Volltext Seite (XML)
676 Stahl und Eisen. Bericht an die i[auptversammlung der Nordicestlichen Gruppe. 24. Jahrg. Nr. 12. bald mit Abänderungsvorschlägen dieses § 34 kommen, und ich glaube, daß sie bei einem großen Teil des Hauses auf Dank und Entgegen kommen wird rechnen können.“ — Das ist auch unsere Meinung. Über die No veile zum Krankenkassen- gesetz wurde eingehend in der Vorstandssitzung vom 5. März 1903 verhandelt, nachdem vom Berichterstatter nach Erläuterung des Gesetz entwurfs dargelegt war, daß die drei Verände rungen, die der Entwurf zum Besten der Ver sicherten vorschlug, — Ausdehnung der Ver sicherung von 13 auf 26 Wochen, Erhöhung der Wöchnerinnen-Unterstützung, Einbeziehung der Geschlechtskranken in die Verpflegung und Heilung —, auch von der Industrie gutgeheißen würden. Aber man hatte neben dieser Verbesse rung auch die Regelung anderer Fragen erhofft, so insbesondere die der freien Hilfskassen, die zurzeit ganz unberechtigte Privilegien im Ver hältnis zu den Orts- und Betriebskrankenkassen besitzen. Diese Privilegien haben große Schädi gungen für die letzteren zur Folge gehabt, wie die Geschichte vieler Orts- und namentlich kleinerer Betriebskrankenkassen beweist. Darum müßte die Berechtigung der freien Hilfskassen aufgehoben werden, nach der die Mitgliedschaft bei diesen von der Zugehörigkeit zu einer Zwangskasse befreit. Ferner hatte man die Reform der Ortskrankenkassen-Organisation er wartet, die um so brennender erscheint, als in folge der in der Novelle vorgeschlagenen er höhten Leistungen manche kleine Betriebs krankenkasse eingehen wird. Endlich wurde es als ein Mangel empfunden, daß man die Ärzte nicht vorher gehört habe, da doch auch bezüglich dieses Punktes, namentlich im Ver hältnis der Ärzte zu sozialdemokratischen Krankenkassen, manches der Abänderung be dürftig erscheint. Unter diesen Umständen konnte der Vor stand nur sein Bedauern darüber aussprechen, daß man die Novelle angesichts der Bedeutung der hier zur Erörterung stehenden Fragen zu so später Stunde im Reichstag eingebracht habe und nun die Verabschiedung überhasten wolle. Gegen letzteres müßte entschieden Einspruch erhoben werden, da man jene zuerst erwähnten Verbesserungen nur in Verbindung mit der Regelung der anderen in Rede stehenden Fragen gutheißen könnte. Inzwischen ist die Novelle zum Gesetz ge worden, und es hat sich bezüglich der Not wendigkeit einer gleichzeitigen Regelung der Ärztefrage durch die Tatsachen alles das als richtig erwiesen, was in dieser Hinsicht die Gruppe befürchtet hatte. Aber auf die „Inter essenten“ in der Industrie zu hören, auch wenn sie noch so berechtigte Bedenken äußern, hat die Gesetzgebung ja leider seit lange verlernt. Die verfehlte Institution der Lohnzah lungsbücher gab uns Anlaß, in Gemeinschaft mit dem Wirtschaftlichen Verein eine Denk schrift auszuarbeiten, in der wir die Nutzlosig keit und Belästigung für die Industrie hervor hoben. Zu einer Änderung der Gewerbeordnung scheint man sich jedoch nicht herbeilassen zu wollen; es wird daher bei geeigneter Gelegen heit Veranlassung zu nehmen sein, die Be deutungslosigkeit dieser gesetzgeberischen Für sorge für die jugendlichen Arbeiter in Ver bindung mit der nicht unbedeutenden Arbeits aufwendung, die sie erfordert, aufs neue klar zulegen. Betreffs der Sonntagsruhe wurde be schlossen, das nachfolgende Rundschreiben an die Mitglieder zu richten: „Der Herr Reichskanzler hat in Aussicht genommen, die Vorschriften, die gemäß § 105 der Reichs-Gewerbeordnung erlassen sind und auf Grund deren einer Anzahl von Gewerben die Ausführung bestimmter Arbeiten auch an Sonn- und Festtagen gestattet ist, einer Durch prüfung dahin zu unterwerfen, ob nach den seit dem 1. April 1895 gesammelten Erfahrungen die Aufhebung oder Einschränkung einzelner der Ausnahmen von der gebotenen Sonntagsruhe zu lässig ist. Es wird bei dieser Prüfung davon ausgegangen werden, daß die Arbeiter ein An recht auf die Beseitigung von Bestimmungen haben, die ihnen die Sonntagsruhe verkürzen, soweit dadurch nicht berechtigte Interessen der Arbeitgeber geschädigt werden. Wir bitten ergebenst um gefl. Äußerung: 1. ob und inwieweit Vorschriften über Aus nahmen von der Sonntagsruhe in Ihren Be trieben nicht oder doch so selten angewandt worden sind, daß gegen ihre Aufhebung oder Einschränkung Einwendungen nicht zu er heben sind; 2. ob sich in Ihren Betrieben das Bedürfnis herausgestellt hat, nach gewissen Richtungen hin weitere Ausnahmen von. dem Gebote der gewerblichen Sonntagsruhe zu gestatten. Zu 2 bitten wir bejahendenfalls, die Schwierigkeiten und Schädigungen, die sich aus dem jetzigen Zustande ergeben haben, in tunlichster Ausführlichkeit und mit Angabe be stimmter Tatsachen darzulegen.“ Die Antworten haben in vollem Umfange die bereits im Vorstand ausgesprochene Meinung bestätigt, daß die Entwicklung der eisen industriellen Betriebe nach der wirtschaftlichen sowohl wie nach der technischen Seite seit Erlaß der Ausnahmebestimmungen keineswegs einen solchen Gang genommen habe, daß eine Aufhebung oder Einschränkung der letzteren als zulässig anerkannt werden könne. Wieder holt wurde dabei in den Antworten auf die Schädigungen hingewiesen, die der Eisen-