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124 Stahl und Eisen. Experimentelle Untersuchung des Thomasprozesses. 29. Jahrg. Nr. 4. als sie nachher dem Bade wieder zurückge- führt wird. Bei der Charge 1 steigt der Schwefel kalziumgehalt im Bade von der zehnten bis zur zwölften Minute beträchtlich an, eine Tatsache, die sich auch mit dem Wechsel des Schwefelgehaltes dieser Charge deckt. Sodann verdünnt sich das Schwefelkalzium wieder im Bade, weil in diesem Momente bedeutende Mengen Phosphorsäure hinzukommen und außerdem noch in diesem Stadium Magnesia aus dem Futter gelöst wird. Die Kieselsäure steigt namentlich bei Charge 1 beträchtlich bis zur dritten Minute an, um sodann wieder abzunehmen und in der zehnten Minute auf ein Maximum zu kommen, während dann von der zehnten bis zur fünf zehnten Minute die Konzentration der Kiesel säure im Bade abnimmt. Das beträchtliche Ansteigen des Kieselsäuregehaltes hat seine Ur sache in der rasch einsetzenden Verbrennung des Siliziums. Der Kieselsäuregehalt der Chargen 1 und 2 weist zwei Maxima auf, die beinahe mit dem Maximum des MnO-Gehaltes identisch sind Von einer Zurückführung des Siliziums durch Re duktion der Kieselsäure in das Bad kann nach den obigen Angaben über die Siliziumgehalte nur in ganz beschränktem Maße die Rede sein; doch ist zu bedenken, daß wahrscheinlich diese dem Mangan ähnliche Rolle des Siliziums leicht übersehen wird, wenn man nicht im richtigen Augenblick die Probe genommen hat. Sehr interessant und lehrreich ist der Ver lauf des Eisenoxydulgehaltes. Es zeigt sich, daß bei Charge 1 das Eisen bis zur dritten Minute verbrennt, um sodann wieder in das Bad zurückgeführt zu werden. Von der fünften bis achten Minute bleibt der Eisenoxydulgehalt aut etwa 3 °/o stehen, steigt dann in der zehnten Minute auf 41/2 °/o, es findet hier eine Eisen- oxydulreduktion statt, in diesem Falle, wenn auch nicht in beträchtlichem Maße, durch den Phosphor. Von der zwölften bis zur fünf zehnten Minute steigt der Gehalt an Eisenoxydul von 4 °/o auf beinahe 25 °/o. Es zeigt also dieser Verlauf deutlich, daß bei der Charge 1 das Eisen ebenfalls wie das Mangan verbrannte und das gebildete Oxydul reduziert worden ist, um so dann wieder zu verbrennen und Wärme zu liefern. MetallographischeUntersuchung. Gleich zeitig mit der chemischen Zusammensetzung verändert sich der Aufbau des Materiales. Um auch diesen verfolgen zu können, wurden charakteristische Proben aus beiden Reihen metallographisch untersucht. Folgende Metall proben wurden zu dieser Untersuchung heran gezogen: Charge 1: Roheisen und Nr. 1, 2, 4, 6, 7, 8, Fertigstahl; Charge 2: Nr. 1, 3, 4, 5, 8 (vergl. Zahlentafel 3). Wenn auf den ersten Blick auch die Auf gabe schwierig erscheint, ein so komplexes System, wie kohlenstoff-, schwefel-, phosphor-, mangan- und siliziumhaltige Eisenlegierungen metallographisch bestimmen zu wollen, so ist es doch möglich, wie nachstehende Ueberlegung zeigt, immerhin interessante Aufschlüsse zu er halten. In dem Roheisen sind Kohlenstoff und Phosphor diejenigen Elemente, welche beim Ge fügeaufbau den Hauptanteil tragen. Wie einer der Verfasser an reinen Eisen-Phosphor-Kohlen stofflegierungen gezeigt hat,* findet die Er starrung eines phosphorhaltigen Roheisens in der Weise statt, daß ein binäres Eutektikum von eisenreichen Mischkristallen und Zementit aus kristallisiert. Da dieses binäre Eutektikum in mitten einer flüssigen Masse fest wird, können seine beiden Bestandteile, die Mischkristalle sowohl wie auch der Zementit, ungehindert aus kristallisieren, und es lassen sich auf einer solchen Probe tannenbaumförmige Mischkristalle neben nadelförmigen Zementitkristallen feststellen. Dieses Gemisch bildet, wie Abbildung 1 zeigt, die Hauptmasse des Roheisens. Durch das Festwerden eines phosphorarmen binären Eutektikums Mischkristalle - Zementit reichert sich die Mutterlauge mit Phosphor an, bis sie die Zusammensetzung des ternären Eu tektikums angenommen hat, welche nach den Versuchen des Verfassers bei etwa 2 °/o C, 6,7°/o P und 91,3% Fe liegt. Bei rd. 950 0 C. erstarrt auch dieser phosphorreiche Rest in Form eines ternären Eutektikums aus Mischkristallen, Eisenphosphid und Zementit. Da während der Erstarrung dieses ternären Eutektikums die Hauptmasse bereits fest geworden ist, muß das selbe in dem zwischen den Gefügebestandteilen des binären Eutektikums noch übrig gebliebenen Raum zu Erstarrung gelangen. Wie Abbild. 1 zeigt, läßt sich zwischen den dunklen reihen förmig angeordneten Mischkristallen und den weißen Zementitnadeln ein grauer Bestandteil erkennen, welcher bei 600 facher Vergrößerung ein gesprenkeltes Aussehen aufweist, wie es sich bei eutektischen Legierungen meist beobachten läßt. Daß wir es hier tatsächlich mit dem ternären Eutektikum Mischkristalle, Zementit- Phosphid zu tun haben, wurde nach einer bereits früher beschriebenen** Methode (Aetzen mit nach folgendem Anlassen) nachgewiesen. Durch diese Behandlung färben sich die Zementitlamellen des binären Eutektikums lachsfarben, die Misch kristalle zeigen perlitische Struktur. Abbild. 2 zeigt das Aussehen einer geätzten und ange lassenen Probe in 600 facher Vergrößerung. Die großen rundlichen Knoten sind Mischkristalle des binären Eutektikums mit teilweise lamellarer * F. Wüst: »Beitrag zum Einfluß des Phosphors auf das System Eisen - Kohlenstoff«; „Metallurgie“ 1908 Bd. 5 8. 73 (vergl. „Stahl und Eisen“ 1908 Nr. 13 8. 480). ** Wüst, a. g. 0.