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734 Stahl und Eisen. Das Eisen in der Eisenbahn nach Beschaffenheit, Form und Masse. 23. Jahrg. Nr. 12. und ist heute auf etwa 180 kg,'m angewachsen. Bezüglich der angegebenen Eisengewichte bei j Holzquerschwellen-Geleisen ist zu beachten, dafs in England der Stuhlschienen-Oberbau und in | den anderen Ländern der Breitfufsschienen-Ober- bau benutzt wird und dafs in amerikanischen | Geleisen etwa um die Hälfte mehr Holzschwellen Verwendung zu finden pflegen, als in Europa. I Die sämtlichen dabei in Frage kommenden Ober bausysteme können jedoch zur Zeit noch nicht | als mustergültig angesehen werden. Insbesondere i darf man auch bezweifeln, ob bei der englischen Stuhlschienen-Konstruktion die wirtschaftliche Seite mehr zu ihrem Recht gekommen ist, wie bei der Anordnung des Breitfufsschienen-Ober- baues. Immerhin bleibt die Tatsache bestehen, dafs die in den Oberbau-Konstruktionen mit Breitfufsschienen steckenden Eisenmassen im all gemeinen stets zu gering gewesen sind, was ich in der bereits erwähnten Arbeit, der „Kritik des Eisenbahngeleises“, an der Hand von Tatsachen dargetan habe. Dies führt um so mehr zu einem Mifsverhältnis, als auch die Lokomotiven und Wagen hinsichtlich ihrer Bauart und der dadurch bedingten ungünstigen Beanspruchung der Geleise noch recht viel zu wünschen übrig lassen. Welche hervorragende Bedeutung im übrigen der Eisenbahnbau für die Eisenindustrie hinsicht lich der Verwertung des Eisens hat, wird man sich vergegenwärtigen, wenn man die Masse des in den gesamten Eisenbahnnetzen der Welt ent haltenen Eisens sich vorstellt. Nach den Auf zeichnungen der Statistik* betrug im Jahre 1900 die Länge der durchgehenden Eisenbahngeleise in Europa Amerika Asien Afrika Australien 283 525 402 171 60 301 20 114 24 014 km also zusammen rund 790100 km. Zu diesen Längen sind aufser den (nur einmal gezählten) zweiten und dritten Geleisen mehrgeleisiger Bahnen auch noch die sämtlichen Nebengeleise der Bahn höfe hinzuzurechnen. Bei den Eisenbahnen Deutschlands stand das Verhältnis im Jahre 1900 so, dafs, während die Länge der durchgehenden Bahnstrecken sich auf 49 930 km belief, die Länge der sämtlichen Geleise einschliefslich der zweiten und dritten Geleise sowie der Neben geleise 93 241 km, also nahezu das Doppelte dieser Längen ergab. Nun kann man freilich die wirkliche Länge der Schienenstränge der ganzen Welt nicht etwa nach. dem Exempel der deutschen Bahnen berechnen. Weder die zwei- und dreigeleisigeu Strecken, noch die Zahl der Bahnhöfe und der für dieselben ausgebauten Ran gier- und Nebengeleise sind in den verschiedenen Ländern auch nur annähernd gleichartig ent wickelt, und es begreift sich, dafs beispielsweise in Rufsland (Sibirien) die Länge der Bahnhofs- * „Archiv für Eisenbahnwesen“, Berlin 1902, Heft 3 8. 507 ff. und Nebengeleise zu den durchgehenden Betriebs geleisen einstweilen nur in einem sehr bescheidenen Verhältnis steht. Wenn man aber auch statt der beinahe verdoppelten Länge, wie sie sich für die deutschen Bahnen ergibt, für das gesamte Eisenbahnnetz der Welt der statistisch ange gebenen Geleislänge von 790 100 km nur die Hälfte hinzurechnet, und die daraus entstehende Kilo meterzahl zu einem mittleren Eisengewicht von 100 kg f. d. Meter veranschlagt, würde sich für 1 185150 km eine Gesamtmenge von 118 515 000 t Eisen ergeben. Hierbei sind die gewaltigen Eisen massen ganz aufser Anschlag geblieben, welche in Anschlufsbahnen und industriellen Werksgeleisen, in Hafenbahnen, Strafsenbahnen , Kleinbahnen sowie in Gruben-, Hütten- und Feldbahngeleisen enthalten sind. Fast alle Eisenbahnverwaltungen sind nun mehr ernsthaft bemüht, ihre Geleise weiter zu verstärken. In welcher Weise das zweckmäfsig zu geschehen hat, ist allerdings noch strittig. An der einen Stelle sucht man das Heil in der Verstärkung der Schienen, an der anderen in der Vermehrung der Schwellen. Ich bin der Ansicht, dafs alle Teile des Eisenbahngeleises unter einem einheitlichen Gesichtspunkte ver stärkt und harmonisch durchkonstruiert werden müssen. Erst dann wird das Eisen seinen Beruf im Eisenbahngeleise ganz erfüllen, wenn es nach Beschaffenheit, Form und Masse diesem Zwecke aufs beste angepafst ist. Bekanntlich werden noch gegenwärtig als Schienenunterlage vor wiegend Holzschwellen verwendet; insbesondere ist das in Ländern wie Rufsland, Schweden und Amerika die Regel. Von den deutschen Haupt bahnen waren im Jahre 1900 48 000 km mit Holzschwellen und 17 000 km mit Eisenschwellen versehen. Die Bevorzugung der in Deutschland bis dahin zum gröfsten Teil aus dem Auslande, und zwar zu zwei Dritteln auf dem Wasserwege bezogenen Holzschwellen ist, abgesehen von ihrer Bewährung gegenüber manchen verlassenen Syste men des eisernen Oberbaues, nicht nur auf öko nomische Gründe, sondern auch auf volkswirtschaft liche und zum geringen Teil auf agrarische Erwä gungen zurückzuführen. Dieser Bevorzugung ist allerdings eine Eigenschaft der Holzschwelle förderlich, welcher bei der Querschnittsbildung der Eisenschwellen lange Zeit nur ungenügend Rechnung getragen wurde, nämlich die tiefe und massige Lagerung der Holzschwelle in der Bettung, welche das Gestänge nicht unwesentlich gegen Verschiebungen der Schwellen und gegen Er schütterungen sichert. Zu bedenken ist aber, dafs bei der durchschnittlich kurzen Haltbarkeit und dem ungleichmäfsigen Verschleifs des Holzes der für alle Geleise erforderliche Schwellenbedarf einen nachgerade ungeheuerlichen Umfang er reichen müfste, weshalb man in manchen Ländern sich schon der Kosten wegen gezwungen sehen