Suche löschen...
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 11.08.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-191508112
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19150811
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19150811
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-08
- Tag 1915-08-11
-
Monat
1915-08
-
Jahr
1915
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Eisenbahner im Felde Der Krieg gegen Italien i Dit Lage der italienischen Herre mutz, wie man auf Umwegen aus italienischen Blättern erfährt, doch recht brenz lich sein, denn der italienische Justizminister Orlando, der btS jetzt an der Front weilte und eben erst zurückgekehrt ist, schildert selbst die Lage auf dem österreichischen Kriegsschau platz in den düstersten Farben. Die BertrtdtgungSwerke, die Schützengräben, die vielen natürlichen Hindernisse, welche die Oestrrrrtcher sich trefflich zunutze machten, die vorzügliche feindliche Artillerie, dir sich in fast unauffindbaren Stellungen befinde, alles trage dazu bet, den Vormarsch der Italiener zu verlangsamen. Geduld sei die erste Bedingung des Sieges angesichts eines solchen Gegners. Die Außerdienststellung bewährter italienischer Truppen führer wie des Generals Ragni und die semmrlwetchrn Be richte Cadorna» sind nicht geeignet, den italienischen Soldaten das entschwundene Selbstvertrauen wirderzugrben. Cadorna scheint für seine Mißgriffe andere Schuldige zu suchen. Sein neuester Bericht ist wieder einmal »ine glänzende Lobpreisung der italienischen Waffen. Dir Gebirgsartillerie soll plötzlich hervorragende Treffsicherheit besitzen, denn sie will auf einer Höhe von über 300 Metern vom Felsen des Crcavallo au» di« österreichischen Abteilungen, die sich auf Malga Paludez verschanzt hatten, verjagt.haben. ES sind wahrscheinlich nur Der Luftlamps wird von unseren Gegnern weiter in ver brecherischer Weise geführt. Ein französisches Luftgeschwader überfiel dir offene, außerhalb des Operationsgebietes liegende Stadt Saarbrücken und bewarf sie mit Bomben, durch wel che 9 Bürger getötet, 26 schwer und eine größere Anzahl leicht verletzt wurden. Militärischer Schaden wurde nicht an gerichtet. Zwei der an diesem nichtswürdigen Ueberfall be teiligten Flugzeuge tonnten bei Harbonny und Gondrexange durch unsere Kampfflugzeuge hrruntrrgeschossen werden. Drei weitere feindliche Flugzeug« konnten bei Dammrrkirch, am Schwarzen Ser und bet Ipern abgeschossrn werden. * * V. Lyon. Wir „Nouvelliste" meldet, wurde Popertnghr am Sonntag eine Stunde lang von der deutschen Artillerie beschossen; 22 Granaten fielen auf dir Stadt. Nach drm zehnten Schuß trat eine Pause rin, so daß dir Bevölkerung glaubte, die Beschießung sei beendet. Wenige Minuten später setzte das Feuer wieder ein und verursachte sehr bedeutenden Schaden. v Rotterdam, 10. August. Der Kriegsberichterstatter de» „Maasboten" auf englischer Seite meldet seinem Blatte aus Dünkirchen: Durch den letzten Angriff der Deutschen auf Hooge haben die Engländer viel zu leiden gehabt. Sie hatten in den angegriffenen Schützengräben Maschinengewehre aufge stellt, und hielten trotz des heftigen feindlichen Feuers stand. Ala sie aber die Schützengräben nicht länger halten konnten, bekamen sie Befehl, sich zurückzuztehen; nur ein englischer Korporal verblieb trotzdem noch auf seinem Posten, um sein Maschinen gewehr so lange zu bedienen, bis er mit Wunden bedeckt sich zurückschlcppen mußte. Präsident Poincarü und der Kriegs- Minister Millerand haben an der englischen Front die Mann schaften besucht, die die verloren gegangenen Schützengräben bet Hooge verteidigten