechend gattiert werden, und können nur mangan- und phosphorarme Eisensorten ver wendet werden. Der Kohlenstoffgehalt der Gat tierung erleidet beim Martinschmelzen stets einen bedeutenden Abbrand, so daß hierdurch die Qua lität des Gußproduktes gewinnt. In nachstehender Zahlentafel 1 sind die Untersuchungsergebnisse des im Killingschen Werke aus dem Martinofen erzeugten Tempergusses näher behandelt. Eine größere Anzahl ungetemperter Proben ergab nachstehende Zusammensetzung: Zahlentafel 1. Wandstärke des Gußstückes Ge- samt-C % Si % Mn % p % s % Nr. mm 1 10 2,67 0,85 0,21 0,08 0,06 2 7 2,77 0,92 0,18 0,11 0,05 3 12 2,80 0,80 0,23 0,10 0,07 4 15 2,71 0,70 0,21 0,09 0,10 5 14 2,68 0,73 0,17 0,09 0 08 6 10 2,65 0,78 0,20 0,12 0,06 7 ( 8 2,75 0,88 0,21 0,08 0,08 i 20 2,60 0,65 0,20 0,10 0,10 Diese Aufstellung zeigt, wie man bemüht ge wesen ist, den Siliziumgehalt der einzelnen Chargen den Wandstärken der Gußstücke anzu- passen, während Mangan, Phosphor und Schwefel sich größtenteils in den zulässigen Grenzen halten. Trotz der niedrigen Kohlenstoffgehalte waren die Gußwaren sämtlich scharf ausgelaufen, was darauf hinweist, daß der Martinofen ein hitziges, dünnflüssiges Eisen lieferte.* Nachstehende Temperaturmessungen, ausge führt mit einem Wannerschen Pyrometer, be stätigen dieses in jeder Weise (s. Zahlentafel 2). Zahlentafel 2. Ofen temperatur o C. Eisentemperatur Beginn des Abstiches o C. Ende des Abstiches o C. Charge 1 .... 1670 1275 1308 » 2 .... 1650 1350 1380 » 3 .... 1590 1290 1375 » 4 .... 1600 1275 1290 * Die vom Verfasser angegebenen Zahlen sind qualitativ nicht so günstig, wie sie schon öfter er reicht worden sind. So fand Ledebur in Temper guß aus dem Martinofen 2,34 o/o C, 0,35 0/o Si, 0,05 °/o Mn und 0,08 % P. Als Festigkeitszahlen wurden bis 42 kg Festigkeit und 4 bis 6 % Dehnung erreicht. Der Abbrand endlich wurde schon zu 8 °/o festgestellt. Zivilingenieur H. Eckardt in Berlin teilt uns mit, daß der erste von ihm für Temperguß erbaute Martinofen im Jahre 1882 in Betrieb kam; die Re sultate waren so zufriedenstellend, daß er bis heute 16 solcher Oefen eingerichtet hat, darunter einige, die täglich 15000 kg flüssiges Eisen für Fittings und sonstigen Handelstemperguß lieferten. Aus diesen Oefen läßt sich auch sehr dünnwandiger Stahlguß herstellen; im letzten Jahre wurde ein Ofen in Be trieb gesetzt, der außer Temperguß noch bei Stahl chargen von 1000 kg 350 bis 400 Stück Teile für Automobile brachte, darunter drei Schraubenschlüssel- eben in einem Formkastenpaare, von denen jeder nur 60 g wog, ferner Krümmer von 80 mm 1. W. und 400 mm Länge mit mehreren Seitenauslässen im Gewichte von 5 kg und viele Rohrteile, die Fittingsfabriken in schmiedbarem Guß machen. Ausglühen dieser Stahl- gußteile geschah höchstens dann, wenn man die Gieß spannung beseitigen oder das grobe Korn in feines umwandeln wollte (vergl. auch „Stahl und Eisen“ 1907 S. 19). Die Redaktion.