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642 Stahl und Eisen. Wirtschaftliche Rundschau. 30. Jahrg. Nr. 15. Stellen anwuchsen. Obwohl die Verkehrsmittel sehr rasch wieder im gewohnten Gleise waren und auch der äußeret flotte Beschäftigungsgrad, namentlich der Eisen- und Stahlindustrie, keine bemerkbare Ein buße erfahren hatte, hielten die einschlägigen Ge werbeverbände doch noch nicht den Zeitpunkt für eine Verteuerung der Materialien gekommen. Daß dieser Zeitpunkt aber nicht allzu fern liegt, läßt der im Vormonate erfolgte Beschluß der nordfranzösischen Kohlenzechen erkennen, die Preise für Industriekohlen ab Anfang dieses Monats um 1/2 fr. f. d. t und vom 1. September d. J. ab um 1 fr. f. d. t zu erhöhen. Nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses der Brennstoffverdingung der belgischen Staatsbahn schien eine weitere Verteuerung in Aus sicht genommen, jedoch ist nur der vorgenannte Preis aufschlag festgesetzt, mit der Erleichterung, daß bei den dem schärferen deutschen Wettbewerb ausge setzten östlichen Zechen, sowie im gesamten, durch die Ueberschwemmungen geschädigten Pariser Bezirke bis zum 1. September d. J. die vorherigen Preise bei behalten werden können. Von da ab wird dann all gemein der Aufschlag von 1 fr. in Kraft treten. Für Hausbrandsorten ist eine Erhöhung von 1 bis 2 fr., je nach der Sorte, für Abschlüsse vom 1. April d. J. bis zum 31. März 1911 vorgesehen; dieselbe ist jedoch vorläufig nur nominell, da der weitaus größte Teil der regelmäßigen Kontrakte bereits zu alten Preisen abgeschlossen worden ist, und außerdem die üblichen Sommervergünstigungen gegenwärtig in Kraft treten. Wesentlich einschneidender wirkt die für das zweite Halbjahr in Aussicht genommene Verteuerung der Kokspreise um 2 fr. f. d. t, wozu der wachsende Bedarf der heimischen Hüttenwerke den Anstoß ge geben hat. Die Steigerung der Brikettfabrikation wird eben falls eifrig betrieben. Erz. Für das Erzgeschäft ist die seit dem Ende des Vorjahres stark gestiegene Roheisenerzeugung in Belgien und Deutschland von sehr günstiger Wirkung gewesen. Der Absatz dorthin nahm weiter bedeutend zu. Der Zuwachs in der Ausfuhr ist für die fran zösischen Erzgruben notwendig, da die rasch steigende Gewinnung vom heimischen Verbrauch bei weitem nicht aufgenommen werden kann. Rechnet man doch in etwa 11/2 Jahren auf eine Gesamt - Jahresförderung im Meurthe- und Moselbecken von nahezu 20 000 000 t. Es ist daher anzunehmen, daß die Sicherung des regel mäßigen Absatzes zunächst eine wichtigere Rolle spielen wird, als die Erzielung höherer Preise. Eine wesentliche Verteuerung der französischen Erze dürfte daher vor der Hand kaum eintreten. Roheisen. Mit der Besserung der Auslands märkte, namentlich in Belgien, kräftigte sich auch die Lage des französischen Roheisengeschäftes im gegenwärtigen Berichtsabschnitte zusehends. Infolge der sprungweisen Preiserhöhungen für belgische Her- künfte wurde der belgische Wettbewerb immer weni ger fühlbar, und die heimischen Werke konnten sich mit zunehmendem Erfolge dem Inlandsbedarf widmen. Dem sehr regen Abruf waren die Hütten, namentlich für Thomaeeisen, kaum in allen Fällen gewachsen, und die Verwaltungen gehen mit Eifer daran, den Bau der zum Teil schon in der Fertigstellung begriffenen Neu anlagen nach Kräften zu beschleunigen, sowie die vor gesehenen Betriebserweiterungen raschmöglichst zu Ende zu führen. Es sind gegenwärtig vier Hochöfen mehr im Feuer als am Anfang dieses Jahres; diese Anzahl wird sich aber im Laufe der nächsten Monate noch weiter erhöhen. Der Roheisenpreis ist mit 76 fr. f. d. t als Richtpreis für Gießereiroheisen Nr. 3 seit mehr als einem Jahre unverändert; es ist aber mit einiger Sicherheit anzunehmen, daß die eingangs er wähnten Brennstoffverteuerungen auf die Preisgestal tung für die Folge