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6. April 1910. Aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 595 merkte, daß jemand ein Konkurrent und doch auch ein anständiger Mann sein kann; so wurde das sehr gemütlich, und man wurde freundlich gegeneinander gesinnt. Wenn z. B. der eine sagte: ich habe diese oder jene Schwierigkeit, dann riet ihm der andere, sie so oder so zu überwinden. Man gibt sich ja dabei nicht vollständig aus, sondern hält sich noch etwas in Reserve. So ist die Freundschaft unter den Gießereileuten derart gewachsen, daß bei der Ver sammlung unseres großen amerikanischen Gießerei vereins im letzten Jahre zu Cincinnati 2500 Gießerei leute anwesend waren. Da gab es Ausstellungen mit laufenden Maschinen, da wurde Messing ge gossen usw.; für die eine Woche hat das 75 000 $ gekostet. Die Versammlung glich einem großen Familienfeste. Die Stadt hat uns großartig bewirtet, eie hat dafür aber 200 000 $ an diesen Leuten ver dient. Dieses Jahr geht es nach Detroit, nächstes Jahr nach Pittsburg. Jedermann, den ich fragte, sagte mir, er habe dies und das gesehen und dabei etwas gelernt. Das ist wertvoll für die Industrie des Landes. Schließlich liegt doch unsere Zukunft darin, daß wir unsere Naturschätze bewahren. Wenn wir mit einem Pfund Eisen zweimal soviel leisten können wie jetzt, so ist das ein Gewinn für das Land, nicht allein für unsere Taschen. Darauf müssen wir hin arbeiten. Auch die Werkmeister, die Formermeister, also diejenigen, welche die Gießerei unter dem „Super intendent“ leiten, haben jetzt ihren großen Verband in Amerika. Die haben alle große Fortschritte ge macht. Die meisten können schon eine Gattierung nach der Analyse ausrechnen. Früher hatten sie auf der Gichtbühne verschiedene Eisensorten liegen und mußten von diesem und jenem nehmen; dabei war es nicht sicher, ob die Mischungen gut wurden. Weiterhin beschäftigte uns natürlich auch die Arbeiterfrage, und es entstanden große Vereine zur Lösung derselben. Wenn bei uns irgend ein Streik ausbricht, gibt es gleich Blutvergießen. Die Eisengießerei ist jetzt so weit, daß sie von der „Union"-Frage losgekommen ist. Die Forderung, daß ein Arbeiter so und so viel haben muß und nur so und so viel Stunden zu arbeiten braucht, hat bei uns ausgespielt; und das wird hoffentlich so bleiben. Ein Land wird nur dann groß, wenn der einzelne Mann Gelegenheit hat, in die Höhe zu kommen. Aber wenn alle auf eine Schablone gestellt werden, so ist es für das Land schlecht. Das Geheimnis der großen Erfolge des amerika nischen Gießereiwesens liegt in der Organisation der Verwaltung. Wir haben alle Woche oder jeden Monat Abschluß. Da wird genau ausgerechnet, wie viel das Pfund Eisen in dem Monat für jede Be triebsabteilung gekostet hat. So erhalte ich meine Berichte. Wenn nun da steht, daß in der einen Ab teilung die Herstellungskosten in die Höhe gegangen sind, muß der Meister eine gute Erklärung haben, sonst heißt es, im nächsten Monat müsse es besser werden als bisher, oder ein anderer werde an seiner Stelle sein. Dem Gießermeister wird aber das Recht gegeben, anzustellen, wen er will, und zu bezahlen, was er will. Er muß nur gute Erfolge liefern. Man muß genau wissen, wie alles läuft, und darf die Leute sonst nicht behelligen. Man gibt ihnen genug Arbeit und gutes Material. Das, was die Herren, die nach Amerika kommen, nie sehen, ist die Ver- waltupg. Folglich wissen sie von dieser wertvollen Organisation in Amerika wenig. Der Stahltrustmann Schwab ist dadurch groß geworden, daß Carnegie merkte, was Schwab bei den monatlichen Rechnungen strich. Soviel ich sehe, scheinen die deutschen Gieße reien meistens von den Gießereiingenieuren geleitet zu werden. Bei