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1. September 1906. Vereins-Nachrichten. Stahl und Eisen. 1097 Nach beendeter Besichtigung des Werkes fand im Hüttenkasino ein Festessen statt, das einen eben so glänzenden wie gemütlichen Verlauf nahm. Hr. Generaldirektor Meier nahm Gelegenheit, in einer englischen Rede von etwa nachstehendem Wortlaut die Amerikaner zu begrüßen: „Meine Damen und Herren! Gestern hatte ich das Vergnügen, Sie in Luxemburg mit einem ersten Will kommen zu begrüßen, heute habe ich die Ehre, Sie in unserm Heim im Namen meiner Gesellschaft und meiner Kollegen herzlich zu bewillkommnen und Ihnen für Ihren Besuch unsern besten Dank auszusprechen. Sie haben heute morgen unser Werk besichtigt; vor wenigen Jahren haben wir mit dem Bau desselben begonnen und hatten unsern Weg durch große Schwierigkeiten bis zur gegenwärtigen Gestaltung durchzukämpfen, welche, wie Sie bemerkt haben werden, wir durch weitere Vergrößerungen zu befestigen bestrebt sind. Die Grund lage, auf der unser Werk aufgebaut ist, ist dieselbe wie bei allen Anlagen in Luxemburg und Lothringen: der große Reichtum dieses Bezirks an Eisenerzen. Wie Sie wissen, sind diese Vorkommen arm an Eisen, aber reich an Phosphorsäure und im übrigen leicht und billig zu verhütten. Die Hauptschwierigkeit bietet besonders für uns die Frage der Bewegung der Erze. Um unsere kalkhaltigen Erze mit geringen Kosten zum Werk zu befördern, haben wir die lange Draht seilbahn von Oettingen bis Differdingen angelegt, welche in der ersten Hälfte des nächsten Monats in Betrieb kommen soll. Wir glauben so die Frage der Bewegung der Erze in bester, für Menschen möglicher Art und Weise gelöst zu haben. Von den zwei größten Industriezentren Deutschlands ist das eine hier auf Erz, das andere in Westfalen auf Kohle gegründet; diese zwei Zentren sind dazu bestimmt, sich gegen seitig in Zukunft mehr und mehr zu ergänzen. Der Austausch würde noch ausgedehnter sein, wenn wir, wie Sie, es mit bedeutenden privaten Eisenbahngesell schaften zu tun hätten und Ausnahmetarife erhalten könnten. Alle Schritte waren vergeblich, welche bis zum heutigen Tage bei der Preußischen Eisenbahn verwaltung getan worden sind, um dieselbe zu über zeugen, daß vom national-ökonomischen Standpunkte aus es unklug ist, wenn Millionen von Mark jährlich für Erze ins Ausland gehen, aus dem einzigen Grunde, weil die Tarife zu hoch sind, um zuzulassen, daß Erze aus dem eigenen Lande zur Verwendung kommen. Indessen glaube ich doch, daß einst der Tag kommen werde, an dem die Wahrheit siegen wird. Ich hoffe, daß dies geschehen wird, bevor es zu spät ist und bevor wir zugrunde gerichtet sind, weil wir bei dem wirtschaftlichen Fortschritt anderer Nationen nicht mitkommen konnten. Da wir ziemlich weit von den Kohlenzechen entfernt sind, so war es natürlich, daß wir in erster Linie darauf angewiesen waren, soviel als möglich die Gase unserer Hochöfen zu ver werten. Bereits vor 8 Jahren haben wir damit be gonnen und heute kann unsere erste Gasmaschinen- zentrale bereits zu den industriellen Ruinen gerechnet werden. Sehr selten hat sich ein Fortschritt in maschinentechnischer Beziehung so rasch vollzogen wie bei der Entwicklung des Gasmaschinenbaues, und ich kann wohl sagen, daß die neuen Gasmaschinen, wie Sie heute einige in unserer neuen Zentrale ge sehen haben, den besten Dampfmaschinen an die Seite gesetzt werden können, selbst bezüglich ihrer Betriebs sicherheit, was leider bei den alten Gasmaschinen nicht der Fall war. Unser Walzwerk für breit- flanschige Träger, eine Konstruktion Ihres Lands mannes Grey, hat vielleicht auch einigermaßen Ihr Interesse erregt. Nach beträchtlichen Schwierigkeiten ist es uns gelungen, dieses