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1. September 1906. Dampfkessel- Ueberwachungsvereine und Kesselblech. Stahl and Eisen. 1061 zur Verbesserung des Materials beiträgt, sondern im Gegenteil einzelne dieser Bearbeitungen, wie das Beschneiden der Bleche mit der Schere, das Lochen der Nietlöcher, wie es leider noch viel fach üblich ist, geradezu als bösartige Ver letzungen des Bleches angesehen werden müssen, denen man ihre Bösartigkeit allerdings dadurch nehmen kann, daß man die Kanten der Bleche genügend breit abhobelt und die Nietlöcher ge nügend weit aufreibt, um die verletzten Blech stellen zu beseitigen. Nun ist aber durch zahl reiche Versuche festgestellt, daß hartes Fluß eisen durch jede Bearbeitung, gleichviel ob im kalten oder warmen Zustande desselben, un günstiger beeinflußt wird als weiches, und die Erfahrung mit harten Blechen hat dies auch bestätigt. So groß nun auch die bisherigen Fortschritte auf dem Gebiete der Flußeisen herstellung gewesen sind, diese ungünstigen Eigenschaften des harten Flußeisenmaterials be stehen auch heute noch und werden vielleicht nie ganz beseitigt werden können, weil sie zur Natur des Flußeisens gehören. In dieser Emp findlichkeit des harten Flußeisens gegenüber allen äußeren Einflüssen, die beim Schweißeisen unbekannt war, finde ich auch die Erklärung für die gewiß auffallende Erscheinung, daß mit unter Risse in Blechen bei der Druckprobe des Kessels oder nach Inbetriebnahme desselben auf treten, trotzdem die Bleche vorher bei der Ab nahme auf dem Walzwerk durchaus gute Resul tate ergeben haben und auch nachher nach Ein tritt des Bruches bei nochmaliger Prüfung mindestens noch befriedigende Resultate ergaben. An der gerissenen Stelle hat das Material ent weder bei der weiteren Bearbeitung des be treffenden Bleches oder bei der Abkühlung des selben nach dem Ausglühen oder im Betrieb durch irgend einen der vielen möglichen Einflüsse mehr gelitten als an den benachbarten Stellen. Für diese Auffassung spricht die Tatsache, daß noch bei keinem der vielen in unserem Bezirk vertretenen Kessel, die aus weichem Flußeisen material, Siemens-Martin-Feuerblech, hergestellt sind, Doppellaschennietung und gebohrte Niet löcher haben, irgend ein Riß aufgetreten ist, auch aus der Literatur ist mir augenblicklich kein solcher Fall bekannt. Jedenfalls ist diese Tatsache auffallend und gestattet Rückschlüsse. Von anderer Seite werden diese Fälle, wo Risse auftreten, und das Material trotzdem den An forderungen genügt, die in den sogenannten Würzburger Normen niedergelegt sind, auf das heutige Prüfungsverfahren bei der Abnahme der Bleche zurückgeführt, indem die vorgeschriebenen Prüfungsarten des Materials als nicht hinreichend und leicht zu Täuschungen führend hingestellt werden. Zugegeben muß werden, daß eine jede neue Prüfungsart geeignet ist oder wenigstens sein kann, etwa vorhandene Eigenschaften überhaupt oder zum mindesten besser kennen zu lernen, als es mit Hilfe der bisher angewandten Prüfungsarten möglich gewesen ist. Ebensowenig wie die chemische Analyse des Materials in der Lage ist, ein genaues Bild über Festigkeit, Dehnung, Zähigkeit, Schweißbarkeit usw. desselben zu geben, die Zerreißprobe nicht das angeben kann, was die Härtungsbiegeprobe angibt, ebensowenig lassen Proben bei ruhender Belastung das 'Verhalten des Materials bei stoßweiser Be lastung (Schlagproben) erkennen. Es fragt sich nur, wie diese Schlagproben für das praktische Abnahmegeschäft auszuführen sind — so wie sie heute in Materialprüfungsanstalten zur Aus führung kommen, sind sie dafür nicht geeignet —. und wie ihre Resultate zu bewerten sind für stichhaltige Vergleiche. Gleichviel aber auch, welche Prüfungsarten und wie diese ausgeführt werden, zu berücksichtigen bleibt, daß bei allen heute überhaupt in Frage kommenden Prüfungs arten von abzunehmenden Blechen nicht alle, sondern nur einzelne zur Prüfung ausgewählten Bleche und diese auch nur an den Stellen, wo die Probestücke entnommen werden, auf ihre Eigenschaften untersucht werden, wodurch also nicht ausgeschlossen ist, daß unter den nicht zur Prüfung ausgewählten Blechen das eine oder andere sein kann, dessen Qualität minderwertig oder gar ungenügend ist, daß ferner auch an einem geprüften Blech infolge der niemals vor handenen vollkommenen Homogenität Stellen sein können, die von anderer Beschaffenheit sind als die, denen die Proben entnommen sind. Zur richtigen vorurteilsfreien Beurteilung des Wertes der nun schon seit 1881 als Grundlage für die Abnahme von Kesselbaumaterialien dienenden Würzburger Normen dürfte dieser Hinweis nicht ganz überflüssig sein. Sehr häufig findet man ferner in der Literatur die Bemerkung, daß Kesselbleche, die bei der Druckprobe oder im Betriebe des Kessels ge rissen sind, bei der nachherigen Prüfung den Würzburger Normen entsprochen hätten, weil die darin verlangte Festigkeit und Dehnung er reicht worden sei. Sollte sich wirklich die Prüfung des betreffenden Bleches nur auf die Feststellung der Festigkeit und Dehnung des selben erstreckt haben, wie der Wortlaut dies vermuten läßt, dann darf aber nicht behauptet werden, daß das Blech den Würzburger Normen entsprochen habe, denn diese schreiben für Bleche nicht nur die Zerreiß- und Dehnungsprobe, son dern auch die Biegeprobe in warmem Zustande, die Härtungsbiegeprobe und die Schmiede- und Lochprobe vor. Erst wenn ein Blech all diesen Proben genügt hat, darf behauptet werden, daß es den Würzburger Normen entsprochen habe. Sehr zu bedauern ist ferner, daß fast bei all diesen in der Literatur erwähnten Vorkommnissen nichts, gar nichts über die Betriebsverhältnisse,