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15. September 1906. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 1143. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Iron and Steel Institute. American Institute of Mining Engineers. (Fortsetzung statt Schluß von Seite 1075.) Die Verhandlungen des zweiten Tages (25. Juli), auf die wir bereits oben* hingewiesen haben, wurden durch das American Institute of Mining Engineers geführt und mit einer Ansprache des Vorsitzenden, Captain R. Hunt, eingeleitet. Er glaubte die Gelegen heit des amerikanischen Meetings in England, der Ge burtsstätte des Bessemer-Prozesses, benutzen zu sollen, um gleichzeitig eine Geschichte der Bessemerstahl- erzeugnng in Amerika zu geben. Obwohl früher von englischer maßgebender Seite (gemeint war Sir Low- thian Bell) die Behauptung aufgestellt worden sei, daß die Entfernungen zwischen den zur Eisenerzeugung erforderlichen Rohstoffen unter sich, wie von der Meeresküste in Amerika, so groß seien, daß allein durch die geographischen Verhältnisse die Produktion in Amerika stets .so eingeschränkt sein ■würde, daß sie niemals in Wettbewerb mit derjenigen der alten Welt treten könne, sei aber doch durch die gewaltigen Fortschritte im Transportwesen — vermöge deren eine Tonne Erz auf eine Entfernung von mehr als 160 km Eisenbahn- und mehr als 1200 km Wasser weg mit einem Kostenaufwand von nicht mehr als 5,78 I befördert wird — erzielt worden, daß nicht nur die amerikanische Eisenindustrie im Ausland mit Europa wettbewerbsfähig geworden sei, sondern daß gleichzeitig auch noch die Transportgesellschaften ihre Rechnung gefunden hätten. Eine riesige Ent wicklung habe Platz gegriffen, die auch durch die große Eisenerzförderung an den Oberen Seen von mehr als 35 Millionen Tonnen im vergangenen Jahre zum Ausdruck gekommen sei. Nachdem im Herbst 1864 die erste Bessemercharge erblasen worden war, wurde 1867 in Cambria die erste Stahlschiene gewalzt; heute betreiben in den Ver. Staaten zehn Gesellschaften dreizehn Walzwerke für schwere Schienen. In inter essanter Weise besprach alsdann Redner die Fort schritte in der Bessemerstahlerzeugung und -Ver arbeitung, die durch Ho Iley in der Einrichtung der Bessemerbirnen und Gießgruben, durch John Fritz in der Verwendung von Triowalzen zum Vorwalzen der Stahlblöcke, durch Captain Jones in der Ein führung des Mischers und durch den Redner selbst in weitgehender Verwendung der mechanisch an getriebenen Rollsägen und Tische bei den Walzen der Reihe nach erzielt worden sind. Besonders anregend wirkte hierbei der Unternehmungsgeist eines Garn egie, der keine Kosten bei Neuanlagen scheute, wenn es galt, die Erzeugung zu vergrößern und die Kosten der Herstellung für die Tonne herabzusetzen. Auch die Erzeugung von Formeisen und Formstahl, die verhältnismäßig zurückgeblieben war, hat in letzter Zeit gewaltige Fortschritte gemacht; die Erzeugung hiervon stieg von 949 146 t im Jahre 1904 auf 1660 519 t d. h. um 74,97«. In einer sehr fleißigen und umfangreichen Arbeit (rd. 50 Seiten) brachte alsdann Albert Ladd Colby, New York, einen Vergleich der amerikanischen und fremden Be stimmungen über Eisenbahnschienen nebst Vor schlag zu Abnahmebedingungen für amerika nische Schienen zum Export. Der Verfasser behandelt seinen Stoff in syste matischer, wohl ausgearbeiteter Weise, indem er der Reihe nach in Abschnitten über Herstellungsart, * „Stahl und Eisen“ 1906 Nr. 15 S. 958. chemische