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566 Stahl und Eisen. Selbstkostenberechnung und Klassierung ton Gußstüiken. 30. Jahrg. Nr. 14. sich z. B. in einem viel benutzten Werk über die Kalkulation für Gußstücke der Satz: Der Ma terialverbrauch ist ein „prozentualer Wert, der mit den Herstellungskosten des Gegenstandes, dem Formerlohn, direkt steigt und fällt“, und oben drein noch die Bekräftigung, daß diese Tatsache „über jeden Zweifel erhaben steht“. In einem anderen Werke über Kalkulation von Gußstücken: „man wird nicht fehlgehen, wenn man die Hilfs materialien (Trockenmaterial, Formsand und Kleinmaterial) und die Hilfslöhne prozentual auf die Former- und Kernmacherlöhne verrechnet“. Es wird nun sehr schwer sein, den direkten Beweis zu erbringen, daß die Vorstellung von der zur Rede stehenden Beziehung zwischen Material und produktivem Lohn auf einem Irrtum beruht, vor allem mangelt auch hier der Raum dazu. Indessen wird die Frage schon zu einer beträchtlichen Klärung gebracht, wenn man den im Mittelpunkte der Betrachtung stehenden Wert, nämlich den produktiven Lohn, von dem die übrigen Werte abhängig gemacht sind, einmal genauer ins Auge faßt, und seinen Charakter und seine Bedeutung ins rechte Licht zu rücken sucht: Sollte es ohne genaue Berechnung wirk lich möglich sein, z. B. bei einem Stück, das noch nie vorher kalkuliert wurde, den Former- und Kernmacherlohn so festzustellen, daß er einem bestimmten Wert für Materialaufwand entspricht? Schon ganz oberflächlich betrachtet mutet einen die Sache seltsam an. Für jedes Stück, das zum erstenmal oder bloß einmal ausgeführt wird, bleibt es doch zunächst denkbar, daß es bei wiederholter Ausführung infolge der erworbenen Erfahrung billiger geformt werden kann. Die verschiedenen Erfahrungen der Former, ein ver bessertes Formverfahren können den Lohn um 10, 20 und mehr Prozent erniedrigen, ohne daß dadurch der Materialverbrauch irgendwie ver ändert wird. Es sei daran erinnert, daß, wenn man bei ein und demselben Stück die Wahl hat zwischen Modellformerei und Schablonieren, die letztere Methode nicht selten teurer zu stehen kommt, ohne daß der Materialaufwand ein an derer ist. Auf der andern Seite aber gibt es wieder Fälle, wo sich der Materialaufwand mit der Formmethode verteuern, der Formerlohn aber verbilligen kann, z. B. wenn man ein Stück anstatt in Sand mit Außenkernen formt. Oder aber es zeigt sich, daß durch Kolonnenarbeit der für einen Arbeiter berechnete Akkordpreis um 20 oder mehr Prozent herabgesetzt wird. Es dürfte dem erfahrenen Gießereimanne nicht schwer werden, die Möglichkeiten von Schwan kungen im Akkordpreis für das gleiche Stück aus der eigenen Praxis zu Vermehren. Vor allem aber: welcher Gießereimann möchte bei großen, komplizierten Stücken dafür ein stehen, daß er genau den Akkordpreis treffen wird, wie er der tatsächlichen Schwierigkeit entspricht und obendrein noch so, daß dieser Lohnwert wenigstens annähernd das feststehende Vielfache des Materialwertes ausmacht. Liegt nicht schon in dem Begriff Akkordpreis zugleich die Vorstellung des Schwankenden? Steht nicht selbst der erfahrene Gießereimann oft mit großen Bedenken vor einem schwierigen Stück und fragt, ob er wohl den produktiven Lohn richtig fest gelegt hat? Was bedeuten denn die Ausdrücke, der Former ist „gut“ oder er ist „schlecht“ mit seinem Akkord herausgekommen? Liegt nicht gerade darin, daß der produktiv e Lohn immer ein strittiger Punkt ist, der beste Beweis für das Vorkommen von Schätzungsfehlern? Dann aber, sind die Akkordpreise nicht auch von der Konjunktur abhängig? Und wenn es so ist, müssen denn bei Konjunkturschwankungen auch unbedingt alle Materialien in ihrem Wert pro portional mit den Löhnen fallen oder wachsen? Ueben nicht die allgemeine Geschäftslage, her kömmliche Bezahlung des Stückes, Terminhalten, Streikgefahr und ähnliche Umstände ihren Ein fluß oder Zwang auf die Bildung des Stück akkordes aus ? Der Kampf um die Akkordlöhne bildet doch den Mittelpunkt aller Streitigkeiten in der Gießerei. Noch jüngst gab in einer großen, dem Verfasser bekannten Gießerei der Streit um den ■ Kernmacherlohn eines schon oft ausgeführten Stückes den Anlaß, mit dem Streik zu drohen. Der herkömmliche Preis war 80 •%. Dem Gießereileiter war längst bewußt, daß der Preis viel zu hoch war. Nach allerhand Kämpfen und Auseinandersetzungen wurde der Kern für 50 Jh gemacht, und der Mann kam trotz allem vorhergegangenen Streit gut mit seinem Akkord heraus. Es ist doch hinreichend bekannt, daß gerade die Zeiten allgemeinen Geschäftsnieder ganges benutzt werden, um die Preise für solche Stücke herabzusetzen, bei denen man erkannt hat, daß sie weit billiger zu machen sind, als es bisher geschehen; in den Zeiten der Hoch konjunktur ist es natürlich nicht möglich, den Arbeiter davon zu überzeugen. Ist nicht ferner der passive Widerstand des Arbeiters, das künst liche Hochhalten der Arbeitszeit ein weiterer Be weis ? Der Arbeiter weiß, daß er im allgemeinen nicht viel über seinen Durchschnittsakkord kommt, er kennt die Stücke mit guten Preisen ganz genau und ist ängstlich bedacht, daß nichts daran geändert werde; die Verhandlungen mit den Ar beiterausschüssen erweisen das täglich. Dann aber kommt noch hinzu, daß in der Sand-, Masse- und Maschinenformerei der pro duktive Lohn in Formerlohn und Kernmacher lohn zerfällt, und daß die Former und Kern macher oftmals gar nicht nach denselben Lohn sätzen arbeiten. Ja es kommt vor, daß die Former im Akkord und die Kernmacher im Tage-