und auch Auszeichnungen verteilt. v Loudon, 10. August. In der „Daily Mail" schreibt ein Oberst, baß ein lebhaster Handel mit ärztlichen Zeugnissen über Untauglichkeit zum Kriegsdienst stattsände. Tatsächlich untaugliche Leute meldeten sich zur Untersuchung und verkauften dann ihre ärztlichen Bescheinigungen. v Amsterdam. Seit Wochen enthält die englische Presse eine fast täglich erscheinende Rubrik mit der lakonischen Ueber- chrtft: „Aus dem Dienste entlassen." So zählt dir „Daily Rall" am Montag beispielsweise 4 Offiziere auf, die vom „Ernste Lage" 0. Petersburg, 10. August. Unter der Urberschrift „Ernste Lage" veröffentlicht Oberst MicharlowSki im „Rußkoje Slowo" an leitender Stelle einen Aufsatz, der in seltsamem Wider spruch zu den hoffnungsvollen Erklärungen der russischen amt lichen MUitärberichte steht. Mtchaelowskt schreibt: Die Lage auf der russischen Westfront bleibt nach wie vor sehr ernst. Die Deutschen zeigen noch immer kein Merkmal der Ermü dung und dringen unentwegt vor. Die Deutschen wollen uns auch von Norden umfassen, und wir müssen daher ent weder weiter nach Osten oder mit drm Gros unserer Streit- kräfte in das Gebiet zwischen Njemen und Weichsel zurück- gehen. Wir sind gezwungen, im Gouvernement Kowno und in Kurland der wetteren strategischen Umzingelung unS ener gisch rntgegrnzustellrn. Man muß restlos zugebrn, der Vor stoß unseres Gegners auf Riga ist überaus geschickt und tapfer organisiert. Die zensierte Duma o Petersburg, 9. Aug. Nach der „Nowoje Wrrmja" bemerkte Malkarow im Seniorenkonvent der Duma zu der Beschwerde des revolutionären BauernsührerS Kerenski, dessen Passus über die FrtrdenSwünsche vom amtlichen Stenogramm gestrichen wurde, wenn Kerenski nicht Dumamttglied gewesen wäre, verdiente er für seine Aeußerungen gehängt zu werden. In demselben Seniorenkonvent wurde festgestellt, daß der Kriegsoderzensor den Dumasttzungrn beiwohnt, um gemeinsam mit dem Präsidenten zu bestimmen, was aus dem amtlichen Stenogramm gestrichen werden soll. Ungesähr 10 Gouverneure, die nicht energisch genug gewesen seien, wurden jetzt vom Minister des Innern abgehetzt. Die Kämpfe im Weste« V Bei Hooze, östlich von Ipern, wo vor wenigen Tagen die Belgier zur Räumung einer vorgeschobenen Stellung gr- zwungen waren, hat sich jetzt ein neues Gefecht mit dem Uebrr- rest des belgischen Heeres entwickelt. Bei Souchrz unternah men die Franzosen vergebliche Handgranatenangriff« gegen unser- Stellungen; französische Gegenangriffe, dir in den West- argonnen gegen einen ihnen vor kurzem entrissenen Graben gerichtet waren, scheiterten völlig. In den Vogesen, nördlich von Münster, wurde nur noch an vereinzelten Stellen g«- kämpft, di» Kampfbewegung schlief aber allmählich ein. Kriegsgericht aus der Liste der Osfiziere gestrichen wurden. Dir Gründe hierfür werden nur in den seltensten Fällen an gegeben. Die Kämpfe in den Argonnen Genf, 9. August. Die fortgesetzten französischen Anstren gungen, die seit Monatsbeginn im Osten des ArgonnenwaldeS erlittenen schwer empfundenen Stillungsverluste wenigstens teilweise hrrrinzubringrn, führten in den letzten 24 Stunden zu Einzrlkämpfen, Befestigungen und BeobachtungSposten, so wohl in der Umgebung des fest Wochen stark umstrittenen Stützpunktes La Ftllr Morte wir nördlich Fontain'. hoytte. Die Deutschen bekundeten nach den Berichten unbefangener Beobachter überall entschiedene Urberlegrnheit. Der Bericht des Generals Humbert über die dortigen französischen Abwehr- Versuche lautet sehr gewunden. telbar bevorstehend angesehen werden. Mit dem Fall dieser stärksten Srrnzsrstung gelangt di« ganz« btfrstigtr