Walzwerk in erfolgreichen Betrieb zu bringen und lebhaften Absatz für diese Spezialproßle zu finden. Was unsere weiteren Ein richtungen betrifft, so werden Sie nichts Außergewöhn liches gefunden haben, Sie werden dieselben in größerem Maßstabe auf den rheinisch-westfälischen Werken ge sehen haben. Der Besuch unserer Werke bildet den Abschluß Ihrer Reise in unserem deutschen Vaterlande und in Luxemburg. Ich bedauere tief, daß ich mit Ihnen nur an dem Empfangsabend in Düsseldorf und an der Dampferfahrt auf dem Rhein nach Walsum teil nehmen konnte. Indessen verfolgte ich in den Zei tungen mit großem Interesse, wie Sie die nächsten Tage verbracht haben, und ich darf wohl hoffen, daß Sie Ihre Reise nicht bereuen und sich derselben noch lange Zeit erinnern werden. Nichts ist geeigneter, zwei Nationen und namentlich die Verständigen unter ihnen, einander näher zu bringen, als persönliche Zu sammenkünfte und Erörterungen. Wenn Ihr hiesiger Besuch dazu beigetragen haben sollte, die herzlichen Beziehungen zwischen Amerikanern und Deutschen zu stärken und zu befestigen, so würde dies die größte Genugtuung für uns sein, die wir erreichen können. Während der letzten Tage, die Sie in Deutschland weil ten, konnten Sie sich selbst überzeugen nicht allein von der Entwicklung unserer Eisenindustrie und ihrer gegenwärtigen Lage, sondern Sie waren auch imstande, einen Blick in die Herzen der Deutschen und ihre Gefühle zu werfen. Ich hoffe, daß der gegenwärtige Besuch ein Anlaß für Sie sein wird, bald wieder zu uns herüber zu kommen, wie ich weiterhin hoffe, daß auch wir Deutsche demnächst Ihr großes Vaterland werden sehen dürfen. Indem ich von ganzem Herzen wünsche, daß die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der amerikanischen und der deutschen Eisen industrie bezw. ihren Vertretern auch zu weiterer Ent wicklung mehr und mehr führen werde, bitte ich die anwesenden Herren unseres Werkes, mit mir ge meinsam ein herzliches Hurra auf die Gesundheit unserer Gäste auszubringen. Unsere Gäste Hurra!“ Ein berufener Vertreter der amerikanischen Eisenindustrie, Mr. Jul. Kennedy aus Pittsburg, dankte mit warmen Worten nochmals für alles das, was er und seine amerikanischen Freunde in den verflossenen Tagen gesehen hätten, und brachte zum Ausdruck, wie sehr die Amerikaner sich gefreut hätten, Ge legenheit gehabt zu haben, die Differdinger Werke, deren Name und Leistungen so häufig zu ihren Ohren gedrungen seien, aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Nachdem dann noch der Damen gedacht war, brach die Gesellschaft auf Einladung der Frau Generaldirektor Meier auf, um einen Abschiedstrunk in dem wundervoll gelegenen Garten des Hauses Meier zu nehmen und Abschiedsworte auszutauschen. Am Abend verließen die amerikanischen Gäste Differdingen, um nach verschiedenen Richtungen hin abzureisen. Die beiden Tage in Luxemburg und Differdingen bildeten in Verbindung mit den Veranstaltungen von Hannover und Umgebung einen würdigen Abschluß der Besuchstage der Ameri kaner. Dort hatte Dr.-Ing. Alois Weiskopf in Ver bindung mit Konsul Jay White einen Empfangs ausschuß gebildet, für den sich Interesse in den wei testen Kreisen zeigte und der die 26 Teilnehmer, darunter acht Damen, die am Sonnabend den 18. August eintrafen, herzlich begrüßte. Am Sonntag fand im Hotel Kasten ein Festmahl statt, an dem etwa 70 Personen teilnahmen. Die Reihe der Trinksprüche, die zum größten Teil in englischer Sprache gehalten wurden, eröffnete Direktor Dr. Weis kopf mit einer Ansprache, in welcher er die Mit glieder des amerikanischen Institutes aufs herzlichste willkommen hieß und ganz besondere die anwesenden hervorragendsten Vertreter des Eisenhüttenwesens im