Volltext Seite (XML)
Bücherschau. Dichmann, Carl, Ingenieur-Chemiker: Der basische Herdofenprozeß. Eine Studie. Mit 32 in den Text gedruckten Figuren. Berlin, Julius Springer 1910. VII, 242, 10 und 5 S. 80.7 , geb. 8 . In diesem Werke legt der Verfasser neben seinen in mehr als zwanzigjähriger Praxis erworbenen Er fahrungen im basischen Herdofenbetriebe auch eigene theoretische Untersuchungen nieder, welche noch nicht in allen ihren Einzelheiten praktisch nachgeprüft wer den konnten. Hierzu gehören die später unten er wähnten Ausführungen über die Chemie der Ver gasungsvorgänge und über die dem Metallurgen inter- essantesten Probleme der Abscheidung der Verunreini gungen, namentlich des Phosphors, aus dem Eisen. Durch diese theoretischen Betrachtungen sucht Dich mann weitere Arbeiten zur Lösung der fraglichen Probleme anzuregen. Das Buch stellt alles in allem eine sehr wertvolle Bereicherung der bis her nur dürftigen Literatur über den Herdofen prozeß dar, und jeder Stahlwerks-Ingenieur wird dank bar dafür sein, daß bei dem Verfasser „eine Pause in seiner praktischen Tätigkeit“ eintrat, durch welche er die Muße fand, seine Studien und Erfahrungen zu Papier zu bringen. Dichmann will vor allein die Be dingungen ausfindig machen, welche die beste Aus nutzung aller Rohmaterialien gestatten, und damit gibt er dem Stahlwerksingenieur Mittel an die Hand, hieraus Schlußfolgerungen für seine eigenen Verhält nisse zu ziehen. Die im Anhang gebrachten Tabellen und Formeln werden für diese Zwecke besonders ge eignet sein. Zunächst spricht der Verfasser von den physi kalischen Bedingungen in einem Herdofensystem. Sodann behandelt er äußerst eingehend den Gene ratorenbetrieb und die Reaktionen bei der Vergasung. Die erhaltenen Resultate sind vielfach nur theoretisch berechnet, und Sache der Praxis wird es sein, die gezogenen Schlußfolgerungen durch praktische Bei spiele zu kontrollieren. In allen diesen Ausführungen werden dem Praktiker wertvolle Fingerzeige gegeben. Um nur Einiges hervorzuheben: daß bei einem richtig funktionierenden Generatorbetriebe nur so viel Wasser- dampf zugesetzt werden darf, als zur Herabdrückung der Temperatur auf 1150° C erforderlich ist. Auf Seite 70 gibt Dichmann ein handliches Verfahren an, um schnell den Generatorgang nach der Gasanalyse zu beurteilen. Hierauf äußert sich der Verfasser über Temperatur und Wärmeübertragung im Herdraum, worüber in der Literatur eigentlich noch nichts zu finden ist. Wenn auch hier nur theoretische Anschauungen vorgetragen werden, so erscheinen sie doch wichtig genug, um den Wunsch zu wecken, daß sie baldigst durch praktische Versuche bestätigt werden möchten. Die zweite Hälfte des Buches umfaßt .Die Chemie des basischen Herdofenprozesses". Der Verfasser be spricht darin zunächst die Reduktions- und Oxydations- prozesse und die chemische Wirkung der Flamme. Man merkt bei diesem zweiten Teile des Buches, daß der Verfasser in seiner Praxis meist mit einem phosphor- armen Roheisen zu tun gehabt hat, deswegen erscheinen dem deutschen Stahlwerksingenieur manche Schluß folgerungen zu optimistisch, wovon noch später die Rede sein wird. Keinesfalls ist es für deutsche Ver hältnisse richtig, daß man von gebranntem Kalk zu Kalkstein übergegangen ist. Zum .Fertigmachen“ der Charge wird in Deutschland wohl fast allgemein ge brannter Kalk verwendet, besonders wenn es sich um phosphorhaltigen Einsatz und um ein möglichst phos phorarmes Endprodukt handelt; den Schädigungen