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730 Stahl und Eisen. Dan Einen in der Einenbahn nach lienchuffenheit, Form und Masne. 23. Jahrg. Nr. 12. Hüttenwerke unterhalten chemisch-analytische La boratorien. Neuerdings ist man indessen zu der Erkenntnis gekommen, dafs man neben den chemischen Vorgängen mehr als bisher auch den Einflufs mechanischer und physikalischer Faktoren zu beachten hat. Erst das häufige Versagen chemischer Untersuchungen, namentlich die Bosheit gebrochener Schienen, manchmal prächtige Analysen zu geben, während zur Kon trolle untersuchte, gut bewährte Exemplare ge legentlich Ziffern lieferten, die man niemandem zeigen mochte, mufsten auch die Nichteingeweihten stutzig machen. Wir Eingeweihten wissen, wie oft es vorkommt, dafs ein Roheisen- oder Flufs- stahl sich sonderbar benimmt, ohne dafs die che mische Untersuchung eine Abnormität nachweist. Man hat gegenüber früheren Auffassungen längst eingesehen, dafs bei der Stahlbereitung nicht nur der Kohlenstoff eine sehr erhebliche Rolle spielt, sondern dafs dabei auch noch andere Stoffe grofse Bedeutung haben. So ist z. B. ein gewisser Siliciumgehalt für einen guten und vor allen Dingen dichten Stahl Grundbedingung. Da das Silicium beim basischen Verfahren nicht in genügender Menge im Stahl erhalten werden kann, so mufs es nach Beendigung des Prozesses dem Stahlbade zugeführt werden. Ich will hier auf die hüttenchemische Seite der Stahlbereitung, so sehr sie auch gerade für die Herstellung von Eisenbahnmaterial Bedeutung hat, nicht näher eingehen und nur in Kürze noch ein paar Worte über das Gefüge des Stahlblocks sagen. Wir wissen, dafs im Stahl kein absolut homogener Stoff vorliegt, sondern ein kristallinisch körniges Gemenge. Solch ein Gebilde kann sich lockern, namentlich durch mechanische Formver änderung und durch thermische Dehnungen. Frei lich wird ein zähes Material wie Eisen seinen Zusammenhang so leicht nicht verlieren. Tat sächlich tritt dies aber ein, wenn man den Block über eine bestimmte Temperatur, die beim Stahl noch erheblich unter dem Schmelzpunkt liegt, erhitzt. Es ist dies das Verbrennen des Stahls. Dasselbe ist bisweilen eine Folge grofser Unauf merksamkeit beim Anwärmen der Blöcke vor dem Auswalzen. Ein stark verbrannter Block zer bröckelt zwischen den Walzen und wandert in den Schrott. Das Gefährliche sind teilweis und nesterweis gelockerte Blöcke, welche sich trotz dem anstandslos fertig walzen lassen. Sie er geben jene Schienen, welche in rätselhafter Weise brechen, ohne dafs an den Stücken weder chemisch noch mechanisch eine schlechte Beschaffenheit nachweisbar ist. Die Erscheinung von moleku laren Spannungen, welche zuweilen auch bei weichstem, basischem Material beobachtet sind, findet in solchen partiellen Auflockerungen, die vielleicht durch Saigerungen vorbereitet waren, ihre Erklärung. Sie kommen aber in der Regel nur in neuen Betrieben vor, wo sie im Laufe der Jahre auch ganz von selbst verschwinden, weil hier wie überall das Imponderabile der ge- | schickten Handhabung die Herrschaft übertausend 1 kleine Tücken der Objekte gewinnt. Fragen wir uns heute, welche Beschaffenheit des Eisens den Anforderungen des Bahnbetriebes an das Geleis am meisten gerecht wird, so wird | die allgemeine Antwort dahin lauten, dafs sich j für die Schienen ein Stahl von mindestens 60 kg Festigkeit auf das Quadratmillimeter am besten | eignet, was je nach dem Silicium- und Mangan gehalt einem Kohlenstoffgehalt von 0,25 bis : 0,35 °/o entspricht. Nach meinen in jüngster Zeit gemachten Erfahrungen sollte die Festigkeit nicht unter 70 kg betragen; für Strafsenbahn- schienen müfste man sogar bis zwischen 75 und ' 85 kg heraufgehen. Die Anforderungen an die Beschaffenheit der Schwellen und Befestigungs teile sind anderer Art. Das Material der Quer schwellen kann ein weicheres Flufseisen sein, weil es ja nicht der unmittelbaren Radwirkung ausgesetzt ist und durch Unterlagsplatten eine schützende breite Druckfläche erhält, so dafs hierfür ein Material von 40 bis 50 kg Festigkeit ausreichend erscheint. Schweifseisen hat bekannt lich nur ungefähr 36 kg Festigkeit, eine Zahl, die bei mehreren von mir untersuchten Schienen aus der früheren Epoche noch nicht einmal er reicht ist. Das, was an der nötigen Festigkeit heute von der Schiene verlangt wird, ist durch die Hüttentechnik, namentlich im Bessemerstahl, stellenweise weit Überboten. Eine andere ungemein wichtige Eigenschaft des Schienenstahls ist die Härte. Wir fassen Härte in rein mineralogischem Sinne auf als Widerstand gegen Einritzen. Ob diese an sich wertvolle Eigenschaft auch bei der Wechsel wirkung von Schiene und Rad die ausschlag gebende Rolle spielt, das läfst sich nicht so ohne weiteres sagen. Härte bietet im allgemeinen gewifs eine Gewähr gegen Abnutzung. Im Eisen bahnbetriebe kommen aber mittelbar Kräfte zur Wirkung, welche das Verhalten des Materials in sehr verhängnisvoller Weise beeinflussen. Da ist beispielsweise feinkörniger scharfer Sand aus dem Bettungsmaterial als Schleifmittel zu be achten. Anderseits entsteht durch den walzenden Druck der Räder am Schienenkopf eine sehr harte und spröde dünne Haut, die sich im Betriebe ab sondert und fortgeschoben wird; kurz, der Vor gang, welcher die Abnutzung von Schiene und Rad bedingt, ist auf mancherlei Ursachen zurück zuführen. Über die Ergebnisse dieser Kraft wirkungen habe ich mit Hilfe des Profilographen eine grofse Reihe interessanter Messungen durch geführt und viele derselben in meiner 1902 er schienenen „Kritik des Eisenbahngeleises“ unter Beifügung genauer Abbildungen veröffentlicht. Jene Bilder sprechen eine deutliche Sprache, und sie sprechen die Wahrheit.