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1246 Stahl und Eisen. Referate und kleinere Mitteilungen. 23. Jahrg. Nr. 21. Roheisenwieger und Platzarbeiter auf 12 Silbergroschen bemessen. Einem Puddelmeister wurde ein Tagelohn von 1 Tlr. 5 Silbergroschen bis 1 Tlr. 10 Silbergroschen bezahlt, während der erste Luppenschmied 1 Tlr. 10 Silbergroschen und der erste Reckschmied 20 Silber groschen verdiente. An Akkordlohn wurden den ersten Puddlern 18 Silbergroschen für 1000 Pfund Eisen und 25 Silbergroschen für 1000 Pfund Stahlluppen ver gütet. Das erforderliche Roheisen wurde in der ersten Betriebszeit ausschließlich aus dem Siegerlande und Nassau bezogen, wo man damals nur Holzkohlen roheisen erzeugte. Dasselbe mußte, weil Eisenbahn verbindung mit diesen Bezirken noch nicht bestand, sämtlich durch Fuhren bezogen werden. Es kostete damals Stahleisen II. Sorte 181/2 bis 19 Rtlr. loco Siegener Hütten, nassauisches Roheisen 20 Rtlr. ab Dillenburg, so daß man, weil die Achsfracht 2 Rtlr. 5 Gr. bezw. 3 Rtlr. für 1000 Pfund betrug, mit einem Einstandspreise von etwa 21 Rtlr. bezw. 23 Rtlr. rechnen mußte. Spiegeleisen war 3 Rtlr. teurer als Stahleisen II. Sorte. Koksroheisen von der Nieder- rheinischen Hütte stellte sich im August 1854 auf 18 Rtlr. ab Duisburg. Steinkohlen, wovon man da mals etwa 180 Scheffel täglich gebrauchte, wurden von Zeche Nachtigall im Dezember 1853 zu 37/12 Silbergroschen f. d. Scheffel bezogen, gingen aber mit Beginn des nächsten Jahres um 4 Pfg. höher. Mitte 1857 waren Kohlen schon auf 6 Gr. gestiegen. In den Schweißofenschlacken, welche bis dahin als wert loses Material gegolten hatten, hatte die Hüttenindustrie inzwischen ein geeignetes Zuschlagsmaterial für den Hochofenbetrieb erkannt. Einem Düsseldorfer Ver treter gelang es, sich diese Schlacken bei den meisten Walzwerken zu dem billigen Preise von 6‘/2 Rtlr. für den einfachen Waggon von 10000 Pfund für längere Zeit vertraglich zu sichern, und diese waren froh, sich des lästigen Abraummaterials in einer trotz der Auf ladekosten immerhin noch gewinnbringenden Weise entledigen zu können. Eine vorübergehende Unterbrechung des aufsteigen den Entwicklungsganges der Werke brachte der Krieg von 1866, der große Störungen im geschäftlichen Ver kehr verursachte und dessen Nachwirkungen bis weit in das nächste Jahr hinein fühlbar blieben. Doch erholte sich die Firma bald wieder und wurde das eine Reihe von Jahren bestehende Mißverhältnis zwischen Erzeugungsfähigkeit und Absatzmöglichkeit durch den großen Materialverbrauch der im Jahre 1866 eingerichteten Federschmiede und des unaus gesetzt sich erweiternden Kreises für die Abnahme von Waggonfederstahl in Stangen mehr und mehr aus geglichen. Der Krieg von 1870 hatte trotz des mächtige ren Charakters dieses Völkerkampfes und seiner langen Dauer nicht annähernd den Geldmarkt in so ungünsti ger Weise beeinflußt wie der deutsch-österreichische Krieg; die Preise für alle Fabrikate erfuhren vielmehr sowohl diesseits als jenseits der Vogesen eher- eine Befestigung. Die erste Hälfte der 70er Jahre bedeutete den Höhepunkt der Puddelstahlerzeugung, welcher in dem um das Jahr 1855 erfundenen, aber im größeren Um fang erst viel später in Deutschland eingeführten Bessemerprozeß ein mächtiger und sie sowohl wie manche Zweige des Tiegelstahlprozesses allmählich be siegender Rivale entstand. Zunächst folgte aber auf den unmittelbar nach dem Kriege einsetzenden Auf schwung im Jahre 1873 ein Niedergang, welcher seinen ziffernmäßigen Ausdruck durch den Rückgang der Preise findet, welche beispielsweise für Puddel-Kutsch- federstahl von 170 Rtlr. auf 113 Rtlr., für Rohstahl von 126 Rtlr. auf 95 Rtlr. und für Stahltragfedern von 188 Rtlr. auf 130 Rtlr. fielen. Um unter diesen Ver hältnissen weiter arbeiten zu können, wurden weitere