Weichsel« linie in unseren Besitz und kann in den folgenden Kämpfen von den unseren al» wertvoller Stützpunkt benutzt werden. Auch auf dem südlichen Kriegsschauplatz geht eS vorwärts. Die Armer Woyrsch, dir sich al» rrstr den Weichselüberganl erzwungen hatte, drang in der Verfolgung des Feindes bst zur Straße Garwolin—Ryki vor. Sarwolin liegt 20 Kilo meter östlich der Weichsel Ryki etwa 30 Kilometer. Die beiden genannten Orte liegen rund 40 Kilometer auseinander. Daraus erhellt, daß der Vormarsch der Armee Woyrsch in beider Front erfolgt. Während der linke Flügel der Armee Woyrsch die Russen über den Wieprz zurück drängte, der be Iwangorod in die Weichsel fließt, machte der rechte Flügel weitere Fortschritte am Bug und erreichte die Straße zwischen Ostrow, 30 Kilometer östlich Lublin gelegen (und nicht mit drm Orte gleichen Namen» zwischen Bug und Lomza zu verwechseln) und UchruSk am Bug. Man begreift r» nach alle dem, daß di« französisch« Armeepresse völlig fassungslos gewordrn ist, da dir Petersburg« Meldungen in allem wesentlichen die äußerste Gefährdung der russischen RückzugS- linirn bestätigen, insbesondere dir kritische Lage von Nowo- georgiewsk, dessen einziger Ausgang, das zwölf Kllomrtrr breite Flußdelta von Weichsel und Bug, nur noch für Stunden dem deutschen Schwrrgrschützseurr entzogen bleiben dürft«. Frankreich ist fassungslos. ES erwartet nach der Einnahme der Weichselfestungen besorgt einen entscheidenden Hauptstoß der Verbündeten gegen die weichenden Zarenheere. Dir Mili- tärkritier sprechrn übereinstimmrnd ihrr Meinung dahin auS, daß die russische Offensive auf Monate lahmgelegt sei, da sich in wenigen Wochen das alles, was die russische Armee in hartnäckigen Kämpfen verloren hat, nicht wieder Herstellen läßt. In einem Monat bis 6 Wochen erwarten die besorg ten Militärkritikrr Frankreichs eine große neue Offensive der Deutschen. Sie klammern sich an die Hoffnung, daß in zwischen die industrielle Mobilmachung Englands und Frankreichs positive Ergebnisse gezeitigt haben und den Ver bündeten ermöglichen würden, allen deutschen Angriffen stand- zuhalten. * * o Rotterdam, 9. August. Nach dem „Rotterdamschrn Courant" meldet der Korrespondent der „Chicago Daily News" über die Räumung Warschaus: Tag und Nacht hörte man dir Explosionen von den Sprengungen der Fabrikrinrichtuugrn. Jedes Bruchstück der gesprengten Maschinen, ferner die kupfernen Telegraphendrähte und alles Kirchrngerät wurden nach Rußland gebracht. Das Getreide wurde vernichtet, die Dörfer dem Erdbodru glrichgemacht. Die Bewohner der Vor städte mußten sich in die Stadt begeben. Keine Zivilperson dars weiter als Brest-LttowSk reisen. Rings um Warschau wurden Feldbefestigungen aufgeworfrn. Mit der Räumung der Städte zwischen Warschau und Brest-LttowSk ist begonnen worden. Die Leute haben in letzter Zeit für Papier geld kein Brot mehr bekommen können. Dir meisten Läden waren geschlossen. Viele rufsrnfrrundliche Polen sollen ge flohen sein, da die deutschfreundlichen Polen angeblich «ine Liste von russensreundlichen ausgestellt haben, dir den Deut- schrn ausgrltrfrrt wrrden sollte. Dir Polizri hat süns drutsch- sreundliche Polen, dir vor der Wohnung «ine» russrnfrrund- lichen Polrn rinr Kundgebung veranstalteten, kurzerhand nirder- geschossen. Mehr als 5000 verwundete Soldaten sind zurück gelassen worden. o Warschau. Während die Russen von Praga aus ihr Feuer gegen Warschau richteten, bauten dir Deutschen ihre Deckungen an der Weichsel aus und begannen bei Morgen grauen den Urbrrgang über den Fluß. Daraus räumten die Russen schleunigst ihre Stellungen, nachdem sie den Haupt