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15. November 1903. Eisen und Wasserstoff. Stahl und Eisen. 1273 zurückgehaltene Wasserstoff gleichartig dem ver festigten Wasserstoff ist, ebensowenig, wie der Härtungskohlenstoff im Eisen gleichartig dem Diamanten ist. Ein ähnliches Verhalten zeigt übrigens auch der Phosphor, der bei Gegenwart mancher Metalle, wie z. B. Blei, in einen Zu stand übergeht, den man als metallisch zu be zeichnen pflegt. Wenn das Wasserstoffgas bei seiner Auf nahme durch Eisen in den metallisch festen Zu stand übergeführt wird, so muß die entstandene Legierung sich durch ihre besonderen physikali schen Eigenschaften bemerkbar machen. Hier über gaben die Versuche über die Beizbrüchig keit des Eisens, die von Johnson,* von Hughes,** von Bädecker*** und von Ledeburt veröffentlicht worden sind, einigen Aufschluß. Bei diesen Untersuchungen wurde festgestellt, daß die Zerbrechlichkeit, die Eisen- und Stahldrähte erlangen, wenn sie nur wenige Minuten mit angesäuertem Wasser in Berührung sind, von einer Absorption von Wasserstoff her rührt. Diese Sprödigkeit der Eisendrähte spricht dafür, daß eine Wasserstoff-Eisenlegierung vor liegt, wie ja überall die Sprödigkeit eines Me talls beim Legieren mit einem andern erhöht wird. Die Sprödigkeit der gebeizten Drähte verbleibt denselben nach Hughestr bei allen Veränderungen der Atmosphäre für unbeschränkte Zeit, und erst durch Erhitzen bis zur Rotglut wird die ursprüngliche Biegsamkeit in wenigen Sekunden wiederhergestellt. Nach L e deb urttt dagegen nimmt das gebeizte Eisen schon seine ursprünglichen Festigkeitseigenschaften wieder | an, wenn es nur längere Zeit an der trocknen ' Luft liegt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Heyn§; er gibt an, daß die infolge des Ab schreckens erzeugte Sprödigkeit von im Wasser stoffstrome erhitztem Flußeisen durch längeres Liegen der abgeschreckten Probe an der Luft bei Zimmerwärme vermindert wird. Wenn da her eine Legierung von Wasserstoff und Eisen wirklich besteht, so ist sie so wenig beständig, daß sie schon bei gewöhnlicher Temperatur wieder zerfällt. Dies ist um so erklärlicher, wenn man berücksichtigt, daß der in der Eisen legierung vorhandene feste Wasserstoff eine I außerordentlich hohe Tension und daher das ! Bestreben haben muß, sich wieder in Gas zu verwandeln. Unter Berücksichtigung aller dieser Um stände wird angenommen werden müssen, daß der Wasserstoff im Eisen in drei verschiedenen * Proc. Royal Society 1875 S. 168. ** „Journ. Society Telegr. Engeneers“ 1880. S. 163. *** „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“ 1888 S. 186. + „Stahl und Eisen“ 1887 S. 681 und 1889 S. 745. t+ „Chemikerzeitung“ 1880 S. 388. +t „Stahl und Eisen“ 1889 S. 745. § „Stahl und Eisen“ 1901 S. 913. Formen auftreten könne. Das geschmolzene Eisen nimmt zunächst Wasserstoff als solchen auf und führt ihn in die metallische Modifikation über. Sinkt die Temperatur des Eisens unter 750° C. so wird ein Teil des aufgenommenen Wasserstoffs als Gas ausgeschieden, welches je nach den vorliegenden Umständen entweicht oder mechanisch festgehalten wird. Der Regel nach wird nur ein Teil entweichen, da der Rest durch die erstarrte Kruste zurückgehalten wer den muß. Der mechanisch zurückgehaltene gas förmige Wasserstoff kann bedeutende Mengen ausmachen, wie u. a. die Versuche von Neu mann undStreintz* ergeben haben. Dieser Wasserstoff wird sich in Blasenräumen und Poren ansammeln und namentlich da auftreten, wo ihm der Austritt durch Verminderung von Pressung beim Erkalten erleichtert ist, wie das die Untersuchungen Finkeners in den Hohl räumen der Mannesmannröhren, die an beiden Enden durch dichtes Eisen verschlossen waren, nachgewiesen haben. Endlich kann der Wasserstoff noch durch Oberflächen-Absorption vom Eisen festgehalten werden, ebenso wie Luft an den Oberflächen, namentlich rauher Körper, haftet. Die Menge des so zurückgehaltenen Wasserstoffs kann nur so gering sein, daß, selbst wenn man sein Be stehen zwischen den einzelnen Gefügeteilen des Eisens annimmt, sie durch Analysen kaum nach weisbar ist. Einfluß des Wasserstoffs auf die Eigenschaften des Eisens. Die Eigen schaften, die der Wasserstoff dem Eisen erteilt, hängen eng mit den beiden Formen zusammen, die dieses Element im Eisen anzunehmen ver mag. In der metallischen Form erteilt der Wasserstoff dem Eisen größere Sprödigkeit; als eingeschlossenes Gas wirkt er durch Blasen bildung. Der letztere Einfluß ist der bei weitem nachteiligste. Der nach dem Erstarren des Eisens sich in zahlreichen kleineren oder größeren Poren vorfindende Wasserstoff befindet sich in diesen Poren unter ziemlich starkem Druck, der nach den Versuchen von Müller und Stead 3 bis 8 Atmosphären betragen kann. Dieser Umstand ist von nicht zu unterschätzender Be deutung bei der Verwendung von Eisen, das viel Wasserstoffgas enthält. Nach dem erörterten Verhalten dieses Elements im Eisen wird ersteres allmählich gasförmig ausgeschieden. Bei länge rem Liegen z. B. von aus Flußeisen hergestellten Maschinenteilen können in denselben durch den im Innern des Stückes ausgeschiedenen Wasser stoff, der unter einem hohen Druck steht, wenn keine Auslässe vorhanden sind, Spannungen er zeugt werden, durch deren Einwirkung die Festigkeitseigenschaften des Eisens erheblich be- * „Monatshefte für Chemie“ 12 S. 642. XXII.aa 2