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590 Stahl und Eisen. Hauptversammlung der Nordwestlichen Gruppe. 29. Jahrg. Nr. 16. Düsseldorf und Köln anhängig gemacht wurden, bezifferte sich im Jahre 1907 auf 23 878. Ein einwandfreier Vergleich läßt sich nun erst im nächsten Jahre ziehen; doch kann man sicherlich, ohne weit fehlzugehen, da auch die amtliche Statistik nur eine verhältnismäßig ge ringfügige Steigerung der gewerbegerichtlichen Streitfälle von Jahr zu Jahr verzeichnet, die Gesamtsumme der großindustriellen Streitfälle im Jahre 1908 gleich der im Jahre 1907 setzen, um so mehr, als wir die erwähnte Steigerung nicht berücksichtigen. Die bei den in Frage kommenden Gewerbegerichten gegen Werke der „Nordwestlichen Gruppe“ erhobenen Klagen würden dann nur 1,43 % der gesamten anhängig gemachten Klagen ausmachen. Es ist dies im Hinblick auf die Zahl der beschäftigten Arbeiter ein geradezu verschwindender Bruchteil. Die Gesamthöhe des Streitobjektes betrug 14 569,97 6. Davon wurden den Arbeitern durch Vergleich, Anerkenntnis, Versäumnis- oder andere Endurteile zuerkannt 2357,56 •% = 16,18%; abgewiesen wurden also zugunsten der Arbeitgeber 12 212,43 % = 83,82 %. Erwähnt sei noch, daß von den 343 Klagen 59 durch Vergleich, 76 durch Verzicht oder Klagezurücknahme, 20 durch Versäumnisurteile gegen die Arbeitnehmer, 6 durch Versäumnis urteile gegen die Arbeitgeber und nur 11 durch Anerkenntnis ihre Erledigung fanden. DurchVergleich wurden zuerkannt 1196,17 6, abgewiesen 1156,89 6 (1 Klage ohne Angabe des Wertes); durch Verzicht oder Klagezurück nahme abgewiesen 2451,90 (5 Klagen ohne Angabe des Wertes); durch Anerkenntnis den Arbeitern zugesprochen nur 121,23 Das sind doch wirklich deutlich genug sprechende Beweise für unsere Behauptung, daß die Zahl der Klagen gegen großindustrielle Werke bei den Gewerbegerichten eine außer ordentlich geringe und die Zahl der erfolgenden Verurteilungen der Arbeitgeber eine noch ge ringere sei. Das sind Zahlenbeweise, denen kein Wort der Erläuterung zugesetzt zu werden braucht. Aus der Praxis der Gewerbegerichte sei noch eine Klage gegen eines unserer Mit glieder hier hervorgehoben, der eine grund sätzliche Bedeutung insofern zukommt, als die Kläger systematisch von dem Metallarbeiter verband und der sozialdemokratischen Organi sation geschoben wurden und einer der beiden Kläger von dem Sekretär des Verbandes im Haupttermine vor dem Gewerbegericht ver treten wurde. Der Klage lag folgender Tatbestand zugrunde: „Die Kläger sind als Fassonformer in der Gießerei- und Formerei-Abteilung bis zum 14. Oktober 1908 gegen Akkord lohn beschäftigt gewesen. Die Abteilung hat am 3. Oktober 1908 nach vorheriger Bekanntmachung durch Aus hang die Arbeit teilweise ausgesetzt. Auch die beiden Kläger, welche in Kün digung standen, haben feiern müssen. Sie haben eine Vergütung für deu 3. Oktober nicht erhalten und begehren mit der erhobenen Klage die Zahlung von je 7,50 %6, ent sprechend dem durchschnittlich erreichten täg lichen Akkordlohn. Die Beklagte beantragte kostenfällige Ab weisung der Klage. Die Gießerei-Abteilung habe am 3. Oktober wegen Arbeitsmangels feiern müssen, Kläger hätten daher gemäß § 34 der Arbeitsordnung der Firma keinen Anspruch auf Lohn für die ausfallende Zeit. Die Kläger machen demgegenüber geltend, daß ein Arbeitsmangel, der die Beklagte zur Aussetzung der Arbeit berechtigt habe, weder für die Gießerei-Abteilung im ganzen, noch insbesondere für die beiden Kläger vorgelegen habe, die ohne Inanspruchnahme größerer maschineller Vorrichtungen ihre angefangene Arbeit am 3. Oktober hätten fortsetzen können. Die Parteien haben für ihre Behauptungen Beweis durch Zeugen und Sachverständige erboten. Die beantragte Beweisaufnahme hat stattgefunden. Bezüglich des Ergebnisses der selben wird auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.“ Es wurde für Recht erkannt: „Kläger werden mit ihren Klagen ab gewiesen und verurteilt, die auf 2,00 % fest gesetzten Kosten des Rechtsstreites sowie die entstandenen baren Auslagen mit 48,70 je zur Hälfte zu tragen und den letzten Betrag — 48,70 % — an die Beklagte zu zahlen.“ Die Abweisung wurde in der Spruchsitzung wie folgt begründet: „Die Verbindlichkeit der Fabrikordnung für beide Parteien ist unstreitig. Unstreitig ferner auch, daß die beiden Kläger am 3. Oktober 1908 auf Anordnung der Werkleitung haben feiern müssen und sie für diesen Tag Lohn nicht er halten haben. Es fragt sich also, ob die Beklagte berechtigt war, am 3. Oktober mit den im § 34 der Arbeits ordnung vorgesehenen Wirkungen wegen Arbeits mangels die Arbeit auszusetzen. Für das Vor handensein der Voraussetzungen im § 34 (Mangel an Arbeit) ist die Beklagte im vollem Um fange beweispflichtig. Der Beweis erscheint jedoch auf Grund der Aussagen der Zeugen und Sachverständigen für geführt. Zunächst ist zu untersuchen, was unter Arbeitsmangel im Sinne des § 34 zu verstehen ist. Wenn darunter das völlige Fehlen jeder