bahnhof, Häuser und Vorräte in Brand gesteckt hatten. o. Petersburg. Ein anscheinend nervenkranker Diener versuchte, den Minister des Auswärtigen, Sasanow, mit einem Beil zu töten. Er wurde sestgenommrn. Die gewaltig angelegte November-Offensive der Ruffen wa zum Steden gekommen. Zerschellt war die Brandung an der ehernen Mauer unserer Truppen. Bereit» machten sich an der russischen Front Schwierigkeiten in der Versorgung mit Munition und Verpflegung bemerkbar, nicht eben zum kleinsten Teil ver anlaßt durch die von unseren Eisenbahntruppen mit unerhörter Gründlichkeit vorgenommenen Zerstörungen der russischen Bahn körper. Es war hier ein Vernichtungswerk geschehen, wie eS in solcher Ausdehnung noch niemals vorgenommen wurde. Das beste Zeugnis für die Güte der geleisteten Zerstörungsarbeit waren die Berichte deS russischen Generalstabs selbst, die die Vernichtung der Eisenbahnen al» willkommenen Grund für da» Mißlingen der russischen Offensive angaben. Im Augenblick de» Stillstands der russischen Vorwärtsbewegung setzte auf deutscher Seite eine Umsassungsbewegung ein, die gegen die Rückzugslinte deS Feinde» gerichtet war und ihn zum Weichen zwang. Unaufhaltsam drängten unsere Truppen dem an Zahl immer noch gewaltig überlegenen Feinde nach. Nur schwer aber vermochten die deutschen Munition»- und Proviantkolonnen auf den immer schlechter werdenden Wegen den großen Heeressäulen zu folgen. Hier konnten nur Eisenbahner helfen. Die Bahnkörper aber waren noch von uns so gründlich zerstört worden, daß die Ruffen, abgesehen von einigen schwachen Notbauten, es nicht fertig ge bracht hatten, sie wieder herzustellen. Nun erhielten unsere Eisen bahnkompanien den Besehl, die eben erst von ihnen auf Monate hinaus zerstörten Linien in wenigen Wochen in eiliger, aber doch gründlicher Arbeit wieder herzustellen. Bei dem geregelten Ma terialnachschub auS Deutschland ging die Arbeit anfangs glatt von- statten. Bald aber sperrte aus einer der wichtigsten Linien eine große Brücke, bei der Träger, Ufer- und Pfeilerauslagen gesprengt waren, nachhaltig jede Eisenbahnverbindung. Wenn auch damals starke MaunschastSbestände an Eisenbahntruppen im Felde waren, so wurden sie doch überall gebraucht, so daß zunächst nur eine Kompanie für diesen Brückenbau zur Verfügung stand. In rast loser Arbeit, biS zu 16 Stunden täglich bei schlechten Witterungs verhältnissen, begannen sie das umfangreiche Werk, unterstützt von geübten Zivilarbeitern. Wenn auch alle Mittel der Technik an gewandt wurden, wie z. B. elektrisch angetriebene Gatter- und Kreissägen, Schrauben-, Schneide- und andere Werkzeugmaschinen, elektrische Beleuchtung der Baustelle usw., so ergab sich dennoch bald die Notwendigkeit, eine zweite Kompanie heranzuziehen. Diese übernahm die Nachtarbeitschtchten, so daß die überanstrengte Kom panie ihre Tagesschichten verkürzen konnte. Jetzt stieg die Ar beitsleistung bedeutend. Aber die Nachtarbeit war schwer. Eine Woche lang sahen die Leute die Sonne nicht. Regen, Schnee, Glatteis im Verein mit der Dunkelheit erschwerten ihnen die Tä tigkeit. Da wurde manch stille Heldentat vollbracyt! Jeder Fehl tritt auf dem unfertigen Bauwerk hatte den Sturz in die Tiefe zur Folge, auf den hartgefrorene» Boden oder in die schwarze Flut, die unten dahinrauschte. Aber in dem Bewußtsein, daß das deutsche Heer warte, wurden alle gührlichkeiten der Arbeit, der Unannehmlichkeiten, der mangelhaften Unterbringung und kargen Verpflegung gern und freudig getragen. Es währte nicht allzu lange und die Züge rollten über den Fluß und machten eine große Anzahl von Fuhrparkkolonnen für die weitere Versorgung