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1404 Stahl und Eisen. Zuschriften an die Redaktion. 23. Jahrg. Nr. 24. Kleinbessemerei-Anlagen in Deutschland errichtet | in Stettin-Bredow bei der Stettiner Maschinenbau- ■ Aktiengesellschaft „Vulkan“ (Schilfswerft), in Dessau bei der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau- Aktiengesellschaft und auf der Konkordiahütte am Rhein. Im Bau begriffen sind weitere Anlagen in Poremba und in Sachsen. Nach anderen Syste men sind noch Anlagen in Eberswalde und in Bremen erbaut worden, deren Resultate aber nicht verlautbart werden. Meine fertigen Anlagen sind voll im Betrieb und bewähren sich. Besonders der „Vulkan“ - Stettin stellt Stahlqualitäten für den Schiffbau und Schiffsmaschinen her, welche den schärfsten Anforderungen jenes Fabrikations zweiges vollauf genügen.* Die Besichtigung dieser Anlage wird von der dortigen Direktion in liebens würdigster Weise gestattet; so war auch bereits der Bezirksverein deutscher Ingenieure in Berlin zur Besichtigung derselben im Betriebe dort, ebenso andere Interessenten des In- und Aus landes. Die Anlage auf Konkordiahütte am Rhein verbläst das Roheisen, welches pfannenweise ent nommen wird, direkt vom Hochofen. Verarbeitet wird deutsches Roheisen mit einer Zusammensetzung von 2,5 bis 3 % Silizium, 0,04 bis 0,06 % Schwefel, 0,8 bis 1,2 % Mangan, 0,06 bis 0,08 °/o Phosphor. Im Norden wird auch eng lisches Eisen verarbeitet. Ein hoher Phosphor- gelialt schadet nicht, es muß nur genügend Silizium vorhanden sein, eventuell wird es zu gesetzt. Hoher Graphitgehalt verzögert die Ent wicklung des Entkohlungsprozesses und verursacht oft weniger hitziges- und flüssiges Endprodukt. Es werden viel kleine Gußstücke, lange und sperrige mit schwacher Wandung, doch auch stärkere Teile gegossen. Der Bessemerstahl ist, wie bekannt, hitzig, auch leichtflüssig für schwachwandige Gegen stände; er schmiedet und schweißt sich vorzüglich, ergibt auch gutes Werkzeug. Seine Festigkeit liegt zwischen 40 und 60 kg/qmm bei einer Dehnung von 20 bis 30 %. Er führt sich überall gut ein als Ersatz für Schmiedestücke, Metallguß und für hohen Festigkeitsanspruch. Weiteren Vorteil bietet die Kleinbirne jeder Eisengießerei durch die Herstellung von Gußarten mit erhöhter Festigkeitsziffer. In der Birne er- blasener Stahl wird in flüssigem Zustand mit grauem, graphit- und siliziumhaltigem Gießerei eisen des Kupolofens versetzt und zwar in variablem Verhältnis, je nach Stärke der Eisenwandung. Der Guß davon ist bedeutend fester und widerstands fähiger gegen Druck, Säure und Feuer. Ebenso kann deutsches Roheisen, in der Birne gefeint, für Temperguß verwendbar gemacht werden; auch die Kupferhütte raffiniert damit ihr Rohkupfer. Wer billige Anforderungen an eine solche Anlage * Charge Nr. 100: Festigkeit Bbl. 40,88 kg/qmm, Dehnung 31,66 % , Biegungswinkel 180°, Kon traktion 48,6 %. stellt, dieselbe mit Verständnis und Erfahrung errichtet und betreibt, wird stets seine Erwartungen erfüllt finden. Wenn auch teilweise bekannt, möchte ich noch darauf hinweisen, daß der Besse merstahlguß viel in ungetrockneter Form gegossen wird und daß derselbe schwächere Eingüsse und Köpfe bedingt, als der Martinstahl, wodurch wesentlich gespart werden kann. Die Eingüsse und Trichter vorangegangener Stahlgüsse werden im Kupolofen mitverschmolzen. Unrichtig ist es aber, diese Stahlabfälle in einer Selbstkostenberechnung mit niedrigerem Preis (50 bis 55 •) einzusetzen, denn sie kosten dem Werk so viel, wie fertig erblasener Stahl. Dies ist eine Selbsttäuschung. Nach meinen Erfahrungen wird sich in einem kleineren Betrieb von etwa 3000 kg erblasenem Stahl an einem Betriebstag und Herstellung von kleinen bis mittelgroßen Gußstücken ein Selbst kostenpreis von 25 bis 29 JI für 100 kg fertigen Stahlguß ergeben. Je nach den örtlichen und Werks-Verhältnissen schwankt derselbe etwas und stellen sich die einzelnen Positionen wie folgt: M M Schmelzer- und Birnen-Löhne .... 1,00 Roheisen bei Durchschnittspreis von 7,50 Ji. einschl. 20 °/o Abgang (1,50 Ji.) 9,00 Zuschläge von: 2°/ Ferromangan (90 °/o) zu 24 Ji 0,48 Jt. bis 7 °/o Ferrosilizium (12°/o) zu 14 Jt ... 0,98 „ Aluminium 100 g zu 3 Jt 0,30 „ 1,76 Brennmaterial zum Anfeuern und zur Erwärmung 0,50 Schmelzkoks 20 °/o zu 0,52 Diverses Material für Kupolofen u. Birne 1,20 Maschinenbetrieb für beide 1,00 Es kosten also 100 kg fertig erblas. Stahl 14,98 14,98 An Gußherstellungskosten wären zu rechnen: Lohn für Former, Kernmacher und Ar beiter 6,25 Formmasse-Material usw 0,50 Putzerlöhne, Abschneiden der Köpfe und Eingüsse 3,10 Brennmaterial für Trockenkammer und Glühen, auch II. Schmelzung .... 0,30 Werkskosten, Zinsen, Amortisation . . 3,50 13,65 Daher Erzeugungskosten für 100 kg fer ¬ tigen Stahlguß 28,63 Schwere und glatte Gußstücke ohne Form schwierigkeit erniedrigen diese Zahlen bei rich tiger Betriebsführung und geschicktem Material kauf noch um nahezu 25 %, umgekehrt können sie sich erhöhen. So können auch Massenartikel mit 22 Jt für 100 kg hergestellt werden, doch bleibt es immer ein falsches Prinzip, Stahlguß ohne Gewinn abzusetzen. Halle-Saale, im November 1903. Carl Rott.