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880 Stahl und Eisen. Eine gemeinnützige Volks- und Pensionsversicherung. 26. Jahrg. Nr. 14. dem Arbeiter nicht verloren gehen können. Mit der Beseitigung des Zwanges zur Prämienzahlung entfällt aber auch der wichtigste Anreiz zur Fort- Setzung und entsprechenden Erhöhung der Ver sicherung, und hierauf ist es wohl in der Haupt sachezurückzuführen, wenn der HitzescheGedanke der Arbeiter-Spar- und Lebensversicherung bisher größere Bedeutung für die Praxis nicht hat ge winnen können. Auch Vorschläge, die von anderer Seite zur Lösung dieses wichtigen Problems ge macht wurden, haben bisher zu befriedigenden Ergebnissen nicht geführt. Mit einem vollständig neuen Projekt tritt nun das Düsseldorfer Unternehmen, betitelt „Ver- einsversicherungsbank für Deutschland“, an die ganze Frage heran. Der erste Gesichtspunkt, von dem dieses Projekt ausgeht, ist der, daß die Volks- und Pensionsversicherung nicht zu erwerbs wirtschaftlichen Zwecken, sondern als ein gemein nütziges Unternehmen betrieben werden soll. Demgemäß wird der Ertrag des als Aktiengesell schaft gedachten Unternehmens von vornherein auf das Höchstmaß von vier Prozent beschränkt. Der zweite für die ganze Organisation ausschlag gebende Gesichtspunkt ist der, daß einmal die bereits bestehenden, das Gebiet der Volks- und Pensionsversicherung beackernden Unterneh mungen zusammengefaßt werden und daß außer dem die an diesem Versicherungsgebiet in erster Linie Beteiligten in umfassendem Maße zur Mit wirkung herangezogen werden sollen. Ein aus den angesehensten Persönlichkeiten der Groß industrie und des Großhandels aus allen Teilen des Reichs sich zusammensetzender Ausschuß legt die Ziele des neuen Unternehmens in einem zur Beteiligung einladenden Rundschreiben u. a. wie folgt dar: Ein Hauptbeweggrund für die Schaffung des neuen Unternehmens, das den Namen „Vereins- Versicherungsbank für Deutschland“ führen soll, war die Ueberzeugung, daß die Pensionsver sicherung für die Beamten und Arbeiter indu strieller oder kaufmännischer Betriebe, bei dem starken Wunsche zahlreicher Arbeitgeber nach brauchbaren Einrichtungen dieser Art, zu reicher Entfaltung gebracht werden kann, wenn eine bedeutende Anzahl größerer Firmen selbst sich mit Aktienbesitz an einem solchen Institute be teiligt. Die Aktienform ist dann nicht die Erwerbs form, sondern die Form, um den als Aktionäre zur Mitwirkung berufenen Werken einen Einfluß auf die Versicherungsanstalt zu gewähren und damit die Versicherungseinrichtungen der Anstalt zu eigenen Einrichtungen der Werke und Ein richtungen ihrer Angestellten und Arbeiter zu machen. Durch eine derartige Regelung wird erreicht, daß der Vorteil einer eigenen Pensions kasse, der Einfluß auf ihre Verwaltung, vereinigt wird mit den Vorteilen des Anschlusses an eine Versicherungesellschaft. Die Garantie und der umständliche Geschäftsverkehr mit der Aufsichts behörde werden auf die Versicherungsgesellschaft übertragen. Vor allem kann dann der bislang nur in der Theorie bestehende Vorteil des An schlusses an eine Versicherungsgesellschaft, daß eine breitere Grundlage für die Versicherung zu gewinnen ist, durch die Herstellung eines erheblich innigeren Zusammenhangs zwischen den Unter nehmungen und der Versicherungsanstalt zu einem praktischen Vorteil ausgestaltet werden. Eine breitere Basis für die Versicherung gestattet, die für die Pensionsversicherung in hohem Grade wünschenswerte Berufsspezialisierung durchzu führen, und muß infolge Bestreitung der Ver waltungsausgaben aus erhöhten Einnahmen und infolge besserer Verteilung des Risikos zu einer Verminderung der Kosten führen. Das Gesagte gilt wie von der Pensionsversicherung von der sie ergänzenden Lebensversicherung mit Ein schluß der Invaliditätsgefahr. Ein fernerer Beweggrund für die Gründung des Unternehmens war die Notwendigkeit, die Volksversicherung zu reformieren. Die Volks versicherung ist bekanntlich, abgesehen von dem regelmäßigen Fortfall der ärztlichen Untersuchung und der Festsetzung häufigerer Prämienzahlungs termine, im wesentlichen nichts anderes als eine Lebensversicherung über eine kleinere Summe von durchschnittlich etwa 200 «6. Die Volksver sicherung besitzt in viel höherem Grade, als all gemein bekannt, die Fähigkeit, im Organismus einer Nation die Funktion der Kapitalbildung zu übernehmen. Wenn bereits Ende 1899 in England mehr als 17 Millionen Mark Volksver sicherungspolicen über rund 3,4 Milliarden Ver sicherungssumme und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika mehr als 8 Millionen Mark Volksversicherungspolicen überrund 4,5 Milliarden Versicherungssumme in Kraft waren, so bedeutet dies, daß der Wohlstand dieser Länder durch den Betrieb der Volksversicherung nicht uner heblich gehoben ist; denn durch ihn sind zahl reiche Personen, bei denen es sonst nicht der Fall gewesen wäre, mit dem Besitz kleiner Kapi talien ausgestattet worden. Die Volksversicherung ist in hohem Grade reformbedürftig, weil sie mit bedeutenden Unkosten arbeitet und die Ver sicherten nicht genügend gegen Verfall der Ver sicherungschützt. Die „Vereinsversicherungsbank für Deutschland“ will nun möglichst die An werbung der Versicherten und die Einziehung der Prämien bei der Versicherung der Arbeiter industrieller undkaufmännischer Unternehmungen auf diese Unternehmungen und bei der Ver sicherung der Mitglieder von Verbänden, Vereinen, Genossenschaften und ähnlichen Vereinigungen auf diese übertragen und dadurch die Kosten der Volksversicherung herabsetzen. Durch die Hinzu ziehung der Unternehmungen tritt die „Vereins versicherungsbank“ dem Verfall der Versiehe-