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204 Stahl und Eisen. Ueber elektrische Umkehr - Walzenstraßen. wenn der Ofen bis zur Unterkante Gasfang gefüllt ist. Keine dieser Füllmaterialien dürfen von der Gicht in den Ofen gestürzt werden; dieselben würden sich sonst so dicht Zusammen legen, daß kein Wind in den Ofen einzublasen wäre. Man füllt diese Materialien vielmehr mit Körben, welche über leichte Winden laufen, ein, und breitet sie von Hand möglichst gleichmäßig aus, was möglich, weil kein Feuer, also keine Gas bildung vorhanden ist. Wenn man mit der Füllung in die größeren Querschnitte des Ofens gelangt, füllt man den Koks von zwei bis drei Gichten hintereinander zwecks besserer Verteilung; ebenso verfährt man mit der Menge der Beschickung. Nachdem der Ofen ganz gefüllt ist, bläst man durch die Formen Wind in den Ofen, wel cher allmählich erwärmt wird. Sollte trotz be stimmter Anweisung ein Teil der Materialien von der Gicht in den Ofen gestürzt sein, so daß der Ofen beim Anblasen keinen Wind an nimmt, dann müssen zwei gegenüberliegende Windformen nebst Kühlkasten entfernt und aus den so entstandenen Oeffnungen so lange Ma terialien ausgezogen werden, bis sich der Ofen inhalt an der Gicht rührt. Dann können die Windformen wieder eingelegt werden, und wird der Wind Aufnahme finden. Wenn der Wind eine Temperatur von 320 bis 350° erreicht hat, entzündet sich damit der Koks im Gestell. Wenn man es für nötig halten sollte, zuerst Holzkohle in das Gestell zu füllen, so erfolgt deren Entzündung schon bei einer Windtemperatur von 120 bis 130°, also viel früher. Man bläst im Anfänge mit Düsen oder Futter von 40 mm lichter Weite und 5 cm Pressung. Die Pressung erhöht man von 3 zu 3 Stunden um 5 cm, so daß man nach 6 Stunden mit 20 cm bläst, welche Pres sung man zunächst beibehält. In welchem Maße der eingefüllte Koks ver gast wird, wann also bei der so eingeblasenen Windmenge die erste Schlacke zum Laufen ge bracht werden kann, läßt sich demnach ab schätzen. Das erste Eisen wird abgestochen, nachdem man weitere 3 bis 4 Stunden geblasen hat. Nach dem Anblasen erhöht man den Satz allmählich, so daß man nach 2 bis 3 Tagen auf den gebräuchlichen Erzsatz kommt. Auch er weitert man die Düsen oder Futter in demselben Maße, so daß man innerhalb derselben Zeit die gebräuchlichen lichten Weiten erreicht. Ebenso verfährt man mit der Steigerung der Pressung und der Temperatur des Windes. Man darf sich jedoch durch schöne Schlacke und gares Eisen nicht verleiten lassen, die Wind menge rascher zu steigern, weil sonst sicher Oberfeuer entsteht, welches sehr schwer und manchmal gar nicht zu beseitigen ist. (Für das gute Befinden eines Hochofens gelten die Anzeichen wie beim Menschen: „Kalter Kopf und warme Füße“.) Wenn die Gichten mit der größten zulässigen Beschickung in das Gestell gerückt sind, kann man, ohne Oberfeuer befürchten zu müssen, die gebräuch liche Menge und Temperatur des Windes anwenden. Auf einem neuen Werke trocknet und heizt man bei Inbetriebsetzung des ersten Hochofens die steinernen Winderhitzer vor der Zeit der Füllung des Hochofens mit Gasen an, welche in besonderen Generatoren oder in Koksöfen er zeugt werden. Die Anlage von Generatoren empfiehlt sich auch, um später, im Falle von Störungen des Betriebes, Gase sowohl für die Winderhitzer, als die Gasmaschinen zu erzeugen. Vorstehende Art der Inbetriebsetzung von Hochöfen hat auch einen wesentlichen Einfluß auf einen andern Teil des Hochofenbetriebes — das Dämpfen — ausgeübt.* Wenn man Zeit hat, wird man in einem solchen Falle den Ofen mit Gichten wie beim Anblasen füllen. Jeden falls aber wird man bestrebt sein, alle Teile des Ofens, also auch das Mauerwerk, möglichst vollkommen gegen den Eintritt der Luft abzu schließen, so daß das Feuer im Ofen womöglich ganz erlischt. Der Ofen kann dann beliebig lange außer Betrieb bleiben und nach obiger Anleitung jederzeit und rasch wieder in Betrieb gesetzt werden. Damit ist auch die einzigste unmittelbare Schädigung, welche ein Streik dem Betriebe eines Eisenhüttenwerkes zufügen kann, unwirksam gemacht. * „Stahl und Eisen“ 1889 8. 991 ; 1899 S. 723 und 8. 1101. Ueber elektrische Umkehr-Walzenstraßen.* Von Ingenieur 0. Strack in Neunkirchen. D er gleichnamige Aufsatz von Lambrecht in dieser Zeitschrift ** veranlaßt mich, auf etwas hinzuweisen, was dort nur angedeutet ist, das aber die eingehendste Beachtung verdient. * Wenn auch gegen die Richtigkeit dieser Vor schläge vom theoretischen Standpunkte nichts ein zuwenden ist, so dürfte die praktische Ausführung derselben auf Schwierigkeiten stoßen. Die Red. ** „Stahl und Eisen“ 1908 Nr. 47 S. 1692. Die Anwendung der Leonard-Schaltung ohne Ilgner-Umformer, wie sie Lambrecht empfiehlt und wie sie vereinzelt schon ausgeführt wurde, eröffnet nämlich dem elektrischen Antrieb in Hüttenwerken und ganz besonders in Walzwerken viel günstigere Aussichten, als er sie bisher schon hatte. In Abb. 1 und 2 sind als Antriebs- inaschinen die heute.wohl noch in erster Linie in Frage kommenden Kolbengas- oder Kolben-