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15. November 1903. Heferate und kleinere Mitteilungen. Stahl und Eisen. 1295 1. Bei weichem Stahl von 0,50 °/o und weniger Kohlenstoffgehalt übt die in Wasser oder 01 bei Tem peraturen zwischen 700 und 1000° ausgeführte Härtung keinen erkennbaren Einfluß auf den Ausdehnungs koeffizienten aus; die Ausdehnungskurven der ge härteten Prüfungskörper fallen vollständig zusammen mit denen der gleichen, aber zuvor angelassenen Proben. 2. Bei Stahl von mittlerem (0,60 bis 1,0 °/o) Kohlen stoffgehalt bemerkt man auch keine Veränderung des Ausdehnungskoeffizienten, wenn man die kleinen, zu den Versuchen benutzten Prüfungskörper bei beliebiger Temperatur in Öl oder bei geringerer Temperatur als 900° in Wasser härtet; beim Abschrecken in kaltem Wasser nach einer Erhitzung auf mehr als 900° indessen beobachtet man, daß die Ausdehnungskurve eine jähe Abweichung aufweist, welche einer Kon traktion bei ungefähr 300“ Temperatur entspricht. Bei einem Stahl, der 0,64 °/o Kohlenstoff enthält und bei 925° in Wasser gehärtet war, beginnt die Kontraktion bei 250° und nimmt die Kurve bei 350° wieder ihren normalen Verlauf; die beobachtete Kontraktion beträgt 0,1 °/o. Bei einem Stahl von 0,93 % Kohlenstoffgehalt, der ebenfalls bei 925" in kaltem Wasser gehärtet war, beginnt die 0,12°/ betragende Kontraktion bei 300’ und endet bei 360°. Es ist hierbei daran zu erinnern, daß das Härten eine stärkere Erhöhung der mechani schen Widerstandskraft zur Folge hat, wenn es bei einer den kritischen Punkt von 700’ nur wenig über schreitenden Temperatur, als nach einer beträchtlich stärkern Erhitzung ausgeführt wird. 3. Betrachtet man endlich die kohlenstoffreichen Stahlsorten mit einem Kohlenstoffgehalt von mehr als 1 ’/o, so ist auch noch zu erkennen, daß das Härten in Öl nach beliebiger Erhitzung oder in Wasser nach einer 900’ nicht erreichenden Erhitzung den Aus dehnungskoeffizienten nicht merklich verändert; da gegen läßt das Härten in kaltem Wasser nach einer Erhitzung der kleinen Prüfungsstäbe auf eine 900° übersteigende Temprratur in der Ausdehnungskurve zwei jähe Kontraktionen hervortreten bei Temperaturen, die nahe an 150’ und 300° liegen. So zeigte ein kleiner Prüfungsstab aus Stahl von 1,20 °/o Kohlen stoffgehalt, der bei 925’ in kaltem Wasser' gehärtet worden war, zuerst eine Kontraktion bei 125 bis 170° und danach eine solche bei 310 bis 350’; die Ampli tude jener Kontraktion betrug 0,06’/o, die der zweiten 0,11’/o; dazu tritt dann noch die gewöhnliche Kon traktion bei ungefähr 700°, welche dem kritischen Punkte «i entspricht. Schneidet man, anstatt kleine Prüfungsstäbe direkt zu härten, solche aus zuvor gehärteten größeren Blöcken, so erhält man die gleichen Resultate wie beim Härten in Öl, d. h. man bemerkt bei ihrem Anlassen keine Kontraktionserscheinungen. Die letztere hervorrufenden Umwandlungen treten eben nur dann ein, wenn die Härtungs-Abschreckung mit großer Geschwindigkeit und nach einer 900° überschreitenden Erhitzung erfolgt. Daß durch Anlassen gehärteten Stahls Kontrak tionenhervorgerufenwerden, ist schon von Svedelins erwähnt worden, der dabei den Einfluß der Härtungs temperatur und der Natur des Härtungsbades nicht beachtet zu haben scheint; auch fand er, daß der Ausdehnungskoeffizient von gehärtetem Stahl beträcht lich kleiner ist als der von angelassenem, doch sind die Differenzen nach Charpys und Grenets Versuchen nicht so erheblich, wie aus nachstehender Zusammen stellung zu ersehen ist: Ausdehnungskoeffizient zwischen 0° und 100° Kohlenstof- z - _ILI gehalt