durch mitgerissenen Kalkstaub begegnet man durch genügend große Dimensionierung der Kammern, durch Schlackenkammern und neuerdings durch veränderte Formgebung der Gittersteine. Auch in bezug auf den Schwefel im Einsatz des basischen Herdofens ist Dich mann in glücklicherer Lage gewesen als der deutsche Stahlwerksmann. Er meint, man müsse möglichst schwefelfreie Einsatzmaterialien verwenden, da die Entschweflung im basischen Herdofen Schwierigkeiten habe. Letzteres ist richtig, aber da bei uns möglichst schwefelfreie Einsatzmaterialien vielfach nicht zu haben sind, muß man sich zu helfen wissen, und die vom Verfasser angegebenen Mittel bewirken auch in der Tat eine immerhin nennenswerte Entschweflung, nämlich um ungefähr ein Drittel des Gesamtschwefels. Allerdings darf das Generatorgas keinen zu hohen Schwefelgehalt haben. Es hieße den Rahmen dieser Besprechung über schreiten, wenn man auf jedes Kapitel dieses bedeut samen Buches eingehen wollte; nur das Wichtigste sei deshalb hervorgehoben und dann dasjenige, was mit anderen Erfahrungen nicht übereinstimmt. Auf Seite 161 spricht Dichmann von Versuchen, die er in Jurjewka im Jahre 1902 durch Zusatz von nur reinen, gut ge trockneten Erzen (fast chemisch reinem Eisenoxyd) in die Roheisentransportpfanne gemacht hat, um eine Verminderung der Reduktionsstoffe im flüssigen Eisen herbeizuführen. Er bringt darin die zum Teil bereits in unserer Zeitschrift* veröffentlichten bemerkens werten Herabminderungen besonders von Silizium und Mangan vor. Es ist auffallend, daß ander wärts angestellte ähnliche Versuche weniger gün stige Resultate ergeben haben, auch ist zu berück sichtigen, daß die Ausnutzung des Erzes bei diesem Verfahren immerhin recht ungünstig ist. Auffallend ist ferner der hohe Kohlenstoffgehalt des Jurjew- kaer Eisens, welcher vielfach mit etwa 4,2 und darüber angegeben wird. Sollten hierbei nicht Analysenfehler vorliegen? — Im Kapitel 21 geht Dichmann näher auf die Vorgänge im Herdofen ein und gibt aus seiner reichen Erfahrung viel Lehr reiches für die Praxis, z. B. in bezug auf die Be urteilung des Härtegrades, über Desoxydation, Rück kohlung. Was er über die letztere sagt, trifft aber, wie schon früher hervorgehoben, bei härteren Stahl sorten nur für guten, nicht zu phosphorreichen Ein satz zu. Andernfalls empfiehlt sich unter gewissen Bedingungen das in Deutschland — und besonders auch in England — noch vielfach in Gebrauch be findliche Kohlen nach Darby, welches übrigens von dem Unterzeichneten zuerst im November 1889 auf Hütte „Phönix“ so ausgeführt wurde. — Auf seinem eigensten Gebiete bewegt sich der Verfasser bei der Besprechung der Roheisenerzprozesse. W as den Talbot- Prozeß und das Hoesch-Verfahren (Bertrand-Thiel) be trifft, so scheint Dichmann die Resultate der allerletzten Jahre noch nicht gekannt zu haben. Anders bei dem gewöhnlichen Roheisenerzprozeß mit flüssigem Einsatz und feststehenden Oefen. Darin ist er einer der Bahn brecher gewesen und es gibt wohl keinen Stahlwerke ingenieur, der Dichmanns Veröffentlichungen,** die durchgehends völlige Beherrschung des theoretischen Stoffes und Scharfsinn bezeugen, nicht eifrigst studiert hätte. Nur einiges Bedauern knüpft sich daran, daß Dichmann zu seinen Untersuchungen in Jurjewka meist ein für deutsche Verhältnisse zu gutes Roheisen zur Verfügung gehabt hat, weshalb er die Schwierig- * „Stahl und Eisen“ 1905, 1. Dez., S. 1337 u. ff.; 15. Dez., S. 1429 u. ff. ** Vgl. „Stahl und Eisen“ a. a. O.