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1. Juli 1906. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 825 ofengebläse, bei denen der direkte Gasantrieb schon überwiegt, herrscht heute noch der Dampfantrieb. Im allgemeinen ist aus dem Dampfantrieb nicht heraus geholt, was herauszuholen war; es hat zu lange der Sporn des Wettbewerbes gefehlt. Insbesondere sind die Fördermaschinen Stiefkinder gewesen; sie gelten als Dampffresser, brauchen es aber nicht zu sein. Obwohl der Dampfmaschinenbau eine Fördermaschinen- Steuerung in der Hand batte, die sich den Betriebs bedingungen ausgezeichnet anschmiegte und niedrigen Dampfverbrauch erzielte, hat er es nicht verstanden, der Elektrotechnik auf dem ihr so schwierigen Felde der Hauptschachtförderung mit Erfolg entgegen zutreten. Heute sucht man das Versäumte nach zuholen, schenkt auch der Reversier - Walzenzug- maschine neue Beachtung. Einen außerordentlichen Erfolg hat die elektrische Wasserhaltung gehabt, der durch die Einführung der Hochdruckzentrifugalpumpe in den Bergbau gesteigert wurde. Allein für den Ruhrkohlenbergbau sind etwa 100 elektrische Wasserhaltungen gebaut oder im Bau, die zusammen 350 cbm/Min. heben können. Nicht viel mehr betragen die gesamten Wasserzuflüsse in der Minute; die gesamte Förderfähigkeit der Wasser haltungen muß selbstverständlich mehrere Mal größer sein als die durchschnittlichen Zuflüsse. Nach der effektiven Leistung überwiegen noch die Kolbenpumpen, nach der Fördermenge stehen aber schon die Zentri fugalpumpen obenan, die zwar einen niedrigeren Wirkungsgrad haben, aber billiger sind und weniger Wartung erfordern. Auch die elektrische Schachtförderung hat schnelle Fortschritte gemacht, seitdem man durch die Leonardsche Schaltung und den Schwungradausgleich nach Jlgner gelernt hat, die Fördermaschine aufs sicherste zu steuern und diese wegen ihrer außer ordentlichen Leistungsschwankungen so unbequeme Maschine zu einer gleichmäßigen, vorteilhaften Be lastung des Netzes zu gestalten. Die für deutsche Steinkohlengruben gebauten oder im Bau befindlichen Fördermaschinen könnten etwa 20 000 t in achtstün diger Schicht heben; da wir aber über 200 000 t in der Schicht fördern, hätte die elektrische Schachtförderung noch ein weites Feld. Insgesamt sind bei den Siemens- Schuckert-Werken, der Allgemeinen Elektrizitäts-Ge sellschaft und den Felten-Guilleaume-Lahmeyer-Wer- ken 60 größere Schachtfördermaschinen für 40000 t Förderleistung in achtstündiger Schicht gebaut oder im Bau, von denen ein Drittel aufs Ausland entfallen. Im Hüttenwesen hat der elektrische Strom seit Jahren das Transportwesen erobert und umgestaltet. Heute handelt es sich um den elektrischen Antrieb der Walzenzugmaschine. Schwungradstraßen anzu treiben, ist der Elektromotor ohne weiteres geeignet; man ist aber auch an die Aufgabe herangetreten, Re versierstraßen nach dem Vorbild der Fördermaschinen elektrisch anzutreiben. Bei der Allgemeinen Elek trizitäts-Gesellschaft und den Siemens-Schuckert- Werken sind etwa 170 Walzwerkantriebe mit 100 000 P. S. normaler Leistung gebaut oder im Bau, darunter 5 Antriebe für Reversierstraßen. Man kann heute also alle Antriebe elektrisch ge stalten; in welchem Umfang und in welchem Tempo man damit vorgeht, ist eine Sache der Rechnung. Es ist aber der Zug der Zeit, daß man sich für den elek trischen Antrieb entscheidet, auch wenn man keine großen Vorteile für ihn herausrechnet, weil man den elektrischen Betrieb besser kontrollieren kann, straffer in der Hand hat, als den Dampfbetrieb. Kann man primär Gasdynamos aufstellen, so wird der elektrische Antrieb fast immer der vorteilhaftere sein. Der direkte Gasantrieb kommt nur für große Einheiten in Betracht, hauptsächlich für Hochofen gebläse, aber auch für Walzenstraßen, Kompressoren, Pumpen. Die Gebläse muß man der Eigenart der XIII.M Gasmaschinen anpassen; muß sie beim Anlassen ent lasten und ihre Windleistung verringern, wenn sie auf höheren Druck blasen sollen. Für den Antrieb von Walzenstraßen, der aber wenig verbreitet ist, heißt es, die Gasmaschinen reichlich stark wählen. Die Entwicklung der Großgasmaschine ist außer ordentlich schnell gewesen. 