Volltext Seite (XML)
bar hinter dem Monarchen folgten die männlichen Verwandten Krupps, das Gefolge des Kaisers, die Generalität, die Minister, die Vertreter der Armee, der Marine, der Behörden, das Direk torium u. a. In gleich tiefem Ernst schritt der Kaiser zu Fufs bis zum Friedhof, eine Entfernung von gut einer halben Stunde. Wieviele Tausende das Trauergefolge zählte, und wieviele Tausende an den Strafsen und Plätzen und in den Fenstern standen, ist schwer abzuschätzen. Die Fülle der Kränze und die Gröfse des Zuges kann nur der Umstand andeuten, dafs 1400 Arbeiter zu den je zwei Mann zählenden Kranzabordnungen des Zuges herangezogen werden mufsten. Die an den Strafsen in Spalier stehenden Kruppschen Arbeiter und Vereine schwenkten später in den Zug ein. Nach 11 Uhr erreichte die Spitze des Zuges den Friedhof, hier war nur einer beschränkten Anzahl von Trauergästen der Zutritt gestattet. Die Ansprache am Grabe hielt Superintendent Klingemann, dann ergriff noch der Vorsitzende des Direktoriums, Landrat a. D. Rötger, das Wort zu folgendem Nachruf: „An dieser Gruft mufs auch einer der Werks angehörigen zu Worte kommen, einer von denen, die dem Entschlafenen in der gemeinsamen Arbeit beson ders nahe standen. Bei seiner Abneigung gegen ein Hervortreten in die Öffentlichkeit ist ja sein edles Wesen, seine hohe Intelligenz, sein vornehmer Charakter nur wenigen und unter diesen besonders denen in vollem Mafse bekannt geworden, welche mit ihm an seinem Lebenswerk arbeiten durften. „Von zarter Gesundheit, seit früher Jugend ge nötigt, zeitweise im sonnigen Süden Kräftigung zu suchen, war es für ihn an sich schon eine schwere Aufgabe, die ihm von der Vorsehung an vertraute geniale Schöpfung seines Vaters als das nationale Gut, das sie war, zu erhalten. Vor aller Augen liegt die gewaltige Entwicklung der Werke in den letzten 15 Jahren, die seit Alfred Krupps Tode vergangen sind. Der Sohn, um den wir jetzt trauern, hat sich nicht damit begnügt, in den überkommenen Bahnen weiterzugehen, vielmehr sind auf seine Initiative neue Wege betreten worden und in diesen ist für die Machtstellung des Vaterlandes, für den Ruf deutscher Arbeit auf dem ganzen Erdenrunde recht Bedeutsames geleistet worden. Niemand wird leugnen, dafs die Kruppschen Werke heute für die Wehrkraft des Deutschen Reiches zu Lande und zu Wasser eine höhere Bedeutung haben als vor 15 Jahren; sie sind mit den Aufgaben des Vaterlandes gewachsen, und dafs sie das konnten, das ist wesentlich das Verdienst des Ver ewigten. Ich will freilich nicht verkennen, dafs nicht nur industrieller Scharfblick hier im Spiele war; warme patriotische Begeisterung für seinen erhabenen Kaiser und für des Vaterlandes Wohl und Gröfse, ist— damit trifft man gewifs das Richtige — die Grundlage ge wesen, aus der seine Entschliefsungen herauswuchsen. Seine persönliche Mitwirkung bei diesen Er weiterungen und den gewaltigen Erfolgen ist wegen seiner bescheidenen Zurückhaltung in der Öffentlichkeit und selbst in näherstehenden Kreisen viel zu wenig gewürdigt worden. Aber seine Mitarbeiter in der Leitung des Werkes können es bezeugen, wie er mit scharfem Blick, mit grofsem Zuge das, was für die Weiterentwicklung der Werke notwendig war, erkannt, mit hartnäckiger Überzeugung trotz vieler Schwierig keiten an dem Gedanken festgehalten und in weit herziger Weise die zur Erreichung seiner Ziele erforderlichen, häufig grofsen-Mittel bereitwilligst zur ( Verfügung stellte. Der Grundsatz, den erzielten । Gewinn zur Vergröfserung und Verbesserung der Werke | zu verwenden, mit dem der Vater sein grofses Werk j schuf, war auch der seine. Er hat sich nie gescheut, 1 alle Mittel, die ihm die Erfolge