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einen enormen Aufschwung genommen, sie hat im letzten Jahrzehnt sogar die einst welt- beherrschende« Eisenindustrie Englands über- flügelt; aber dessenungeachtet hatten die Auf wendungen für das wissenschaftliche Studium dieser Disziplin keinen größeren Umfang ange nommen. Die veränderten Produktionsbedingungen, unter denen sich dieser Aufschwung vollzogen hat, sind an den Hochschulen spurlos vorüber gegangen, nach wie vor wurde der Hüttenmann als metallurgischer Chemiker betrachtet und lag der Schwerpunkt seines Studiums dementsprechend auf dem rein chemischen Gebiete. Die Labo- ratoriumsausbildung der Hüttenleute war in den Händen des reinen Chemikers, während dem Pro fessor für Hüttenkunde kein Laboratorium zur Verfügung stand, in dem er seine Schüler unter richten und seinen Forschungsdrang betätigen konnte. Dagegen hatte der Chemiker das wissen schaftliche Rüstzeug und eine Zahl Hilfsarbeiter in den älteren Studierenden zur Verfügung, allein es ermangelten ihm die Spezialkenntnisse, um den Punkt zu linden, wo der Hebel anzusetzen war. Wie Sie sehen, lag die Schuld nicht an den Personen, sondern in dem System, und letzteres muß ausschließlich dafür verantwort lich gemacht werden, wenn bis zum Jahre 1899 in der Literatur sich meines Wissens nur eine einzige Arbeit eines Studierenden der Aachener Hochschule, welche eine hüttenmännische Frage behandelt, vorfindet. So war es um die metall urgische Ausbildung der jungen Hüttenleute bestellt. Untersuchte man die maschinentech nische Seite derselben, so kam man ebenfalls zu keinem erfreulichen Ergebnis. Infolge der Vergrößerung der Produktion der einzelnen Werke, der veränderten Herstellungsmethoden, hat sich die Wichtigkeit der Kenntnis maschi neller Einrichtungen für den Hüttenmann gegen über früheren Verhältnissen in geradezu un geahnter Weise gesteigert. Die wissenschaft liche Ausbildung der Hüttenleute trug bezw. trägt auch heute noch dieser veränderten Sach lage zum Teil keine Rechnung. Um eine Re organisation des hüttenmännischen Unterrichts in die Wege zu leiten, habe ich in Ueberein stimmung mit meinem Kollegen Borchers im Jahre 1903 in einer Denkschrift hierfür folgende Leitsätze aufgestellt: 1. Ausdehnung des Unter richts in der eigentlichen Eisenhüttenkunde, sowohl durch Vermehrung des chemisch-metall urgischen Zweiges, als auch namentlich des konstruktiv-mechanischen Teiles derselben. 2. Be schränkung des chemischen Unterrichts auf die jenigen Vorlesungen und Uebungen, welche zur Schaffung einer theoretisch chemischen und prak tisch analytischen Grundlage erforderlich sind, dagegen Vertiefung in den auf physikalisch- chemischen Grundlagen beruhenden metallurgi schen Unterrichtszweigen sowohl durch Vor lesungen wie Laboratoriumsarbeit. 3. V ermehrung des chemischen Unterrichts unter strenger An passung desselben an die Bedürfnisse des Eisen hüttenmannes. Der Eisenhütteningenieur soll bei seiner Ausbildung zuerst eine allgemeine wissenschaftliche Grundlage erhalten, auf welcher sich dann die spezielle Fachwissenschaft auf baut. Als Grenze zwischen beiden Teilen soll sich das Vorexamen einschieben. Auf dieser Grundlage fanden im Herbst 1903 und Frühjahr 1904 Beratungen im Handelsministerium unter Zuziehung des Kultusministeriums, Vertretern der Industrie und der beteiligten Hochschulen statt, welche zur Aufstellung eines Normal studienplanes in voller Uebereinstimmung mit dem Ideengang meiner Denkschrift führte. Hierbei möchte ich nicht unterlassen, Herrn Geheimrat Prof. Dr. - Ing. A. R i e d 1 e r für seine hervor ragende Mitarbeit in bezug auf die Ausgestaltung des maschinentechnischen Teiles des Studienplanes herzlich zu danken. Derselbe ist nunmehr unter Anpassung an die gegenwärtigen Verhältnisse an unserer Hochschule zum Teil eingeführt. M. H..' Bei dieser Durchführung der Neuorgani sation haben wir das Wort Goethes: „Leben heißt ein Kämpfer sein“ in seiner ganzen Be deutung erfahren müssen. Die teilweise Durch führung dieses Studienplanes war nur dadurch möglich, daß eine neue Professur für Hütten maschinenkunde, eine Dozentur für konstruktive Hüttenkunde, eine solche für Metallographie und Eisenprobierkunde sowie drei Assistentenstellen neu geschaffen und Mittel zur Verfügung gestellt wurden, um neben dem mustergültigen neuen Institut für Metallhüttenwesen ein provisorisches Institut für Eisenhüttenwesen und Metallographie zu errichten. Erst vor wenigen Tagen ist eine neue Professur für physikalische Chemie, welche hauptsächlich für Hüttenleute bestimmt ist, besetzt worden. Ich spreche hier an dieser Stelle der Staatsregierung meinen aufrichtigsten Dank für die bisherige großzügige Unterstützung aus. Wir betätigen diesen Dank am besten dadurch, wenn wir uns bestrebt zeigen, das zu unserer Ver fügung gestellte wissenschaftliche Rüstzeug nutz- bringend zu verwenden. Aus dem neuen Institut für Metallhüttenwesen sind schon zahlreiche wert volle wissenschaftliche Arbeiten hervorgegangen, die zum Teil die Grundlage für ganz neue Hütten prozesse abgegeben haben. Erst seit dem Jahre 1903 kann von dem Vorhandensein eines eisen hüttenmännischen Instituts gesprochen werden. Dank dem Entgegenkommen der Redaktion von „Stahl und Eisen“ und der Knappschen Verlags- buchhandlung in Halle a. d. S. ist es mir heute möglich gewesen, eine Sammlung der bisher an gefertigten Arbeiten Ihnen zur Einsicht zu über geben und es Ihrem Urteil zu überlassen, ob ich mit dem mir übergebenen Pfunde ge wuchert habe oder nicht. Als weiterer Be weis für unser Bestreben, die wissenschaft liche Ausbildung der Hütteningenieure zu för-