Volltext Seite (XML)
1. Oktober 1903. Warenverzeichnisse zum Zolltarif. Stahl und Eisen. 1103 Warenverzeichnisse zum Zolltarif. Das neue Zolltarifgesetz ist bekanntlich noch nicht in Kraft getreten. Es soll erst Geltung er langen, wenn die neuen Handelsverträge zum Ab- schlufs gebracht sein werden. Wann dies der Fall sein wird, ist vorläufig noch nicht abzu sehen. Man hofft aber allgemein, dafs im Laufe des nächsten Jahres es möglich sein wird, mit den hauptsächlich für Deutschland in Betracht kommenden Kulturstaaten die Erneuerung der Handelsbeziehungen vorzunehmen. So, wie das Zolltarifgesetz durch gemeinsamen Beschlufs des Bundesrats und Reichstags vorliegt, würde es schwer durchführbar sein. Es bedarf noch um fassender Arbeiten, um diejenigen Exekutivstellen, denen die Ausführung des Gesetzes und des Tarifs selbst anvertraut ist, in die Lage zu bringen, alle dabei in Betracht kommenden Einzelheiten klar zu übersehen und demgemäfs auch Beschlüsse zu fassen, die den Absichten der Gesetzgeber nicht widersprechen. Es kann als ziemlich sicher an gesehen werden, dafs der Bundesrat im nächsten Winter Ausführungsanweisungen zum neuen Zoll tarifgesetz geben wird; ist ihm doch in mancher Beziehung im Gesetze selbst ein direkt dahin gehender Auftrag erteilt worden. Aber damit wird die Sache nicht erledigt sein, es werden zur Durchführung und zur Beurteilung der Wir kungen des Tarifes selbst umfassende Vorarbeiten getroffen werden müssen. Sie betreffen die Warenverzeichnisse zum Zolltarif. Beide werden gegenwärtig auf Grund des neuen Zoll tarifs ausgearbeitet. Die zuständigen behördlichen Kreise sind schon seit längerer Zeit mit dieser Ausarbeitung beschäftigt, sie haben auch schon Interessentenkreise zur Entscheidung über ver schiedene Einzelheiten herangezogen. Man darf indessen annehmen, dafs namentlich das Amtliche Warenverzeichnis zum Zolltarif, ehe es an den Bundesrat gelangt, in dem Entwürfe, wie er von den Behörden und namentlich vom Reichsschatz- amte aufgestellt wird, zur Begutachtung den Interessentenkreisen zugestellt werden wird. Man darf hierauf um so mehr rechnen, als ja eine gleiche Praxis auch schon früher befolgt ist und es jedenfalls im Interesse aller beteiligten Faktoren, namentlich auch der Zollbeamten und des Handels liegt, wenn die im Amtlichen Warenverzeichnis niederzulegenden Einzelheiten vor der Feststellung durch den Bundesrat der Kritik der einzelnen interessierten Gruppen unterworfen werden. Man darf hoffen, dafs bei Befolgung dieser Methode die Werke, welche der Ausführung des neuen Zolltarifgesetzes und des Zolltarifes gewidmet sind, möglichst gut hergestellt werden. Das Amtliche Warenverzeichnis zum Zolltarif hat die Aufgabe, den bei der Aus führung beschäftigten behördlichen Stellen, also den Zollbeamten, die Klassifizierung der einzelnen Warengruppen zu erleichtern und dem Handel einen spezialisierten Nachweis über die für die einzelnen Waren in Betracht kommenden Zoll tarifstellen zu geben. Nicht alle Länder besitzen solche Amtliche Warenverzeichnisse zum Zoll tarif. Einzelne behelfen sich damit, dafs sie Zu sammenstellungen von Tausenden von Zolltarif entscheidungen, die bei der Handhabung des Zolltarifs von den zuständigen Stellen abgegeben werden, vornehmen und diese den Interessenten in die Hand geben. Deutschland hat seit dem Beginn der schutzzöllnerischen Ära ein Amtliches Warenverzeichnis gehabt, und an allen inter essierten Stellen wird man zugeben müssen, dafs damit für die deutschen Verhältnisse die rich tige Bahn beschritten worden war. Selbstver ständlich hat auch das Amtliche Warenverzeichnis in Einzelheiten Fehler und Lücken aufzuweisen gehabt, und es sind denn auch Beschwerden darüber seit dem Beginn der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht ausgeblieben. Da das Amtliche Warenverzeichnis früher nicht gleichen Schritt mit den technischen und kommerziellen Neuerungen hielt, so wurde in den geschäftlichen Kreisen, namentlich aber auch im Reichstag, viel fach der Wunsch ausgesprochen, man möchte zur Entscheidung von Zolltarifstreitigkeiten eine Zentralstelle im Reiche gründen, sei es, dafs diese einen Verwaltungscharakter, sei es, dafs sie einen gerichtlichen Charakter hätte. In dieser Beziehung wurde ein Reichszolltarifamt und ein Reichszolltarifgericht vorgeschlagen. Beide Be mühungen haben einen Erfolg nicht gehabt, was sehr leicht zu verstehen ist, weil die Einzel regierungen die Zollverwaltung in Händen haben und diese ihre Kompetenz an das Reich abzu treten nicht gewillt sind. Es ist als ziemlich sicher anzusehen, dafs, wenn ähnliche Bestrebun gen jetzt wieder auftreten würden, sie den glei chen negativen Erfolg haben würden. Man wird sich deshalb schon damit begnügen müssen, ein Amtliches Warenverzeichnis zum Zolltarif in der Hand zu haben, das möglichst allen Neue rungen gerecht geworden ist bezw. späterhin noch wird. In dieser Richtung haben die Be strebungen auf die Schaffung einer Reichszentral stelle zur Entscheidung von Zolltarifstreitigkeiten günstig gewirkt. Man hat in den letzten Jahren auf der Regierungsseite mehr als früher an erkannt, dafs es nötig sei, mit dem Amtlichen