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1408 Stahl und Eisen. Der Ausstand der Kohlenbergarbeiter in Pennsglvanien 1902. 23. Jahrg. Nr. 24. vollen Frage die Rückwirkung auf die tatsäch lichen Verkehrs Verhältnisse festgestellt wird, ist Aussicht vorhanden, daß die Verhandlungen zu Erfolgen für Deutschland führen werden. Es ist selbstverständlich, daß, wenn ein Vertrag abgeschlossen wird, nicht nur der eine Kontra hent Vorteile erzielen kann, der andere würde sonst auf den Vertrag nicht eingehen. Es liegt ja im Wesen der Handelsverträge, daß von der Ordnung der Handelsbeziehungen alle Kontra henten Vorteile genießen. Es ist aber zu er warten, daß, wenn einmal erst wieder die Ära der Handelsvertragsverhandlungen stabile Ge- schäftsverhältnisse herbeigeführt haben wird, auch in Deutschland die wirtschaft- liehe Konjunktur wieder eine scharf au f s t e ig e n d e R i ch t u ng annehmen wird. R. Krause. Der Ausstand der Kohlenbergarbeiter in Pennsylvanien 1902. Wie bekannt, hat Präsident Roosevelt zur Schlichtung des am 12. Mai 1902 ausgebroche nen Generalstreiks im Anthrazitkohlenbecken Pennsylvaniens eine Kommission eingesetzt, deren umfassende Arbeiten kürzlich vom Depart ment of labour der Öffentlichkeit zugängig ge macht und in französischer Übersetzung durch Hrn. Edouard Fuster im Buchhandel erschienen sind. Mit Recht behauptet der Verfasser in seinem Vorworte, daß man auch diesseits des Atlantischen Ozeans das ernste Bestreben zu würdigen wissen werde, mit dem sich die Kom mission der Untersuchung aller in Frage kom menden Momente hingegeben hat. Bringt uns doch der Bericht der Schiedsgerichts-Kommission so viel des Interessanten und Beachtenswerten auch für deutsche Verhältnisse, daß er wohl verdiente, in maßgebenden Kreisen die größte Beachtung zu finden. Der Ausstand im Jahre 1902, der vom 12. Mai bis 23. Oktober 147 000 Arbeitern Ar- , beit und Verdienst entzogen hat, hatte seinen Grund zunächst in einer von der Vereinigung amerikanischer Bergarbeiter eingeleiteten Forde rung höherer Löhne, Verminderung der Arbeits zeit und der Zahlung der Kohle nach dem Ge wichte; der tiefere Grund lag jedoch in dem Bestreben der Arbeiterorganisationen, sich von den Unternehmern anerkannt zu wissen, was | diese bisher rundweg abgeschlagen hatten. Daß dies der treibende Beweggrund gewesen ist, beweist der Umstand, daß die im Streik vom Jahre 1900 durchgesetzten Lohnerhöhungen eine Beruhigung nicht gebracht haben. Die Bewegung begann im Februar 1901, indem die Bergarbeitervereinigung Fühlung mit den Bergwerksbesitzern nahm; es folgte ein umfangreicher Schriftwechsel, der Kreis der Interessenten zog sich immer weiter, doch zer schlugen sich alle Verhandlungen an dem starren Festhalten der Unternehmer an der bisher be obachteten Stellung den Arbeitern gegenüber und an der festgefügten Disziplin innerhalb der Arbeiterorganisationen. Daraufhin beschloß das Exekutivkomitee der Arbeiterorganisationen einen zeitweisen Ausstand, der am 12. Mai erfolgte und am 15. Mai mit 461 gegen 349 Stimmen für dauernd erklärt wurde. Beinahe die Ge samtheit aller Bergarbeiter feierte, und dieser Zustand dauerte bis zur Intervention Roosevelts, der durch Ernennung einer Kommission dem Ausstand ein Ende machte. Die Arbeiten der Kommission haben sich nicht nur auf die Einigung der Parteien betreffs der gestellten Forderungen gerichtet, sondern sich vor allem auch darauf erstreckt, die ganzen | Verhältnisse in dem Kohlenrevier einer gründ lichen Untersuchung zu unterziehen. Die Kom mission hat sich in den Häusern mit den Berg arbeitern unterhalten, die häuslichen und kirch- I liehen Verhältnisse geprüft, 588 Zeugen an gehört, den Auseinandersetzungen der Unter nehmer freien Lauf gelassen, ganze Wochen dem Anhören der Klagen syndizierter und nicht syndizierter Arbeiter gewidmet und so in fünf Monaten ihrer Sitzungen ein Material ge sammelt, das Anspruch machen durfte, als Unterlage eines gerechten Schiedsspruchs zu dienen. Die von den Arbeiterorganisationen aus gesprochenen Forderungen betrafen folgende Punkte: I. Eine Erhöhung von 20 °/o auf die wäh rend des Jahres 1901 gezahlten Löhne an Ar beiter, welche kraft eines Kontrakts (Accord) oder in Stücklohn arbeiteten. II. Reduktion der Arbeitszeit um 20 %, ohne daß diese eine Verminderung der Einkünfte der Arbeiter, welche nach Stunden, Tagen oder Wochen arbeiten, nach sich ziehe. 111. Annahme eines Verfahrens, gemäß dessen das Quantum geförderter Kohle nach dem Ge wicht ermittelt und bezahlt werden soll. Der Minimalsatz an Lohn soll 60 Cents f. d. ge setzliche Tonne von 2240 Pfund betragen. Die Verschiedenheiten, welche jetzt in den einzelnen Bergwerken in Kraft sind, müssen übrigens bei behalten werden.