nicht ohne Einfluß bleiben werden. Im Halbzeug- und Fertigwaren - Geschäft ist eine größere Regsamkeit nach Ueberwindung der durch die Ueberschwemmungen verursachten Stö rungen unverkennbar. Die weiteren ergänzenden Be stellungen erheblichen Umfangs der großen heimischen Bahngesellschaften haben dazu beigetragen, den Be schäftigungsgrad der Werke andauernd zu heben. Die Industriellen haben daher durchaus Vertrauen zu der Weiterentwicklung, zumal da mit der Belebung der Bautätigkeit neue Arbeitsgelegenheit eintritt. Die Werkspreise der meisten Artikel erfuhren im ver flossenen Vierteljahre keine großen Veränderungen. Schweißstabeisen und Flußstabeisen notiert in Paris nach wie vor 180 fr. f. d. t, Spezialsorten 190 fr., im Norden ebenfalls unverändert 165 bezw. 180 fr. Dagegen sind im Meurthe- und Mosel-, sowie im Haute- Marne-Bezirk die Preise mit 165 bis 170 und 185 fr. für Flußstabeisen um 5 bis 10 fr. f. d. t höher als zu Beginn des Jahres; in Paris notierten Grobbleche, wie früher, 195 fr., und in den Departements 180 bis 200 und 210 fr., während Feinbleche am Pariser Markte von 190 auf 210 bis 215 fr. gestiegen sind. Auch Träger notieren gegenwärtig in Paris 190 bis 205 fr. gegen 180 bis 200 fr. Anfang Januar. V. BELGIEN. — Allgemeines. Die Entwick lung des belgischen Eisenmarktes im ersten Viertel des Jahres 1910 läßt sich in zwei Hälften scheiden. Bis über die Mitte des Monats Februar hinaus herrschte auf dem belgischen Eisenmarkte eine große Belebung der Geschäftstätigkeit. Die bereits um Mitte des Monats Dezember 1909 begonnene Belebung der in ländischen, namentlich aber der überseeischen Kauf tätigkeit brachte den belgischen Werken ein starkes Anschwellen der Auftragsbestände, und, ermutigt durch die gleichfalls günstiger lautenden Nachrichten von den übrigen Märkten, setzte bald eine kräftige Auf wärtsbewegung der Verkaufspreise ein, welche die wirtschaftliche Lage der Werke nach langer Zeit endlich in nennenswerter Weise besserte. Der Preis politik der belgischen Werke fehlte es jedoch an der nötigen Mäßigung. Auf dem Ausfuhrmarkte konnten zwar die Preise wegen des deutschen und englischen Wettbewerbes nicht auf eine besondere Höhe getrieben werden, und man lehnte an einem gewissen Zeitpunkte günstige Abschlüsse einfach ab, weil man für dio Zukunft noch bessere Preise voraussah. Dagegen vermochte man auf dem heimischen Roheisenmarkte die Preise sehr schnell zu steigern; von Ende De zember 1909 bis Anfang des Monats Februar 1910 gewannen hier die Notierungen 10 bis 14 fr. f. d. t. Nachdem durch die starke Kauftätigkeit der über seeischen wie auch der inländischen Abnehmer in den ersten Wochen des Berichtsabschnittes der Bedarf für längere Zeit gedeckt worden war und die Preise, sowohl in Fertigerzeugnissen wie namentlich in Roheisen, eine vorzeitige Höhe erreicht hatten, setzte bei spärlicheren Aufträgen der von neuem zurückhaltender gewordenen Verbraucher eine Rückwärtsbewegung ein. Selbst die etwas plötzliche Halbzeugpreiserhöhung des belgischen Stahlwerksverbandes gegen Ende Februar, die man in der Höhe von 8,50 fr. nicht erwartet hatte, und die eine erneute Belebung bezw. Festigung des Geschäftes hätte herbeiführen müssen, vermochte die Preise nur ganz kurze Zeit etwas zu heben; dann gingen sie auf dem Roheisenmarkte jedoch wieder um 3 bis 6 fr. f. d. t, auf dem Fertigeisenmarkte bei der Ausfuhr um 3 bis 6 sh und im Inlandsverkehr um 3 bis 5 fr. zurück. Bei den Fertigerzeugnissen handelt es sich zudem nur um die nichtsyndizierten Erzeugnisse, hauptsächlich um Stabeisen und Bleche. Auf dem Kohlenmarkte trat, entsprechend der wesentlich stärkeren Beschäftigung der Eisen industrie, gleichfalls eine Besserung ein, zumal da der englische Wettbewerb durch die Wirkungen des neuen englischen Berggesetzes nicht mehr so scharf auftritt