des Heeres frei. Noch bevor die Strecke vor der Brücke fahrbar war, mußte die eine Kompanie aufbrechen, um den regelmäßigen Bahnverkehr im Vorgelände vorzuberetten. Sie durste die Fertigstellung deS Bauwerkes nicht abwarten. Anstrengende Marschtage sür die Truppe, dir da» Marschieren nicht derart gewöhnt war, wie die In fanterie, und die durch daS Mitführen von Werkzeug sehr behindert war, folgten. Auch waren nur wenige Tage am neuen WirkungS- ort Zett gelaffen, um Strecke, Bahnhof und Brücken wieder her- zustcllrn. Da hieß es, schnell schaffen, zumal da» Weihnachtsfest nahte, an dem die Züge den Truppen die Wethnachtssendungen zusühren sollten- Letder war lein WethnachtSwelter, Regen und arger Schmutz erschwerten die Arbeit und den Marsch zu den Baustellen. Vor dem eigentlichen Beginn der Tätigkeit waren umfangreiche Aufräumungsarbetten erforderlich, da die Russen ihre Notbrücken zerstört halten. Letztere waren aüereinfachster Art ge wesen. Aus Nebengeletsen entnommene Schwellen hatte man zu I trotzen Stapeln aufgebaut und darüber Bündel von Eisenbahn- chienen gelegt, um die Zwischenräume zu überbrücken. Beim I Rückmarsch hatten die Russen die Schwellen angezündet, wodurch ein Trümmerhaufen entstanden war. Ein förmliches Gespinst von krummgebogenen Eisenbahnschienen bedeckte die verkohlten Holzreste, so daß die Aufräumung deS Bauplatzes arg erschwert war. Durch die Schutthaufen hatten sich auch knietiefe Anstau ungen der in Rußland üblichen Schlammströme gebildet, so daß man zunächst nicht einmal sehen konnte, wohin die Fundamente der Bauwerke zu legen waren. Doch schritten Aufräumungs- und Bauarbeiten rasch fort. Der heranrückende heilige Abend gebot erneute Eile. Die Kompanie konnte am Christabend selbst 4 Uhr zu einer kleinen Feier abrücken. Diese Weihnachtsfeier in Feindesland war eindrucksvoll genug. Bei Fackelschein versammelten wir un» im Hof« einer verlassener Fabrik. Vergessen waren Schmutz und Regen, Krieg und Feindes land. Der Kompanteführer leitete in einer Ansprache, die er hielt unsere Gedanken in die Heimat. Dann wurden WeihnachtSliedei im Chor gesungen, und draußen stand die polnische Bevölkerum und lauschte. Ein glücklicher Zufall brachte e» mit sich, daß gerade zu diese Zett der erste Zug auf der neuen Strecke einlief und die Post für die Kompanie mitbrachte. Fast jeder erhielt sein Päckchen auS der Heimat, und deutsche Gutmütigkeit gab natürlich auch der armer Bevölkerung, besonder» den Kindern, beinahe zu reichlich ab. Au nächsten Morgen wurden die angefangenen Bauten rasch vollendet der WcihnachtSgottrSdienst deS deutschen MtstärpfarrerS besucht Der Hcimkehrenden wartete ein neuer Bauauftrag. In Eile wurdr da» Werkzeug verpackt, die Mannschaften zusammengezogrn und alles sür den Abmarsch vorbereitet. DaS Wetter hatte sich in zwischen weiterhin verschlechtert, eS regnete die ganze Nacht hin durch, es regnete auch am Morgen beim Abmarsch. Alle Straßer waren mit tiefer Schlammschicht überzogen. Schwersällig setzten sich die Gerätewagen in Marsch; sie waren diesmal besonders stark belastet, da alles zum Bau Erforderliche mitgenommen wer den mußte. Ein Heranführen mit der Bahn war ausgeschlossen, da die Fortsetzung der Strecke noch nicht sertig war. Immer schlimmer wurde da» Wetter, immer grundloser der Weg, uni dort, wo Seitengräben fehlten, stand der Schlamm bis an die Wagenachsen. Man kann sich in Deutschland von solchen Wege« schwer eine Vorstellung machen. Zum Regen war noch Schnee getreten, den ein scharfer Wind der Truppe inS Gesicht blies. Mehrfach mußte entgegenkommenden Kolonnen ausgewichen wer den. Die Felder neben den