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Wirtschaftliche und industrielle Verhältnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika. (Schluß von Seite 1032.) Von Pittsburg' fuhren wir nach St. Louis, wo wir sofort nach unserer Ankunft vom Komitee der Ausstellung in Empfang genommen wurden. Man hatte eine Wagen fahrt arrangiert, welche uns zunächst durch die schönen Teile St. Louis’, dann über das Ausstellungsgelände zur Be sichtigung der Bauten, zum Verwaltungsgebäude brachte, wo wir erst photographiert und dann vom Präsidenten Governor Francis empfangen wurden. Derselbe erklärte an Hand der Pläne die ganze Disposition der Ausstellung, welche riesige Dimensionen aufweist. Die Gebäude sind in sehr vornehmem, klassischem Stile gehalten und machen, soweit sie fertiggestellt sind, einen äußerst gediegenen Eindruck. Hinter den Hauptgebäuden erhebt sich das Gelände. Auf der Anhöhe, in der Mittelachse der ganzen Disposition, wird der Kunstpalast errichtet, von welchem riesige Wasserfälle her unterrauschen, ihr Wasser in ein großes Bassin ergießend, aus dem Lagunen gespeist werden, welche die Hauptgebäude rings umziehen und auf welchen durch Bootverkehr eine bequeme und leistungsfähige Kommunikation zwischen den Hauptteilen der Ausstellung hergestellt werden soll. Durch diese Wasserkünste will man dem Gelände Belebung geben, die in Paris in natür licher Weise durch die Seine, in Chicago durch den Michigan-See vorhanden war. Auf dem erhöhten Gelände, weithin sichtbar, und tatsächlich an bevorzugter Stelle gelegen, wird das deutsche Ausstellungshaus errichtet. Will die Ausstellungsleitung auf die Kosten kom men, so müssen durchschnittlich täglich 130 000 Menschen die Ausstellung besuchen. Wenn man St. Louis in seiner heutigen Ausstattung in bezug auf Logier- und Verkehrsgelegenheiten betrachtet, dann erscheint es doch etwas rätsel haft, wie man einen solchen Ausstellungsbesuch unterbringen und bewegen will; indes man ver sicherte uns, daß alles in dieser Beziehung ge schaffen werden würde. Von St. Louis machte der Herr Minister einen Abstecher nach Kansas-City, um einige Farmen zu besuchen und einen Einblick in die landwirtschaftlichen Verhältnisse zu erhalten. An diesem Ausfluge habe ich nicht teil genommen; ich traf meine Reisegesellschaft in Chicago wieder, wo wir zunächst die große Fabrik landwirtschaftlicher Maschinen speziell Erntemaschinen der Deering Harvester Cie., besuchten. Es werden nur einige Sorten von Maschinen gebaut, aber diese in ganz un glaublichen Quantitäten. Die Fabrik gehört zu der am 12. August 1902 gegründeten „Inter national Harvester Cie.“, welche außerdem die McCormick-Harvesting-Machine Cie., die Mil waukee-Harvester Cie., die Piano-Manufacturing Cie. und die Firma Wardner Busnell-Glessmer Cie. umfaßt. Deering und McCormick haben die überwiegenden Interessen in dieser Vereinigung. Die Fabrik von Deering ist eigentlich die Zusammenfassung einer Anzahl von Spezial fabriken in den riesigsten Dimensionen, deren Be sichtigung im einzelnen viele Stunden in Anspruch nehmen würde. In flüchtigem Durchgang wurde uns gezeigt: die Schmiederei und das Stanzwerk, die Graugußgießerei und die Gießerei für schmied baren Guß, die Holzbearbeitungs- und die An streicher-Werkstätten. Das Anstreichen oder vielmehr das Überziehen der Teile mit Farbe geschieht durch Eintauchen der Maschinenteile und Maschinen in riesige mit Farbe gefüllte Be hälter. Zum Binden der Garben wird eine dünne, sehr starke Kordel verwendet. Man konnte die selbe in genügend haltbarer und billiger Be schaffenheit nicht kaufen und baute deshalb eine eigene Hanfspinnerei, von deren Umfang man sich eine Vorstellung machen kann, wenn man hört, daß sie mit einem Drittel an der ganzen Weltproduktion beteiligt ist. Es wird meist mexikanischer Hanf von Yucatan verarbeitet, weniger der teuere Manilahanf. Fortwährend wird an den Verbesserungen der Erntemaschinen weitergearbeitet, die Erfahrungen aus der ganzen Welt fließen hier in der Versuchswerkstätte zusammen. Die früheren Besitzer* bilden den Aufsichtsrat und die Direktion; sie treten wöchent lich zweimal zusammen, besprechen alle gemein samen Fragen und regeln die Produktion der einzelnen Fabriken; die technische Leitung der selben ist selbständig geblieben. Der Verkauf im Auslande geschieht nach wie vor durch ge sonderte Vertretungen unter den früheren Namen; man ist der Meinung, daß man dadurch, daß man dem Publikum die Chance läßt, nach seinem Wunsch eine McCormick- oder eine Deering- Maschine zu kaufen, ein besseres Geschäft macht, d. h. mehr verkauft. . * Der im Trust vereinigten Werke.