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2 Stahl und Eisen. Protokoll der Hauptversammlung vom 20. Dezember 1903. 24. Jahrg. Nr. 1. Wie aus der Ihnen seinerzeit zugegangenen vorläufigen Einladung ersichtlich war, war es die Absicht des Vorstandes, den heutigen Tag durch eine Feier festlich zu begehen, da wir in das 25. Jahr treten, seitdem die Neubegründung des Vereins in die Hand genommen wurde und Hr. Lueg das Amt eines Vorsitzenden zum Zweck der Durchführung der Neuorganisation über nahm. Wie Ihnen weiter bekannt ist, mußte der Vereinsvorstand aber diese festliche Versammlung aus dem schon eingangs genannten Grunde bis zum nächsten Frühjahr verschieben. Im Namen des Vereinsvorstandes schlage ich Ihnen vor, heute an Hrn. Geheimrat Dr. ing. C. Lueg ein paar Begrüßungsworte zu senden, in diesen unsere Glückwünsche sowie den Wunsch auszusprechen, daß seine Genesung weiter gute Fortschritte mache, damit er imstande sei, in alter Kraft und Frische an der nächsten Versammlung im Frühjahr teilzunehmen. — (Noch im Laufe der Verhandlungen ging hierauf das nachstehende Antwortschreiben des Hrn. Geheimrat Lueg ein: Düsseldorf, den 20. Dezember 1903. Für die mir im Namen des Vereins, aus Anlaß meiner Berufung als Mitglied des Herrenhauses, gewidmeten Glückwünsche, sowie für die herrliche Blumenspende, spreche ich meinen aufrichtigsten und verbindlichsten Dank aus. Ich möchte Sie bitten, den heute versammelten Mitgliedern des Vereins, in deren Mitte zu verweilen mir leider versagt ist, meine herzlichsten Grüße und ein freundliches Glückauf zu übermitteln. Mit hochachtungsvoller Begrüßung gez. C. Lueg} Die Mitgliederzahl unseres Vereins hat sich seit der Frühjahrsversammlung von 2814 auf 2903 vergrößert. Die Redaktion unseres Vereinsorgans „Stahl und Eisen“, das jetzt in den 24. Jahrgang eintritt, hat sich soeben in erfreulicher Weise durch den Beitritt des Hrn. Professor Dr. Wüst in Aachen erweitert; derselbe will in Verbindung mit Mitarbeitern aus Wissenschaft und Praxis das wichtige Gebiet des Gießereiwesens pflegen. Wir dürfen hierüber um so mehr erfreut sein, als hierdurch einem bei vielen unserer Mitglieder und auch bei der Redaktion selbst langgehegten Wunsche entsprochen wird und bei dem engen Zusammenhang des Gießereiwesens mit dem übrigen Hüttenwesen eine solche Verbindung schon lange angezeigt erschien. In der abgelaufenen Berichtszeit hat Ihren Vorstand sowie auch eine zu dem Zweck besonders eingesetzte Kommission die Frage der wissenschaftlichen Ausbildung unserer jungen Eisen hüttenleute lebhaft beschäftigt. Nachdem der Vorstand schon in zwei Eingaben die betreffenden Ressortminister auf die Unzulänglichkeit der jetzt zu diesem Zwecke an unseren Hochschulen vor handenen Mittel und Einrichtungen und auf die Gefahren, die daraus für den Fortbestand des hohen Ansehens, das unsere Eisenindustrie in der ganzen Welt genießt, hingewiesen hat, hat der Minister für Handel und Gewerbe, Herr Staatsminister Möller, die dankenswerte Initiative ergriffen und eine Zusammenkunft von Vertretern beider Ministerien, Professoren und Vertretern unseres Vereins zu gemeinsamer Beratung, wie Abhilfe zu schaffen ist, berufen. In dieser Konferenz wurden die Mängel in der heutigen Ausbildung, die auf den preußischen Hochschulen von uns beklagt werden, und die erstens darin bestehen, daß zu wenig Lehrstühle für das eigentliche Eisenhüttenwesen vorhanden sind, und zweitens darin, daß die Lehre der Hilfswissenschaften nicht richtig gehandhabt wird, dargelegt. Wir haben die Genugtuung zu verzeichnen, daß das Vor handensein dieser Mängel allgemein anerkannt wurde; es wurde alsdann in der Versammlung eine Kommission gebildet, die sich mit Aufstellung von Lehrplänen beschäftigen und auch die Schritte beraten soll, die zu einer Neugestaltung des Lehrwesens zweckmäßig erscheinen. Es darf um so mehr gehofft werden, daß diese Beratungen schleunigst von praktischem Erfolg begleitet sein werden, als es sich hier darum handelt, die technischen Kräfte unserer Eisenindustrie zu befähigen, daß sie die Technik der Eisen-Herstellung und -Verarbeitung beherrschen, um unsere Eisenhütten in den Stand zu setzen, den scharfen Wettbewerb mit dem Ausland zu bestehen. Mit Erstaunen müssen wir sehen, daß es überhaupt möglich ist, daß unseren Anträgen Widerstand erstehen kann, wenn wir uns die einfache Tatsache vor Augen führen, daß die eigentliche Lehre der Eisenhüttenkunde auf unseren Technischen Hochschulen und Bergakademien je nur auf einer einzigen Kraft ruht, während bei uns in der Praxis schon lange anerkannt ist, daß ein einziger Mann nicht imstande ist, die gesamte Fachwissenschaft zu beherrschen, sondern wir uns längst zu Spezialfachleuten ausgebildet haben. Wir vertrauen, daß in demselben Staate, in dem durch Friedrich den Großen der Wert der Eisenindustrie erkannt und durch persönliches kräftiges Eingreifen gefördert wurde, und in dem das Blühen der Eisenindustrie eine für die allgemeine Wohlfahrt so wichtige Rolle spielt, man energisch und bereitwillig die Schritte tut, die allseitig als dringend notwendig anerkannt werden.