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zu rechtfertigen versucht. Diese Denkschrift setzt, statt nachzuweisen, daß jene Maßregel für die Zukunft eine absolute Notwendigkeit gewesen sei und ihre Unterlassung für die Renten- bezieher Gefahren mit sich gebracht haben würde, des langen und breiten auseinander, daß es für die im Laufe der Zeit summierte Höhe der Belastung gleichgültig erscheine, ob die Beiträge nach dem Umlage verfahren, dem Kapitaldeckungs verfahren oder einem kombinierten Verfahren erhoben werden. Demgegenüber haben wir be reits darauf hingewiesen, daß das die Industrie auch schon zu der Zeit gewußt habe, als der erste Entwurf zur Unfallversicherung vorgelegt wurde, und daß sie dennoch aus guten Gründen den Kampf für das Umlageverfahren geführt, weil sie es mit Recht für durchaus unzulässig erachtet, die Gegenwart in ungerechtfertigter Weise für die Zukunft mitzubelasten und große Summen der werbenden Tätigkeit der Industrie zu entziehen. Wie ungerechtfertigt aber über haupt die ganze Maßregel war, das hat unseres Erachtens der Abgeordnete Dr. Wallau zutreffend dargelegt, als er in der 32. Sitzung des Reichs tags am 13. Februar 1904 sagte: — „Bei der Einrichtung unserer Unfall- Versicherungsgesetzgebung hat man sogar mit Recht erkannt, daß man nur Betriebe mit möglichst gleichen Gefahrenarten in einer Genossenschaft zusammenfassen dürfe. Man hat sich gesagt, daß doch die Art der Gefahren in den einzelnen Zweigen des Erwerbslebens eine wesentlich ver schiedene ist, und man kam in richtiger Würdi gung dieser Tatsachen dadurch zu dem Prinzip der Berufsgenossenschaften. Wie richtig das war, hat die Entwicklung unserer Berufsgenossen schaften sehr bald gezeigt. M. H., wir haben ganz präzis geschiedene Arten von Gefahren in den einzelnen Berufsgenossenschaften und wir haben namentlich in den Berufsgenossenschaften, in welche die Betriebe untergebracht sind, die sich mit der Gewinnung und mit der Verarbeitung des Roh- oder Urmaterials beschäftigen, ganz zweifellos mit durchschnittlich viel schwereren Unfällen zu rechnen als in den anderen Berufs genossenschaften; ich meine, schwerere Unfälle insofern, als sehr viele der Unfälle entweder den Tod zur Folge haben oder schwerere, meist vollständige Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehende Schädigungen der Gesundheit. Die Folge dieser Tatsachen war, daß diese Berufsgenossenschaften alsbald in die Lage kamen, große Aufwendungen für Vollrenten, große Aufwendungen für Wit wen- und Waisenrenten zu machen, große Auf wendungen für die Einleitung und Fortführung des Heilverfahrens, kurzum, daß derartige Be rufsgenossenschaften in verhältnismäßig kurzer Zeit ganz außerordentlich große Aufschläge auf ihre Genossenschaftsmitglieder in den ersten Jahren machen mußten, während es in der Natur der Sache liegt, daß in nicht allzu ferner Zeit diese Aufwendungen entsprechend kürzer werden mußten. Denn erstens ist das, was an Waisen renten gegeben wird, an eine ganz bestimmte Zeit geknüpft, und dort, wo auch Vollrenten gegeben wurden, war doch meist der Eingriff in die menschliche Konstitution so stark und so nachteilig für das fernere Leben der Verunglückten, daß sie verhältnismäßig früh schon vom Tode weggerafft wurden, und die Berufsgenossenschaften infolgedessen auch eine Rente nicht mehr zu be zahlen hatten. Ich denke da hauptsächlich an die Steinbruchsgenossenschaft, die Knappschafts- Berufsgenossenschaft, ich denke an die Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft und will als solche, wo der Tod bei Betriebsunfällen natürlich leider Gottes auch nicht ausgeschlossen ist, aber doch verhältnismäßig leichtere Unfälle mit längerer Rentengewährung mehr die Regel bilden, nur nennen die Textil-Berufsgenossenschaft und die Tabaks-Berufsgenossenschaft. Die genannten Berufsgenossenschaften sind ganz wesentlich und scharf in den im Laufe der Jahre an sie ge stellten finanziellen Ansprüchen verschieden, wie sie auch verschieden sind voneinander in der Art und den Folgen der innerhalb ihrer Betriebe erfolgenden Unfälle. Die finanzielle Folge dieser Verschiedenheit ist nun, daß die den schwereren Unfällen ausgesetzten Berufsgenossenschaften in den ersten Jahren bereits außergewöhnlich hohen Aufwendungen ausgesetzt waren, die aber in verhältnismäßig kürzerer Zeit sich mindern mußten, während die anderen Berufsgenossen schaften in den ersten Jahren mit geringeren Aufschlägen auskamen, deren Verringerung in absehbarer Zeit aber nicht zu erwarten steht. Nun hat man in § 34 bei der Berechnung der zuriickzulegenden Reservefonds diese wesent lich verschiedene Situation der einzelnen Berufs genossenschaften gar nicht berücksichtigt. M. H., das mußte zu großen Ungerechtigkeiten führen. Die nach dieser pro stilo - Berechnung zurück zulegenden Reservefonds sind bei den zuerst genannten Berufsgenossenschaften zweifellos viel zu hoch. Es wird dadurch unserem ganzen Wirtschaftsgebiet ein enormes Kapital zurzeit entzogen, allerdings, gestehe ich zu, zugunsten späterer Jahre. Aber ich halte es weder für zweckmäßig noch für wirtschaftlich, ein der artiges Kapital hinzulegen, ohne daß es in dem großen Wettbewerb der Welt für unser Deutsches Reich mitarbeiten kann. Die Steinbruchs-Berufs genossenschaft, die Knappschafts-, Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaften und andere mehr, sie alle entziehen durch zu hohe Reserven der Gegenwart, d. h. der werbenden Tätigkeit der Industrie, notwendige Kapitalien in unzweck mäßiger Weise zugunsten der Zukunft. Ich glaube deswegen, daß wir die Erwartung aus sprechen dürfen, die Reichsregierung möge recht