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16. März 1910. Chemisc'he. und metallurgische Mitteilungen. Stahl und Eisen. 463 einerseits versucht, sehr reine Ausgangsmaterialien zu verwenden, und anderseits, die Ferrosiliziumstücke in Paraffin, Petroleum oder ähnliche Stoffe einzu tauchen, um die Einwirkung der Feuchtigkeit zu ver hindern oder wenigstens zu verzögern. Aber das erstere Mittel kann bei der Natur der Rohmaterialien nicht in Betracht kommen, und das letztere vermag die Gefahr nur zu verzögern. Die Kommission schlägt deshalb vor, auf die Herstellung der kriti schen Gehalte, als die bisher die Sorten mit 30 bis 40 °/o und die mit 47 bis 65 0/o Silizium genau er kannt sind, ganz zu verzichten. Von diesen kritischen Sorten abgesehen, bleiben die Ferrosilizium-Legierun- gen vollständig kompakt und sind so wenig gefähr lich, daß man eie wie gewöhnliches Roheisen trans portieren und lagern kann. Die Eisenbahn- und Schiffahrtsgesellschaften würden deshalb keiner Ge fahr mehr ausgesetzt sein, wenn sie künftig von den Lieferanten eine Bescheinigung verlangen würden, daß der Siliziumgehalt ihrer Legierungen nicht zwischen 30 bis 40 °/o und 47 bis 65 °/o liegt, und anderseits haben auch die Verbraucher ein Interesse daran, ein Material zu erhalten, das nicht durch besondere Transport- und Lagerungskosten im Preise erhöht wird, indem sie ausschließlich Legierungen mit folgenden Siliziumgehalten verwenden: 1. unter 30 °/o, 2. von 40 bis 47 °/o, 3. über 65 °/o. Zu ähnlichen Ergebnissen und Vorschlägen ist man in England gekommen, wo man infolge mehrerer durch Ferrosilizium verursachter Unglücks- fälle dieser Frage jetzt auch erhöhte Aufmerksam keit zuwendet. * Aus Untersuchungen, die das Local Government Board anstellen ließ, ging hervor, daß be sonders aus dem 40- bis 60-prozentigen Ferrosilizium beträchtliche Mengen von giftigem Phosphorwasser stoff, teilweise auch Arsenwasserstoff entweichen. Diese Erscheinung wird durch die Einwirkung von Feuchtigkeit oder feuchter Luft sehr begünstigt und tritt bei dem zerfallenen Material in ausgedehnterem Maße als bei stückigem auf. Bis zu einem Gehalte von 30 °/o Silizium scheint das Produkt unschädlich zu sein und ebenso, wenn auch nicht mehr in dem gleichen Maße, bei einem Gehalt von 70 °/o und dar über. Da der Verbrauch von 30- bis 70-prozentigem Ferrosilizium, abgesehen vielleicht von der Stahler zeugung, nicht unbedingt notwendig ist, so sollte man von der Herstellung dieser Legierungen ab- sehen. Bis zur Erledigung dieser Frage durch inter nationale Abmachungen schlägt das Board of Trade den Erlaß folgender fünf Bestimmungen vor: Das Ferrosilizium soll nicht unmittelbar nach der Her stellung von den Werken verschickt werden, sondern erst in Stücke zerschlagen und dann vor dem Versande mindestens einen Monat lang unter Dach, aber möglichst vollständig der Luft ausgesetzt aufbewahrt werden. Jedes Faß oder jede sonstige Ferro silizium enthaltende Verpackung soll in großen Buch staben den Namen und den Prozentgehalt der Legierung, den Namen des betreffenden Werkes und das Datum der Erzeugung und des Versandes tragen. Ferner soll der Transport von Ferrosilizium mit Schiffen, die zugleich Reisende befördern, verboten werden. Schließlich wird noch vorgeschlagen, daß das Material bei Schiffsladungen, soweit es eben möglich ist, auf Deck gelagert werden müsse, oder wenn dies nicht angängig ist, daß es in einem Raum untergebracht wird, der gut gelüftet und durch luftdichte Wände von den Aufenthaltsräumen der Mannschaft abgetrennt werden könne. Vor kurzer Zeit beschäftigte in Leeds** ein der artiger durch Ferrosilizium entstandener Unglücks * „The