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15. Mai 1903. Rohmaterialien und Frachtenverhältnisse in den Ver. Staaten. Stahl und Eisen. 601 eine höhere Beanspruchung' dieses Materials zulässig sei. Dieser Schlufs würde aber ein Trug- schlnfs sein, und zwar möchte ich auf einen Punkt aufmerksam machen, der sofort den Trugschlufs als solchen ergibt und der von den anderen Herren nicht genügend hervorgehoben ist. M. H.! Eine Konstruktion soll nach zwei Richtungen hin den äufseren Kräften widerstehen. Es sollen einmal bei normaler Beanspruchung, d. h. bei einer solchen Beanspruchung, wie sie der Berechnung zu Grunde gelegt ist, bleibende Deformationen nicht entstehen dürfen. Das ist die Bedingung, die Hr. Direktor Eichhoff behandelte, hiernach hängt die zulässige Beanspruchung von der Elastizitätsgrenze ab. Es soll aber aufserdem die Konstruktion auch eine möglichst hohe Sicherheit gegen Bruch bei einer zufälligen Überlastung bieten. Eine solche zufällige Überlastung kann aber niemals durch ruhende Lasten herbeigeführt werden. Man kann eine Eisenbahnbrücke nicht höher belasten, als dafs man dieselbe mit den schwersten Lokomotiven und Wagen voll besetzt; es kann ein Schiff in normalem Betriebe nicht höher beansprucht werden, als indem es auf einem oder mehreren Wellenköpfen reitet, ein Fall, für welchen das Schiff berechnet ist und bei welchem die Spannung des Materials noch nicht die Elastizitätsgrenze erreicht. Wenn eine höhere- Beanspruchung stattfindet, wird sie stets durch Stofswirkungen hervorgerufen. Diese erst bringen Gefahr. Bei einer Eisenbahnbrücke ist es ein entgleisender Zug, der auf die Querträger niederschlägt oder gegen die Trägerwandungen prallt, bei einem Schiff ist es der Stofs, mit welchem das Schiff auf ein Riff aufläuft oder ein anderes Schiff anrennt. In solchen Fällen nimmt man bleibende Deformationen gerne mit in den Kauf; man ist zufrieden, wenn die Kon struktion nicht zerstört wird. Bei Stofswirkungen kommt es darauf an, dafs die lebendige Kraft der Massen durch die Deformation des widerstehenden Materials aufgezehrt wird. Nicht die Bruchfestigkeit des Materials, sondern die Arbeitsfähigkeit desselben kommt hierbei zur Geltung. Die Arbeit, die das Material bis zum Bruch zu leisten vermag, ist aber angenähert proportional dem Produkte aus Festigkeit und Dehnung, und dieser Wert ist bei härterem Material nicht gröfser, sondern meistens sogar geringer als bei weicherem Eisen. Selbst wenn also ein härteres Material eine höhere Elastizitätsgrenze zeigt, darf es doch mit Rücksicht auf die Bruchgefahr nicht höher als ein weicheres Material beansprucht werden, wenn nicht gleichzeitig eine gröfsere Arbeitsfähigkeit hinzukommt. Deshalb stimme ich dem Ergebnis der Ausführungen des Hin. Direktor Eichhoff durchaus bei. (Lebhafter Beifall.) Vorsitzender: M. H.! Es hat sich keiner mehr zum Wort gemeldet; ich schliefse deshalb die Erörterung. Bevor ich aber zu dem nächsten Gegenstand der Tagesordnung übergehe, möchte ich meinerseits in Ihrem Namen nochmals dem Herrn Referenten für die mühevolle und lichtvolle Arbeit unsern herzlichsten Dank aussprechen. (Bravo!) M. H.! Ich erteile nunmehr Hrn. Ingenieur Macco das Wort zu seinem Vortrage: Rohmaterialien und Frachtenverhältnisse in den Ver. Staaten. (Hierzu Tafel XII und XIII.) Ingenieur Macco-Siegen : M. H.! In der Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhütten leute vom 10. Dez. 1899 wurde von mir auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine genaue Prüfung und Feststellung der Frachten der Rohmaterialien der Eisenindustrie in den wichtigsten Ländern seitens des Vereins vorzunehmen, um damit einen Vergleich über die Bedingungen zu ermöglichen, unter denen die führenden Länder in der Eisenindustrie arbeiten. Andere Arbeiten haben es bis jetzt dem Verein nicht ermöglicht, dem zu entsprechen. Inzwischen hat der englische Verein der British Iron Trade Association diese Frage in weiterem Umfange aufgenommen und eine Kommission, aus vier hervorragenden Fachleuten bestehend, im Jahre 1901 nach den Vereinigten Staaten gesandt, um einen möglichst zuverlässigen Bericht über die Grundlagen und die Konkurrenzbedingungen der wichtigsten Bezirke der Eisenindustrie dieses Landes abzufassen. Der vor einigen Monaten im Verlage des genannten Vereins erschienene Bericht über diese Studienreise enthält, wie es in der Natur der Sache liegt, kein erschöpfendes Material über den Gegenstand, er bringt aber so zahl reiche und interessante Angaben, dafs sie wohl verdienen, zum Gegenstand eines genaueren Studiums gemacht zu werden. Da für den nicht englischen Beurteiler noch viele Punkte in diesem Bericht erwähnt sind, welche einer Aufklärung bedürfen, Aufklärungen, die sich vorwiegend auf die Ver schiedenheiten der in den Vereinigten Staaten angewandten Gewichtseinheiten beziehen, so wandte ich mich im November vorigen Jahres an Hrn. Jeans, den verdienstvollen Sekretär der British Iron Trade Association, um mir diese Aufklärung zu verschaffen. Leider habe ich keine Antwort von diesem Herrn erhalten. Dagegen hatte Hr. Charles Walcott, der Direktor der United States Geological Survey, auf meine Bitte die grofse Freundlichkeit, mich in entgegenkommendster