in die Hand gaben — und zeitweise mehr — sofort wieder in seinen Werken festzulegen, und damit vielen Arbeitern Verdienst und der nationalen Wirtschaft neue fruchtbringende Werte zuzuführen. Neben dieser weitschauenden Initiative ist für die Entwicklung seiner Werke von hoher Bedeutung gewesen, dafs er die Gabe besafs, die ' Organisation trotz des grofsen Wachstums der Werke auf der Höhe zu erhalten, und dafs er trotz seines persönlichen Interesses an der Durchführung der gestellten Aufgaben den von seinem Vertrauen getragenen Mitarbeitern freien Spielraum zur Entfaltung ihrer indi viduellen Fähigkeiten in weitestem Mafse liefs. Wahrlich, das sind nicht gewöhnliche Eigenschaften, Eigenschaften von hervorragender Wichtigkeit für Leiter grofser Unter nehmungen, Eigenschaften, die mindestens beweisen, dafs er ein Mann von gröfserer Bedeutung war, als ihm die Mitwelt im allgemeinen zuzugestehen bereit war. Und nun ein anderes. Auf den Höhen der Menschheit | wandelnd, ist er ein wahrhaftiger Vater und Freund gewesen für alle die Seinen. Den schönsten Teil seiner grofsen Lebensaufgabe fand er darin, für das geistige und sittliche Wohl und für das leibliche Wohlbefinden seiner Werksangehörigen zu sorgen. Die Fortschritte, die im Laufe der letzten 15 Jahre auf der Gufsstahl- fabrik im Wohnungswesen, in der Altersversorgung, ' im Bildungswesen gemacht wurden, sind allbekannt I und sie sind im wesentlichen auf seine persönliche | Anregung und bis ins einzelne gehende Mitarbeit ’ zurückzuführen. In manchen treuen Arbeiters traurigem | Blick habe ich die Frage gelesen — sie ist mir auch schon gestellt worden: Was wird werden, wo wir die persönliche Fürsorge unseres edlen Herrn nicht mehr haben ? Nun, ich glaube, hier braucht niemand besorgt : zu sein: Sein Geist wirkt nach; seine und seines Vaters Schöpfung wird bestehen; sie ist so fest gegründet, so lebensfähig, dafs kein Zweifel daran aufkommen | kann. Sein humaner Sinn gab sich am schönsten kund im persönlichen Verkehr mit seinen Beamten und Ar- 1 heitern. Wird nicht einem jeden von uns das Herz warm bei der Erinnerung an die Liebenswürdigkeit, Güte und Freundlichkeit, die jeder zu seinem Teil erfahren durfte ? Welch furchtbares Verhängnis, dafs gerade diesem Manne unter den Grofsindustriellen solch schreiendes I Unrecht geschehen mufste. Seiner Majestät, dem Kaiser und Könige, unserem allergnädigsten vielgeliebten 1 Herrn, schulden wir unvergefslichen heifsen Dank, dafs Allerhöchstdieselben durch die heutige hochherzige , Ehrung der richtigen Würdigung unseres Verstorbenen | die Wege geebnet haben. Wir dürfen hier diesem Danke ehrfurchtsvollen Ausdruck verleihen. Wir alle, die wir ihn gekannt haben, wissen, dafs wir ' heute der Edelsten und Reinsten Einen zur letzten i Ruhe betten, geschmäht und verleumdet nur von solchen, die ihn überhaupt nicht kannten. Wir wissen, seine sittliche Gröfse wird nicht getroffen von dem Schmutz, mit dem niedrigste Gesinnung und Parteihafs ihn bewarfen. Eine Schmach vor der ganzen Welt für unser Deutschland, dafs Deutsche zur Wiedergabe ausländischer Erfindungen gemeinster Art gegen einen Zeitgenossen dieser Bedeutung sich erniedrigten. Ein Mann von Bedeutung, ein Mann von grofsen Erfolgen, ein Mann von Herz, ein Mann vornehmster Gesinnung, ein Mann von gröfster Pflichttreue, ein Mann von der glühendsten Begeisterung für seinen Kaiser und das Vaterland: so hat er unter uns gelebt und so wird sein Andenken unter uns allen fortleben. Wir aber ge loben Dir, teurer Toter, dafs wir in Deinem Geiste und unter Deinem Segen unsere Arbeit fortsetzen wollen.“ Nachdem der Schlufschor verklungen war, ! fuhr der Kaiser zum Bahnhofe, wo er an das