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562 Stahl und Eisen. Zum hundertjährigen Bestehen der Gutehoffnungshütte. 30. Jahrg. Nr. 14. größerem Maßstabe nachgeholt. Es entstanden außer dem Phönix zu Ruhrort die Nieder rheinische Hütte, die Hütte Vulkan und die Johannishütte des Deutsch-Holländischen Aktien vereins in Duisburg. Daran schlossen sich in geschichtlicher Reihenfolge 1870 die Rheinischen Stahlwerke, 1892 die Gewerkschaft Deutscher Kaiser, 1896 die Friedrich-Alfredhütte der Firma Krupp und 1902 die A.-G. für Hüttenbetrieb in Meiderich. Alle diese Werke haben etwas Gemeinsames: Technisch sind sie erwachsen auf dem Boden der großen englischen Erfindun gen in der Eisen- und Stahlerzeugung, wie sie einerseits durch die Verwendung von Stein kohlenkoks im Hochofen, anderseits durch die Verarbeitung des Roheisens im Puddel-, Bessemer- und Thomasverfahren und schließlich durch die Verwendung der Dampfmaschine als Trieb kraft dargestellt werden. Wirtschafts politisch sind sie undenkbar ohne die Schaffung eines freien, aufnahmefähigen inländischen Marktes durch den Zollverein und ohne eine kräftige Wirtschaftspolitik gegenüber dem Ausland, wie sie durch das neue Deutsche Reich gebracht wurde. Zwischen diesen neuzeitlichen Unternehmungen und der alten rheinisch-westfälischen Eisenindu strie, die noch zur Gewinnung von Betriebs kraft auf die Flüsse angewiesen war, die das Eisenerz aus der nächsten Umgebung auf Fuhren heranholte, die den Hochofen mit Holzkohle be schickte, die das Eisen im Frischfeuer ver feinerte und im Hammerwerk schmiedete, wird eine ununterbrochene Verbindung durch die Gutehoffnungshütte hergestellt. Wenn die Betriebe der Gutehoffnungshütte auch nicht un mittelbar am Rhein liegen, so ist sie doch längst vor Schaffung des eigenen Rheinhafens bei Walsum den Rheinwerken zuzurechnen; denn, bevor die anderen Werke gegründet wur den, war bereits für ihr Dasein der Rhein ent scheidend, auf dem sie Eisenerz und Roheisen zur Verarbeitung beziehen konnte. Unter dem technischen Gesichtspunkte läßt sich die Geschichte der Gutehoffnungshütte in zwei Abschnitte zerlegen: Der erste zeigt noch eine gewisse Blüte und Ausdehnungsfähigkeit des alten deutschen Hüttenwesens, der ein all mähliches, bis in die 70er Jahre des XIX. Jahr hunderts dauerndes Absterben folgt; der zweite beginnt 1835 und bringt eine völlige Verjün gung des Werkes durch Uebernahme der eng lischen Hüttentechnik. Wirtschaftlich bedeutet das Jahr 1855 einen entscheidenden Wende punkt, da in diesem Jahre die Versorgung des Puddelwerkes mit Roheisen in eigene Hand ge nommen wurde, woran sich -unmittelbar eine entsprechende Vergrößerung des Erzfelder besitzes und vor allem der Uebergang zum Kohlenbergbau schloß. Indem so die Gute hoffnungshütte Vergangenheit und Gegenwart unserer niederrheinischen Eisenindustrie verbin det, wird ihre Entstehung und ihr Werdegang Gegenstand besonderen Interesses: Ein Inter esse, welches noch sehr erhöht wird durch die Bedeutung, welche die der Gutehoffnungshütte angegliederte Maschinenfabrik und Schiffswerft für die Entwicklung des deutschen Maschinen- und Flußschiffbaues überhaupt erlangt haben. Bemerkenswert ist besonders die frühzeitige, 1853 beginnende Verbindung mit dem Kohlen bergbau. Dieser war ursprünglich nur für die Versorgung der Hüttenwerke mit Koks und Be triebskohlen bestimmt, hat aber seit .1893, der Gründung des Rheinisch-Westfälischen Kohlen syndikates, einen Umfang angenommen, welcher über die Deckung des Bedarfes der Hüttenwerke hinaus in großem Maßstabe den Verkauf von Kohlen ermöglicht. Für die Entwicklung der Gutehoffnungshütte in den letzten Jahrzehnten ist der Kohlenbergbau von entscheidender Be deutung geworden.“ — Es würde den Rahmen dieser Zeitschrift weit überschreiten, wenn wir in Einzelheiten der Geschichte des Werkes eindringen wollten. Nur so viel sei gesagt, daß jedes Blatt der Denkschrift erkennen läßt, wie kluge, weitsich tige Männer, in der Leitung des Werkes tätig, von Anfang an bemüht gewesen sind, die großen Schwierigkeiten, die im Laufe der Jahre auch diesem Unternehmen nicht erspart geblieben sind, durch zähe Ausdauer und energische Arbeit aus dem Wege zu räumen. Die Festschrift bildet somit ein wichtiges Denkmal unserer Wirtschafts geschichte und gleichzeitig ein Spiegelbild des Werdens unserer niederrheinischen Eisenindustrie. Heute sehen wir die Gutehoffnungshütte, nach innen und außen gefestigt, auf der Höhe wirtschaftlicher und technischer Entwicklung stehen. Unser Wirtschaftsleben bietet zur Zeit kein einheitliches Bild; neue Stürme werden der deutschen Industrie nicht erspart bleiben, mit Sorge sieht mancher der Entwicklung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse entgegen. So können wir der Gutehoffnungshütte bei dem Eintritt in das zweite Jahrhundert ihres Bestehens in Er innerung an Männer wie die Haniel, Huyssen, Jacobi, Lueg u. a., die das Steuer des Unter nehmens in guten und bösen Zeiten mit fester Hand geführt haben, keinen besseren Wunsch mitgeben als den. dem Felix Dahn in Thors Hammerwurf die Form gegeben hat: Solcher Männer, wie der, schenk’ uns Wotan nocli mehr! Die Re laktion.