Ironmonger" 1910, 22. Jan., S. 166. ** „The Chemical Trade Journal“ 1909, 18. De zember, S. 572. fall das Gericht. Es waren bei dem Transport einer Schiffsladung, die sich nachher als aus Fässern mit Ferrosilizium bestehend erwies, vier Personen er krankt, von denen zwei in wenigen Tagen starben. Als Schadenersatz wurde von den Hinterbliebenen eine größere Summe beansprucht, da es erwiesen sei, daß der Tod durch giftige Gase, die sich aus dem Ferrosilizium entwickelt hätten, verursacht worden sei, und da ferner die Beklagten es unterlassen hätten, auf die gefährliche Natur der Ladung aufmerksam zu machen. Die Verteidigung betonte, daß die Fässer vom Kontinent stammten, und daß der Schiffseigner die gleiche Möglichkeit wie die Beklagten gehabt hätte, den Inhalt der Fässer zu kennen. Es sei nicht fest- gestellt, daß in dem Ferrosilizium die Ursache zu suchen sei; früher sei Ferrosilizium in Schiffen trans portiert worden, ohne den an Bord befindlichen Per sonen Schaden zuzufügen. Der Richter verurteilte entgegen dieser Ansicht die Beklagten zu einem Schadenersatz, da er zu dem Schluß gekommen sei, daß die Fässer mit Ferrosilizium gefährlich waren, und daß der Schiffseigner dieser Gefahr keine Auf merksamkeit geschenkt habe. Philips. *** Auch in Schweden hat man sich inzwischen eingehend mit der Frage der Gefahr beim Ferro- siliziumtransport beschäftigt. Im Auftrage der im Jahre 1907 zu diesem Zwecke ernannten Kommission, bestehend aus den HH. Cronquist, Petrn und Leffler, haben Petrn und Grabe in dem La boratorium der Stockholmer Bergakademie diesbezüg liche Versuche* angestellt. Man legte hier den Untersuchungen auch zunächst die Einwirkung von Wasserdampf auf das Ferrosilizium zugrunde, be merkte aber bald, daß eine nicht unbedeutende Menge von Phosphorwasserstoff als fertig gebildetes Gas schon von vornherein in dem Ferrosilizium einge schlossen war und bei dessen Zerkleinerung frei wurde. Da nun mehrere der im Handel vorkommen den Ferrosiliziumsorten sehr leicht zerfallen, so liegt es nahe, daß die hierbei frei werdenden eingeschlossenen Gase eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung der Transportgefährlichkeit des Ferrosiliziums spielen. Beim Eisenbahntransport und noch mehr auf Schiffen, zumal bei unruhiger See, wird eine bedeutende Menge Ferrosilizium zerkleinert, wenn die Fässer, worin es meist verpackt ist, gegeneinander stoßen. Hierbei können aber die eingeschlossenen Gase entweichen und bei schlechter Lüftung leicht Unfälle veranlassen. Aus diesem Grunde richtete man bei den schwedischen Untersuchungen seine Aufmerksamkeit in erster Linie auf die quantitative Bestimmung der schon gebildeten, mechanisch eingeschlossenen Gase, während dieser Punkt in den bisherigen Untersuchungen ganz über gangen worden war. Bereits auf dem Internationalen Kongreß für an gewandte Chemie in London im Jahre 1909 legte Professor Cronquist** aus den vorbereitenden Ar beiten einige Ergebnisse vor. Die Ergebnisse von weiteren Untersuchungen sind in der nachstehenden Zahlentafel 2 zusammengestellt. Die Bestimmungen wurden in dem in Abbildung 1 dargestellten Apparat ausgeführt. Ein Stahlmörser a ist mit einem dicht schließenden Deckel versehen, durch den das Pistill b, mit einer Kautschukkappe abgedichtet, hindurchgeht. Von den beiden Röhren, die an dem Deckel angebracht sind, kann die eine mit einem Quetschhahn geschlossen werden, während die andere mit einer Kugelvorlage e verbunden ist, an die sich dann noch eine Waschflasche d anschließt. Die Vorlage enthält zur Oxydation des Phosphor- * „Teknisk Tidskrift« 1910, 26. Jan., S. 7/13. * * Vgl. „Stahl und Eisen“ 1909, 14. Juli, S. 1076.