Wegen waren durchweicht und setzten ihren zähen Lehm an den Stiefeln fest. Dann führte der Weg über das Schlachtfeld. Er war stellenweise von Granate« aufge rissen. Die Kolonne blieb hoffnungslos stecken, wohl oder übel mußten wir die Wagen erleichtern und eine Wache bei dem zurück- bleibenden Gerät hinterlassen, da» in einem abgebrannten Gehöft untergebracht wurde. Die Ruffen hatten den ganzen Ort, der von deutschen Ansiedlern bewohnt war, Haus für Hau» ange zündet. Ein Deutscher, der mit Frau und Kindern in einem leeren Kartoffelkeller hauste, erzählte, daß die Ruffen alle Vorräte weg- schleppten und sich dann entferntem nachdem sie den Leuten be fohlen batten, zu Bett zu gehen. In der Nacht kamen sie zurück und zündeten lautlos alles an, so daß die Bewohner, die nicht verbrannten, nur daS nackte Leben retteten. Wetter ging es vorwärts, um an den Bestimmungsort noch bet Tag anzukommen; zum Abkochen und Esten war keine Zett- Mit Eintritt der Dunkelheit wurde der Bahnübergang erreicht, an dem ein Posten stehen sollte, um die Truppe in die Quartiere zu führen. Der Posten aber war nicht da. Der schlechte Weg hatte die Quartiermacher aufgehalten. Die Truppe machte halt, und im Dunklen mußte der Führer an der teilweise zerstörten Bahnstrecke entlangretten, um die Quartiermacher zu suchen; ein ! gefährlicher Weg, bei dem noch dazu Eile geboten war, mit Rück- D sicht auf die wartenden, frierenden und hungernden Leute. Zum! Glück gelang eö, die Quartiermacher auszuftnden; die ermüdeten! Mannschaften konnten vte Quartiere beziehen. In der Nacht noch ! wurden die Bagage- und Gerätewagen zusammenaezogen. / Am nächsten Morgen wurde das Werk der Wiederherstellung I der zerstörten Gleisanlagen in Angriff genommen. Die Russen > halten beim Abzug eine große Zahl von KonstrukttonSteilen vergra- W den, da es ihnen an Sprengmunition gefehlt hatte. Der Findig-! leit der Eisenbahner gelang es, die verscharrten Teile au allen! möglichen Orten ans Licht zu fördern, und diesem Umstande war ! es zu danken, daß der Bahnhof nach ganz kurzer Zeit fahrbar W wurde. Bald konnte es deshalb wieder weltergehen, bis an den ! Bahnhof vor der feindlichen Linie. Es war wieder ein böser! Marsch, jedoch glich er an Schwierigkeiten nicht den eben beschrie-! denen. Der Endbahnhof. wurde nun in Winterszeit da Eisenbahn- ! bauten nur schwer möglich sind, mit ganz besonderer Sorgfalt W wieder hergestellt und die bestehenden Gleisanlagen bedeutend er-M weitert; die Versorgung der nun stilliegenden Truppen mit allen M Winterbedürfnissen erforderte eine große Zahl an Zügen und Auf-M tellungsgleisen. Nach allen Richtungen wurden Kommandos ent-W sankt, um Verbesserungen und Wiederherstellungen der Bahnan-! lagen und Brücken vorzunehmen und um ein neues Vorgehen im! Frühjahr vorzuberelten. Auch die Quartiere wurden ausgebaut, D die technisch gut vorgebildeten Eisenbahner stellten Wasterstalionen, I Lichtanlagen, sowie Desinsektions- und Badeanstalten her, um den I Gesundheitszustand der Truppen auf der Höhe zu halten. Solche FriedenSarbeit lähmt aber den Geist der Truppen D durchaus nicht. Ais die Frühjahrsoffensive emsetzte, stürmten mit I unserer Infanterie auch die Eisenbahner voran, immer den mar- I schielenden Truppen auf den Fersen, ost genug in den Bereich de» W feindlichen Feuers hinein. Bei allen neuen Strapazen und I Mühen aber blieb die Erinnerung an jene schweren Muttertage I wach, die an Kraft und Hingebung daS letzte von der Truppe D verlangt, sie aber auch geschult hatte, kommenden Anforderungen W mit Gleichmut entgegenzusehen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)