Eigenschaften, physikalische Eigenschaften (Festigkeitsprüfungen), Profil, Gewicht, Länge usw., Abnahmebesichtigung und minderwertige, zweitklassige Schienen spricht. Den Schluß bilden Vorschläge für die Herstellung amerikanischer Schienen, die nach dem Ausland ausgeführt werden sollen, weiterhin eine übersichtliche Literaturangabe über Schienen in den Jahren 1870 bis 1906. Auf die Einzelheiten der Ab handlung näher einzugehen, fehlt es an dieser Stelle an Raum, so daß nur einige Punkte herausgegriffen werden mögen. So wird der Phosphor als ein großes Uebel bezeichnet, unter dem jede amerikanische Eisenbahnlinie mit großem Verkehr schwer zu leiden habe. Die Ansicht sei ja sehr ideal, aber nur in der Theorie zu verwerten, -härteren Stahl oder bessere Schienen durch einen höheren Kohlenstoff- und nie drigeren Phosphorgehalt zu erreichen, doch sei es für die Mehrzahl der amerikanischen Schienenhersteller nicht möglich, mit Bestimmtheit den Phosphorgehalt unter 0,10 0/ zu halten. Nur einige östliche Werke können aus sorgsam ausgewählten kubanischen Erzen eine geringe Menge Schienen mit garantiert 0,085 0/o Phosphor erzeugen. Daß amerikanische Schienen in fremden Diensten mehr Bruch als britische gehabt hätten, sei nicht bewiesen. Infolge des höheren Phosphorgehaltes der Bessemer-Schienen scheint eine starke Nachfrage nach basischem Material sich Platz zu machen. Verfasser führt ferner aus, daß die Art und Weise der Probenahme häufig unrichtig sei und daß dieselbe oft zu Kontrollanalysen Veranlassung gäbe. Wenn auf den letzteren bestanden werde, sollen die Analysen stets zu Lasten des Käufers gehen. Weiterhin sollen keine Vorschriften für chemische Untersuchungsmethoden in einer Bestimmung ent halten sein, denn eine vollständige Uebereinstimmung der verschiedenen analytischen Methoden, wie sie in .Stahlwerkslaboratorien gebraucht werden, wird sich nie erreichen lassen. Verfasser tritt dann ein für eine Revision einiger physikalischer Prüfungen wie für die Abschaffung anderer. Bezüglich des Profils und des Gewichtes sollen bestimmte zulässige Grenzen eingeführt werden. Als ein unnötiges Genauigkeits erfordernis erscheint bei einer Länge von 13,7 m ein Unterschied von 3 mm. Getadelt wird auch das Be zeichnen zurückgewiesener Schienen in einer Art, daß sie an unbeeinflußte Käufer nicht mehr abgesetzt werden können; man sollte, sagt er, sich auf die Redlich keit der Hersteller verlassen. Ein Bestreichen der Enden mit einer bestimmten Farbe müsse genügen, da man in Amerika auch zweitklassige Schienen kennt, die in bestimmten Mengen für Nebengleise und dergleichen dienen. * Ist ausgemacht, daß zum Walzen der Schienen der Abnehmer einen Beamten schicken soll, so soll nach Benachrichtigung seitens des Fabrikanten auch ohne Anwesenheit des betreffenden Beamten die Anfertigung an dem bestimmten Tag vor sich gehen dürfen. — Die Besprechung drehte sich hauptsächlich um die Höhe des Phosphorgehaltes der Schienen, ohne indes wesentliche, neue Gesichtspunkte hervor zubringen. Von den weiteren am nächsten Tage gehaltenen Vorträgen bezw. vorgelegten Abhandlungen der Ameri kaner, die die verschiedensten Zweige des Eisen- und Metall-Hüttenwesens zum Gegenstand hatten, seien nachfolgende angeführt. Ein Vortrag betraf die Fortschritte im Walzen von Eisen und Stahl. Der Redner Ja m es E. York, New York, schien mehr Wert auf mehr oder weniger gute Witze als auf sein Vor- * „Stahl und Eisen“ 1906 Nr. 7 S. 421.