uns geht die Leitung einer Fabrik in der Familie vom Vater auf den Sohn und auf den Enkel; denen gehört die Gießerei. Sie haben einen tüchtigen Werkmeister, der gut bezahlt wird. Weiter ist kein Mann da, der viel vom Gießereiwesen ver steht. Der Eigentümer sitzt in der Verwaltung, eventuell mit seinem Sohne, und der Werkmeister leitet die Fabrik. Bei den großen Gesellschaften ist es natürlich anders. Aber auch dort sind es meist Leute, die vom Sandhaufen in die Höhe gekommen sind, nicht Ingenieure, nicht Studierte. Darum ist es bei uns sehr schwer, daß Chemiker in die Gießerei kommen. Darum hat der Gießereichemiker, der von hier nach Amerika geht, gar keine Aus sicht, eine Anstellung zu bekommen. Dagegen findet der Werkmeister, der sich etwas gespart hat und auch sonst ein tüchtiger Mann ist, sehr leicht Kapital mit einem andern zusammen und kann sich dadurch eine Fabrik kaufen. So fing z. B. der jetzige Eigentümer meiner Gießerei, der vielleicht 20 Millionen S besitzt, als gewöhnlicher Former an. Darum rate ich Ihnen, nicht nach Amerika zu gehen und dort sich eine Stellung zu suchen. Sie finden eine solche nicht. Es wird niemand angestellt, der nicht mindestens fünf bis zehn Jahre dauernd dem Unternehmen dient. Denn es kostet immer viel Geld, bis der Mann sich an den Betrieb gewöhnt hat. Ich erhalte nämlich viele Briefe aus Deutschland, in denen um eine Stellung angefragt wird. In den Zeichensälen sind Ingenieure gesucht, in den Betrieben aber nicht. Wenn man nun eine Fabrik anlegt, so wird hei uns gewöhnlich zuerst auf die Eisenbahnverbindung gesehen. Da werden erst die Eisenbahnschienen ge legt und dann Pläne über die Transportkosten für das Roheisen und das Gußeisen angefertigt. Das ist die Kunst, daß man ganz genau darauf sieht, das Material nicht mehr als nötig mit der Hand zu be rühren ; denn das kostet jedes Mal Geld. Im übrigen haben wir natürlich große, gute Gießereien und auch sehr schlechte. Das ist gerade so wie hier. Ich habe hier verschiedene Gießereien gesehen, die großartig sind, die wir nicht besser haben, und dann habe ich wieder andere gesehen, — na, ich weiß nicht! (Heiterkeit.) Für das Schmelzen von gewöhnlichem Guß haben wir meist einen Kupolofen. Zu besserem Guß be dient man sich der Flammöfen, z. B. für Walzen und dergl. Den Vorherd brauchen wir nicht, wir lassen das Eisen in eine große Pfanne laufen. Man sammelt es im Kupolofen an, so hoch man will, wobei es nicht abkühlt. Flüssiges Eisen nachträglich auf eine höhere Temperatur zu bringen, ist nicht leicht. Unsere Kupolöfen haben meistens zwei Reihen Düsen, obgleich die obere Reihe selten gebraucht wird. Das Prinzip ist, daß der Wind so gut verteilt wie möglich unter wenig Druck in den Ofen gelangt. Das schönste Eisen, das Sie je sehen werden, ist in einem vier eckigen Ofen geschmolzen worden, der kein Gebläse besitzt, sondern von einem großen Schornstein mit natürlichem Zug betrieben wird. Aus einem solchen Ofen wurden in Delaware Räder gegossen. Aber wir müssen viel schmelzen und darum schnell. Gewöhnlich wird mehr Koks gebraucht, als aufgeschrieben ist. Gegenwärtig wird auch ange fangen, in den großen Gießereien mechanisch zu char gieren. Die Gattierung wird zu ebener Erde zu sammengestellt und sodann maschinell bis zur Gicht öffnung gehoben. Eigentlich ist diese Art des Auf gebens nicht gut, das Material sollte im Ofen besser durch Einwerfen mit der Hand verteilt werden. Ich gehe über zum Formsand. Auf dessen Her stellung scheinen Sie in Europa — und besonders in Frankreich — mehr Zeit und Ueberlegung zu ver wenden als wir. Bei uns ist der Formsand sehr billig und geht gleich roh in die Gießereien. Des halb haben die amerikanischen Gußstücke ein sehr *