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21. April 1909. Moderne Tempergießerei. Stahl und Eisen. 595 findet eine wesentliche Schwefelanreicherung und bei kohlenstoffarmem Einsatz eine entsprechende Kohlenstoffaufnahme statt, so daß ein kohlen stoffarmes Gußstück daraus nicht erzeugt werden kann. Wesentlich günstiger ist das Schmelzen im Tiegel, denn es kann in demselben jeder ge wünschte Kohlenstoffgehalt erreicht und die schäd liche Schwefelanreicherung vermieden werden. Diesen Vorteilen des Tiegelschmelzens stehen jedoch die nicht unerheblichen Kosten desselben sowie der ziemlich umständliche Betrieb gegen über, was bei größerer Produktion ganz be sonders in die Wagschale fällt; man war daher bemüht, andere geeignete Schmelzmethoden zu In der dreischiffigen Gießhalle, 75m lang und 30 m breit, in Eisenkonstruktion ausgeführt, ist den zeitgemäßen Forderungen entsprechend reich lich für Lüftung und Beleuchtung gesorgt, auch ermöglichen schnellaufende elektrische Krane den schnellen Transport des Schmelzgutes und der fertigen Ware. Abbildung 1 zeigt einen Blick in die Gießhalle. Dem Formsand ist durch eine mit den neuesten Maschinen ausgerüstete Aufbereitungs anlage (s. Abbild. 2) die gebührende Aufmerk samkeit gewidmet, wodurch ein sauberes Aeußeres des Gusses erreicht wird. Das Eisen wird in einem Kleinmartinofen von 3 bis 4 t Inhalt ge finden, welche bei billigen Ge stehungskosten die Erzeugung eines Qualitätsgusses ermög lichen. Man kam so auf den Martinofen, welcher bei billig stem Betriebe die Nachteile des Kupolofens vermeidet, und sämtliche Vorteile des Tiegel schmelzens in sich vereinigt. Schon vor mehr als 20 Jahren wurden Martinöfen für Temper guß angelegt und betrieben, und heute sind bereits eine größere Anzahl Werke mit bedeutender Produktion zum Martinbetrieb übergegangen, wenn auch im Anfang mancherlei Betriebs erfahrungen gesammelt werden mußten und Schwierigkeiten zu überwinden waren, welche jedoch heute als beseitigt be zeichnet werden können. Betriebsergebnisse von Tem pergießereien mit Martinofen betrieb sind bisher nur sehr spärlich veröffent licht worden, und es dürften derartige Mitteilungen daher wohl von einigem Interesse sein. In dan kenswerter Weise ist die Firma F. W. Killing, G. m. b. H., in Delstern bei Hagen i. W. bereit gewesen, dem Verfasser die notwendigen Unter lagen zu überlassen, welche in Nachstehendem behandelt werden sollen. Die Firma Killing, eine alte Tempergießerei Westfalens, wurde im Jahre 1871 gegründet und ent wickelte sich kräftig; da die Produktion für das Tiegelschmelzen zu groß wurde, entschloß man sich zu einem vollständigen Umbau des Werkes, wel cher 1906 begann. Die Ausarbeitung der Pläne sowie die Ausführung der ganzen Anlage wurden der Firma Poetter & Co. Akt.-Ges. in Dort mund übertragen, welche das neue Werk im April 1907 vollständig betriebsfertig unter voller Erfül lung der übernommenen Garantien übergab. Zur Er zeugung von Qualitätsguß in großen Mengen wurde ein saurer Martinofen angelegt, dessen Gaserzeuger gleichzeitig zum Betrieb der Temperöfen dient. Abbildung 4. Martinofen. schmolzen, und zwar täglich etwa 3 Chargen zu je 3000 bis 4000 kg, bei einer jedesmaligen Zeitdauer von 3 bis 4 Stunden. Abbildung 3 und 4 zeigen die in jeder Weise gut durch geführte Konstruktion des Martinofens. Beson ders ist darauf Rücksicht genommen, daß durch Auseinanderziehen der Köpfe und durch Verlän gerung des Ofens dessen Fassungsraum jeder zeit vergrößert und die Erzeugung des Werkes hierdurch ohne größere Neuanlagen des Martin ofens gesteigert werden kann. Zur rationellen Herstellung von Temperguß bester Qualität, allerdings nur bei großer Pro duktion, ist der Martinofen aus den bereits er wähnten Gründen als der beste Schmelzapparat zu bezeichnen, nur muß den Eigenarten dieses Schmelzbetriebes voll und ganz Rechnung ge tragen werden, um Mißerfolge zu vermeiden. Diese Eigenarten bestehen im wesentlichen in der Veränderung, welche das Schmelzgut wäh rend des Schmelzprozesses erleidet, und die sich durch Oxydation von Mangan, Silizium und