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21. April 1909. Hauptversammlung der Nordwestlichen Gruppe. Stahl und Eisen. 583 Betreffs der Wagen höherer Tragfähigkeit teilte auf Anfrage in der Kommission der Mi nister mit, daß am 31. März 1909 8945 eiserne 20 t-Kohlenwagen und 4420 Kokswagen zur Verfügung stehen, die je nach Wahl mit 15 t Koks oder mit 20 t Steinkohlen oder Erz beladen werden können. Dazu kommen im Laufe des Jahres 3700 Kokswagen. An Kohlentrichter wagen sind 1089 mit 121/2 und 10 t Tragfähigkeit vorhanden. Wenn auch hier eine Vermehrung dieser Wagengattungen eingetretenist, so erscheint doch die Zahl der Kohlentrichterwagen am wenig sten den Verhältnissen zu entsprechen. Die Frage der Selbstentlader ist noch nicht gelöst, da ein brauchbares und rentables Modell trotz eines Preisausschreibens noch nicht ge funden worden ist. Eine Vergütung für die beim Selbstentladewagenbetrieb notwendigen Einrich tungen auf den Werken durch Tarif- oder Ab fertigungsgebührenermäßigung lehnt der Minister ab, da der Industrielle durch geringere Un kosten schon wesentliche Vorteile habe, die Selbstentladewagen anderseits dem Staate er heblich höhere Anschaffungskosten verursachten. Die Aufhebung der Kohlenausfuhrtarife nach der Schweiz, Italien usw. wurde in der Kommission wie im Plenum zur Sprache gebracht, und es wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß die Aufhebung der Ausnahmetarife einer Einfuhrbegünstigung englischer Kohle vollständig gleichkomme und daß es grundsätzlich falsch sei, vorübergehenden Mißständen, wie der so genannten Kohlennot, durch dauernde Verkehrs maßregeln zu begegnen. Zum mindesten ist zu verlangen, daß die deutsche Kohlenindustrie, falls ihre Ausfuhr durch tarifarische Maßnahmen erschwert wird, als billiges Entgelt die Siche rung des deutschen Marktes, z. B. Berlin, durch entsprechende Maßnahmen erhält. Gerade in Zeiten abflauender Konjunktur muß auch im Interesse der Eisenbahneinnahmen selbst ver langt werden, daß durch billigere Tarife eine Steigerung des Verkehrs erfolgt, und wenn der Minister diesen alten Erfahrungssatz nur nach der „Art der Tarifermäßigung“ gelten lassen will, so müssen wir doch betonen, daß gerade die minderwertigen Massengüter diesen Er fahrungssatz bewahrheiten. Qualitätsgüter sind eher in der Lage, gleiche Tarifsätze in Zeiten geringerer Nachfrage zu ertragen, als gering wertige ; ihr Absatz ist nicht so von den Fracht kosten abhängig, wie der der billigen Massen güter. Die teilweise Anerkennung der Erfahrung seitens des Ministers sollte ihn eigentlich doch veranlassen, gerade den Gütern, für die diese Wahrheit gilt, Tarifermäßigungen im wohlver standenen eigenen wie im Gesamtinteresse zu kommen zu lassen. Die Reform des Gütertarifwesens denkt sich der Minister in einer Ermäßigung der Ab fertigungsgebühren bei Verwendung von Wagen größerer Tragfähigkeit und in einer ander weitigen Ausgestaltung des Rohstofftarifs im Sinne einer stärkeren Abstaffelung. Doch hält er den Zeitpunkt noch nicht für gekommen; bessere Zeiten müßten abgewartet werden. Vorläufig wird also auf eine Verbilligung der Tarife nicht zu rechnen sein, und es verbleibt anscheinend bei dem von uns häufig gekennzeichneten Circulus vitiosus, daß in schlechten Zeiten die Eisenbahn eine Tarifermäßigung nicht gewähren kann und in guten Zeiten die Industrie einer solchen angeblich nicht bedarf. So wird denn auch die wiederholt von uns geforderte Ermäßigung der Kalkstein frachten noch ferner auf sich warten lassen. In bezug auf die Wasserwirtschaft des Preußischen Staates wie des Deutschen Reiches ist man insofern einen Schritt vorangekommen, als die preußische Regierung dem Bundesrat einen Gesetzentwurf über die Erhebung von Schiffahrtsabgaben auf natürlichen Wasser straßen unterbreitet hat. Da die Annahme eine Verfassungsänderung bedeutet, und daher nur 14 Stimmen im Bundesrat zu einer Ablehnung notwendig sind, ist es fraglich, ob die Vorlage nicht doch noch fallen wird. Zeitungsmeldungen zufolge ist aber die erforderliche Mehrheit für die Vorlage im Bundesrat vorhanden. Wir ver missen in ihr die Erfüllung des Versprechens, das die preußische Regierung in bezug auf die Ver tretung der Interessenten in den Schiffahrtskassen gegeben hatte. Mit einem bloßen Beirat können wir uns in diesem Falle nicht begnügen, um so weniger, als das Beispiel der jüngsten Schöpfung dieser Art — der Wasserstraßenbeiräte — nicht gerade ermutigend wirkt. Recht bedauerlich ist die ablehnende Ant wort des Ministers auf unsere auch vom Wasser straßenbeirat für den Rhein-Hernekanal und die Lippewasserstraße mit allen gegen eine Stimme gutgeheißene Forderung größerer Schleusen abmessungen auf dem Rhein-Hernekanal und der Lippe Wasserstraße. Die Regierung beharrt bei ihrem Beschlusse, weil der Kanal auch in den bisher geplanten Abmessungen ge nügend leistungsfähig sei und eine bedeutende Frachtverbilligung bewirken werde; auch sei die Bauweise des Kanals durch das Gesetz vom 1. April 1905 bestimmt und eine Abweichung hier von nicht angängig. Die Denkschriften der Handels kammer Duisburg, des Vereins zur Wahrung der Rheinschiffahrtsinteressen und des Bergbaulichen Vereins haben diese Argumente durchaus wider legt. Auch hat der Rheinische Provinziallandtag in seiner diesjährigen Tagung sein Bedauern über den Beschluß des Ministers ausgedrückt und mit Recht gefordert, daß dann wenigstens die vorgesehene Brückenhöhe auf dem Rhein-Herne- kanal von 4 m auf 5 m vergrößert werde, damit auch dem von der Regierung als Normal-Rheinschiff