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26. Jahrg. Nr. 15. Erst wenn der Haltepunkt Ar 3 = 700 0 C. oben durchschritten wird, tritt diese Lösung in den labilen Bereich über. An dem tatsächlichen Zu stand des Stahles wird nichts geändert , wenn wir uns vorstellen, daß bei 700° C. (Punkt J', Abbild. 25c) plötzliche Abkühlung bis zu 0°C. (Punkt K') in der unendlich kleinen Zeit Null und darauf sofort wieder in derselben Zeit Null Erhitzung bis zu 700 0 C. entsprechend Punkt J‘ erfolgt. Wir können uns somit vorstellen, der Stahl wäre in der Zeit Null in den glasharten Zustand übergeführt, und die darauffolgende Abkühlung von J' über K‘ entspricht dann einer Anlaßbehandlung bei sinkender Anlaß hitze. Während des Sinkens der Hitze von keine Wirkung mehr aus. Die Wirkung der Abkühlung des Stahles nach Kurve 4’ (Abbild. 25c) wäre somit dieselbe wie etwa ein 10 Sekunden dauerndes Anlassen bei 500 ° C. Punkt P" oder ein etwa 3,5 Sekunden währendes Anlassen bei 600 ° C. (Punkt P‘) nach vorausgegangenem Abschrecken. Die Zahlenwerte sind aus den schon angegebenen Gründen nur als Beispiele an zusehen, nicht als wirkliche Rechnungswerte, weil ja die Anlaßkurven in Abbild. 25 c nur an genommen, nicht tatsächlich ermittelt wurden. Aus dem Vorstehenden gelangt man zu der Vorstellung, daß die Abkühlung eines Stahles von einem Wärmegrad über 700 0 C. aufgefaßt werden kann als das Anlassen eines idealen Martensits (erhalten durch unendlich rasche Abschrek- kung oberhalb Ars) unter Verhältnissen, wie sie durch den Verlauf der Abkühlung von 700° C. bis Zimmer wärme bedingt sind. Ist die Abkühlung sehr schroff, wie in Kurve 1 (Abbildung 25 c), so nähert man sich dem idealen Martensit, der nur einer ganz schwachen Anlaßwirkung ausgesetzt war. Ist dagegen die Ab kühlung langsamer, wie in Kurve 5 (Abbildung 25 a und c), so erhält man einen Zustand, der dem ausge glühten bereits sehr nahe steht. Ist die Abkühlungs- 700 auf 600° C. werde unveränderliche Hitze von 700 °C.* vorausgesetzt. Die Anlaßwirkung folgt dann den 700° C. Kurven von 0 bis M in Ab bildung 25a. Die Abszisse von M entspricht der zum Durchlaufen von 700 bis 600° C. nötigen aus Abbildung 25 c zu entnehmenden Zeit von 1 Sekunde. — Während des weiteren Verlaufs der Abkühlung von 600 bis 500° C. (M‘ auf N‘ in Abbildung 25c) wird die Hitze unveränderlich gleich 600 0 C. gesetzt. Legt man durch M in Abbildung 25a eine Parallele zur Anlaßkurve 600° C., so erhält man N als Schnittpunkt dieser Parallelen mit der Ordinate zur Abszisse 1,9 Se kunden. Letztere entspricht dem Unterschied der Abszisse von J' und N‘ in Abbild. 25 c. In derselben Weise fährt man fort bis zum Punkt P, entsprechend der Anlaßhitze 500 0 C. Weitere Anlaßwirkung kann nicht erzielt werden, da P oberhalb der höchsten Anlaßwirkung liegt, die bei der nächst niedrigen Wärme von 400 0 C. erzielt werden kann. Die weitere Abkühlung übt somit dauer genügend groß, so er halten wir den Zustand der höchsten Anlaßwir kung, nämlich den ausgeglühten Stahl. Aus dieser Vorstellung heraus ergibt sich ohne weiteres, daß wir im abgeschreckten Stahl dieselben Ge fügeerscheinungen wieder finden müssen, wie im angelassenen Stahl; damit erklärt sich auch das Auftreten von mehr oder weniger Troostit, ebenso das Auftreten der verschieden gefärbten Troostit- Sorten in gehärteten Stahlsorten. Da aber die Wärmegrade innerhalb eines Stahlstückes während der Abschreckung nicht an allen Stellen gleich sein können, so werden inner halb des Stückes auch verschiedene Grade der Anlaßerscheinungen auftreten können. Die Ab schreckwirkung wird im Innern der Stahlprobe weniger schroff sein, als an der Oberfläche; es kann sich dann beispielsweise ein dunkler Troostit- kern in einem hellen Martensitrand bilden* wie z. B. in Abbildung 33. Irgendwelche Zufällig keiten, Bildung von Dampfbläschen an der ab geschreckten Stahlprobe, Erschwerung der den * Dies gilt streng genommen nur, wenn A t un endlich klein ist. Für den vorliegenden Zweck genügt aber die Annäherung. * Siehe auch E. Heyn: »Mikroskopische Unter suchungen von Eisenlegierungen«. „Verhdl. d. V. zur Bef. des Gewerbf.“ 1904 Tafel XVII, Abbildung 2.