1898 kamen die ersten Gichtgasmaschinen in Betrieb, heute sind für deutsche Hütten und Zechen gebaut und im Bau: 125 Gasgebläse mit 156 000 P. S., 175 Gasdyna- mos mit 193000 P. 8., 11 Gaswalzenzugmaschinen mit 17 000 P. 8. und 47 Koksofengasdynamos mit 40000 P.S., zusammen 358 Gasmaschinen mit 406000 P. S. Um die Bilanz zu ziehen, wie weit die Abgase ausreichen, den Kraftbedarf zu decken, seien zwei Beispiele gewählt. Eine Eisenhütte, die jährlich 300 000 t Roheisen erzeugt und nach ihrem Anteil an der Roheisenerzeugung auch an der Stahl- und Walzenproduktion teilnimmt, erzielt aus den über schüssigen Gichtgasen in Gasmaschinen durchlaufend 25 000 P. 8. und hat einen Kraftbedarf, der sich wegen der vielen nicht durchlaufenden Betriebe und sonstigen Schwankungen bis etwa 30 000 P. 8. erhöhen kann. Dann wäre viel Energie z. B. für elektrische Stahl erzeugung nicht übrig. Eine Ruhrzeche mit mittleren Verhältnissen ferner, die 600 000 t jährlich fördert, und ein Viertel der Förderung verkokt, kann mit Abhitze und Abgasen durchlaufend 3000 P. 8. erzeugen und braucht werktäglich durchlaufend etwa 2500 P. 8., zuzeiten aber auch bedeutend mehr, so daß man auch hier an der Grenze ist. Solcher »Normalhütten« und Zechen gibt es eine große Zahl; es stehen aber auch reine Hochofenwerke reinen Walzwerken gegen über oder Zechen, die viel Koks erzeugen und wenig Kraft brauchen, anderen Zechen, die keinen Koks er zeugen, aber sehr viel Wasser haben. Deshalb, heißt es ausgleichen. So haben die Gelsenkirchener Berg werksgesellschaft, die Gesellschaft Hibernia, die Zeche Rheinpreußen u. a. ihre Schächte durch Kabel ver bunden, können auch Strom an Gemeinden und Städte abgeben. Die Hibernia-Zeche liefert den Strom für das »Elektrizitätswerk Westfalen«, das im Entstehen begriffen ist, die Zeche Rheinpreußen schickt auf 20 km Entfernung nach Krefeld Strom. Das Rheinisch- Westfälische Elektrizitätswerk mit seinen Zentralen, einer in Essen, einer bei Hörde und einer dritten im Westen des Industriebezirkes geplanten, und sein Kabelnetz von etwa 1000 km ist auf breiterer Grund lage befähigt, diesen Energieausgleich vorzunehmen, und hat mit Hütten und Zechen Verträge abgeschlossen, nach denen es ihnen Strom für 6 P. S./KW.-Std. liefert und für 3 P. S./KW.-Std. abnimmt. Der Erfolg dieser durchaus richtigen Bestrebungen, die Kraft dort zu gewinnen, von dort her zu nehmen, wo man sie am wohlfeilsten erhält, ist es gewesen, daß die Strom preise wesentlich niedriger geworden sind, daß z. B. für Kraftzwecke Strom so billig abgegeben wird, daß selbst große Betriebe, wie Walzwerke, darauf ver zichten, selbst ihre Kraft zu erzeugen, sondern Strom kaufen. Selbstverständlich hat auch auf diesem Ge biete der Wettbewerb nicht gefehlt; es scheint aber für die Wettbewerbsfähigkeit Anlehnung an die großen Hütten oder Zechen Bedingung zu sein. — Damit war die Tagesordnung erledigt, und die Versammlung wurde unter den üblichen Förmlich keiten, Danksagungen usw. geschlossen. Der Verlauf der 50-Jahrfeier war in allen Teilen der umfangreichen Veranstaltung ein glänzender. Der Berliner Bezirksverein hat sich unter Führung seines verdienten Vorsitzenden Baurat Krause in der Treff lichkeit der Anordnung selbst übertroffen. Nicht nur die Mitglieder des Vereines deutscher Ingenieure, sondern alle irgendwie mit der Ingenieurwissenschaft, Technik und Industrie in Beziehung Stehenden werden mit Stolz auf die Festtage zurückblicken. 5