nach dem Anlassen nach Härtung bei 925 0 in Wasser ’/o _6 _6 0,64 11,05 X 10 11,15 X 10 0,93 11,15 11,05 1,50 11,15 10,00 Ohne aus ihren Beobachtungs - Ergebnissen weit reichende Schlußfolgerungen ziehen zu wollen, weisen die Verfasser doch darauf hin, daß die Wirkungen des Härtens auf die Ausdehnungserscheinungen in keiner Beziehung stehen weder zu den Abänderungen der mechanischen Eigenschaften noch zu den nach verschiedenen Methoden bestimmten Umwandlungs- punkten. Das erscheine schwer vereinbar mit der ver breiteten Annahme, daß das Härten auf die Eigen schaften von Stahl hauptsächlich in der Weise ein wirkt, daß es den Kohlenstoff im Zustande fester Lösung festhalte oder das Eisen in einem allotropischen Zustande von dem in der Kälte stabilen Zustande abweiche, und dürfe eher- ein Anzeichen sein dafür, daß es sich um Wirkungen ganz andrer Art handle. 0. L. Englische Arbeiterverhältnisse. Der Leiter der Distrikt-Eisenbahn in Chelsea, die in eine elektrische Bahn umgewandelt werden soll, hat seine Gründe für die Verwendung deutscher Kamin bauer bei der Errichtung von vier großen Kaminen der elektrischen Station angegeben. Er sagt: Eng lische Arbeiter bauen keine Kamine, ohne daß zu beiden Seiten Gerüste errichtet werden, und sie sind nicht daran gewöhnt, von der Innenseite eines Kamins zu arbeiten. Das Gerüst ist eine sehr kostspielige Sache, und in der Nähe wird ein Kamin gebaut, dessen Gerüst bereits mehr gekostet hat, als alle Arbeits löhne und Materialkosten des Kamins selbst ausmachen. Wir haben eine Düsseldorfer Firma bei der Fertig stellung der Kamine beschäftigt, weil die englischen Arbeiter von dieser besondern Art des Baues nichts verstehen. Die deutschen Arbeiter brauchen keine Gerüste und arbeiten von innen her. Die perforierten Steine der Düsseldorfer Firma sind außerdem viel leichter als gewöhnliche Ziegelsteine, und die Be lastung der Fundamente ist daher um 35 ’/o geringer als bei gewöhnlichen Ziegelsteinen. Die Arbeiter, die mit dieser Arbeit vertraut sind, befestigen Querbalken und Bretter im Innern des Kamins und nehmen diese mit sich herauf, wenn die Arbeit fortschreitet. Die Sicherheit der deutschen Bauart ist auch von Wichtig keit, da die Kamine von Chelsea wahrscheinlich die größten sind, die jemals in dem vereinigten König reiche gebaut wurden. Die Kosten eines jeden Kamins schwanken zwischen 5- und 6000 £. Englische Ar beiter, die bei Schornsteinbauten verwendet werden, pflegen häufig alle 10 Fuß, um die der Schornstein wächst, um höhere Löhne zu streiken. Die höchste Bahn der Welt. Die längste Drahtseilbahn und gleichzeitig die höchstgelegene Maschinenanlage der Welt wird augen blicklich in Argentinien gebaut. Sie soll den Trans port von Erzen aus d m in den Cordilleren liegenden Minendistrikt Mexicana nach der Eisenbahnstation Chilecito der Argentinischen Nordbahn vermitteln, wo bei sie ein Gefälle von nicht weniger als 3536 m bei einer Gesamtlänge von 85 km überwinden muß. Von der Kühnheit des Unternehmens, dessen Ausführung in den Händen der Firma AdolfBleichert & Co. in Leipzig - Gohlis liegt, kann man sich einen Be griff machen, wenn man erwägt, daß der Endpunkt der Bahn auf 4585 m Meereshöhe liegt, also noch 400 m höher gelegen ist, als der Gipfel der „Jung frau“. Da auch die untere Station noch immer in 1049 m Höhe liegt, ist es natürlich, daß die ganze Bahnführung mit allen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, die ein alpines, wild zerrissenes Hoch gebirge dem Eindringen des Menschen in seine seit herige Unberührtheit entgegensetzt. So ist es an ein-