Fabrikationszweige herangezogen und man erbaute zu nächst eine Gußstahlfabrik, welche zwei Tiegelöfen zu je 24 Tiegeln enthielt. Die Einführung des Guß stahlbetriebes ermöglichte auch die Herstellung von Compoundblech für die Fabrikation von diebessicheren Schränken und Gewölben, welches unter den vielen verschiedenartigen Erzeugnissen der Werke noch heute einen hervorragenden Platz behauptet. Im Jahre 1877 begann man mit Einführung des Bessemerstahls in die Federfabrikation und entschloß sich zur Anlage einer Stahldrahtzieherei, welche bald vergrößert wurde. Der erste Förderseildraht für Bergwerke wurde von der Firma im Juni 1877 nach Witten zum Preise von 81- für 100 kg (2,1mm) ab Hagen geliefert. Im Jahre 1879 vollzog sich auf dem Gebiet der Stahlerzeugung ein Umschwung, der allmählich zu einer gänzlichen Umwälzung und zu einer völligen Aufsaugung des Puddelverfahrens führte. Es ist dies die Einführung des Martinprozesses, für welchen da mals der erste Versuchsofen zu 11 Inhalt in der Tiegelgußstahlfabrik gebaut wurde, .. dem ein Jahr später eine Anlage von zwei 3t-0fen folgte. Die hierdurch erzielte Vielseitigkeit auf dem Gebiet der Stahlerzeugung hob namentlich den Betrieb des Draht walzwerks, welches allein in den Jahren 1881 bis 1883 etwa 9000 t Walzdraht aus Bessemerstahl und von Oktober 1882 bis Oktober 1895 19 0001 Tiegel stahl- und Martinsstahl-Walzdraht lieferte. Nach der im Jahre 1887 erfolgten Umwandlung des Geschäfts in eine offene Handelsgesellschaft, welche den Namen Eicken & Co. erhielt, nahm insbesondere die Fabrikation von Tiegelgußstahl einen mächtigen Aufschwung, an welchem in erster Linie der in raschem Fluge sich immer weitere Gebiete er obernde Werkzeuggußstahl beteiligt war. Aber auch Gußstahl für die Artilleriewerkstätten, Klingenstahl für die Gewehrfabriken, Tiegelstahlbleche für Militär spaten brachten im Verein mit der Wiederaufnahme der Klaviersaiten und der verstärkten Federdrahtfabri kation erhebliche Anforderungen an die Leistung der Gußstahlfabrik. Da inzwischen auch die Leistungsfähigkeit der Drahtzieherei trotz der zwischendurch vorgenommenen vielfachen Erweiterungen bis zum letzten Punkt aus genutzt war, machte sich die Errichtung einer den Anforderungen der Neuzeit wie des Marktes ent sprechenden, systematisch gegliederten Anlage im größeren Maßstabe nötig, welche im Jahre 1888 be gonnen und in den folgenden Jahren durchgeführt wurde. Die jetzige Anlage enthält an Ofen: 3 Tiegel gußstahlöfen zu je 24 Tiegeln, 4 Martinöfen zu je 15 t, 6 Puddelöfen, 19 Wärmöfen, 2 Tonbrennöfen, 2 Dolomitöfen, 34 Glüh- und Trockenöfen, 6 größere Glühsysteme und 14 Schmiedefeuer. In den Walz werken befinden sich insgesamt 9 Streckwerke und zwar 1 Blockwalzwerk, 2 Blechwalzwerke, 1 Mittel walzwerk, 1 Feinwalzwerk, 1 Drahtwalzwerk, 1 Schnell walzwerk, 1 exzentrisches Walzwerk und 1 Querwalz werk. Dieselben werden von 6 Walzenzugmaschinen von zusammen 2200 P. S. bewegt. Die Drahtzieherei enthält 345 Rollen. Die Belegschaft des Werkes ist von annähernd 80 Köpfen im Jahre 1856 auf 1016 mit 3108 Familienmitgliedern im Jahre 1899/1900 ge stiegen. Der Durchschnittslohn (jugendliche Arbeiter und Tagelöhner eingeschlossen), welcher sich im Jahre 1856 auf 2,59 M stellte, betrug im Jahre 1900 4,49 JI f. d. Kopf und Tag. Daß die Firma über der Vervollkommnung der technischen Einrichtungen die Pflege der Arbeiterwohl fahrt nicht vernachlässigt hat, geht aus folgenden der Festschrift entnommenen Angaben hervor: Die im Jahre 1857 gegründete Fabrikkrankenkasse, welche von jeher das Prinzip der freien Ärztewahl verfolgte, verfügt heute über einen Reservefonds von 100 343,61 JI- Ihre Einnahmen betrugen im Jahre 1901 51609,02 JI, wozu die Firma den gesetzlich vorgeschriebenen 2/3- Anteil mit 32 931,25 JI beisteuerte. Der Beitrag,