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■die durch Rechnung gefundene Füllung bei Fluß eisen mit der tatsächlichen nicht ganz überein stimmen. Die letztere wird hinter der ersteren Zurückbleiben. Es wird aber möglich sein, einen Koeffizienten zu ermitteln, mit welchem die theo retische Längung bezw. der theoretische Druck multipliziert werden muß, um auch bei Fluß eisen für die genannten Profile eine genügend genaue Uebereinstimmung herbeizuführen. Doch möchte ich hierüber noch keine Zahlen ver- •öffentlichen. Die Schwankungen der Angaben der Zahlen tafel 1 legen folgende Vermutung nahe: Außer durch die schon erwähnte Komprimierung, welche je nach Material und Druck bis zu einigen Prozent ansteigt, weicht die tatsächliche Längung von der theoretischen auch infolge des Widerstandes ab, welcher die Reibung zwischen den Walzen dem Wandern des Materials aus den gedrückten nach den gezogenen Teilen eines Profils entgegen setzt. Je leichter dieses Wandern vor sich geht, um so kleiner wird die Längung und um so besser füllt das Profil, umgekehrt wird bei großem Wander-Widerstand die Längung größer. Der Einfluß des Wander-Widerstandes scheint sich aber nach allen vorgenommenen Versuchen (ihre Zahl ist beträchtlich größer als hier mit geteilt) in den Grenzen von einigen Prozenten zu bewegen. Ueber die Versuche, welche an gestellt worden sind, um die Richtigkeit der Annahme von dem Einfluß des genannten Wider standes zu prüfen, kann hier der Kürze halber nicht berichtet werden. Die Anschauung von dem Wanderwiderstand läßt eine einfache Erklärung zu, warum Fluß eisen und Eisen in geringer Hitze, wo breite Flächen sich eindrücken, stärker von der theo retischen Längung abweichen, als Schweißeisen in Weißhitze. Für Flußeisen, besonders für härteres Material, wie für kaltes Eisen ist eben ein größerer Druck nötig, dieser bedingt bei dem Vorhandensein solcher Flächen eine größere Reibung, also größeren Wanderwiderstand. Die Folge ist ein stärkeres Längen und ein schlech teres Füllen. Bei steilen Kalibern oder solchen, bei welchen nur schmale Flächen eindringen, bei welchen also der Wanderwiderstand nur ge ring ist, muß dagegen Flußeisen ebensogut füllen, wie Schweißeisen.* Fassen wir die bisherigen Betrachtungen zu sammen, so ergibt sich folgendes: Die Walzarbeit hat dreierlei Widerstände zu überwinden: 1. die Materialverdrängung in der Querrichtung (Verwandlung der Profilform Qi in Qs, soweit hier durch keine Längung bedingt ist); * In den Versuchsfällen, in welchen es um weniges höher als Schweißeisen füllte, ist dies wohl der ge ringeren Kompression bei Flußeisen zuzuschreiben, oder Zufälligkeiten, wie geringerem Abbrand usw. 2. die Materialverdrängung in der Längsrichtung (Streckung von Li zu L2); 3. den Wanderwiderstand. Es ist nun anzunehmen, ohne daß ich für diese zunächst hypothetische Behauptung einen Beweis erbringen kann, daß für die Füllung eines irregulären Profils folgendes Gesetz besteht: Die Füllung stellt sich in der Weise ein, daß die Summe der drei Widerstände ein Minimum ist. — Zum Schluß möchte ich einige Worte über den praktischen Wert der vorliegenden Unter suchungen sagen. Ich fürchte, daß die Mehrzahl meiner Kollegen vom Walzwerksfach beim Lesen dieser Arbeit zu der Ueberzeugung gekommen sein werden, daß die geschilderten Methoden zur Berechnung von Walzenkalibrierungen für den praktischen Gebrauch zu umständlich und zeit raubend seien. Die Dinge stehen in Wirklichkeit nicht so schlimm, als sie beim ersten Blick erscheinen: Die Untersuchung für eine Füllung (s. Zahlentafel 2) dauert bei einiger Uebung je nach dem Grad der Genauigkeit 10 bis 20 Minuten, die gesamte Untersuchung, je nachdem 4, 6 oder 8 mal usw. interpoliert werden muß, 4 bis 8 mal so lange. Schlägt man den dritten Weg, die Annahme von 3 bis 4 Füllungen, ein, und begnügt sich festzustellen, für welche derselben die Ueber einstimmung der tatsächlichen mittleren Profil höhe mit der als arithmetisches Mittel sich ergebenden am besten ist, so beträgt die erfor derliche Zeit keinesfalls mehr als eine halbe bis eine Stunde. Zudem steht zu hoffen, obwohl mir dies trotz intensiver Bemühungen bisher nicht gelungen ist, daß die Verfahren noch vereinfacht werden können. Aber auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, wird der genannte Zeitaufwand kein Hindernis bilden, in besonders schwie rigen Fällen die geschilderten Methoden bei der Kalibrierung von Walzen anzuwenden. Selbst verständlich wird man aber nach wie vor auch bei irregulären Profilen in sehr vielen Fällen es vorziehen, den kürzeren Weg zu wählen und „nach dem Gefühl“ zu kalibrieren. Wir berechnen ja auch nicht jede Traverse eines Walzengerüstes auf Druck und Biegung, oder jede Kuppelspindel auf Torsion. Niemandem wird es deshalb ein fallen, den Wert solcher Festigkeitsrechnungen zu bestreiten. Sie sind notwendig für die zahl reichen Fälle, in denen das Gefühl auch des Erfahrenen nicht mehr verlässig erscheint, und geben außerdem auch bei einfacher Sachlage dem Unerfahrenen einen Ersatz für das noch fehlende technische Gefühl. So werden auch die Methoden zur Berechnung irregulärer Kalibrierungen vor allem dem Lernenden und angehenden Praktiker ein willkommenes Mittel bilden, mit Papier und Stift sich billiger ein richtiges Gefühl im Kalibrieren heranzubilden, als es bisher mittels verdrehter Walzen und verwalzten Eisens möglich war.