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15. April 1903, Weiches und hartes Flufseisen als Konstruktionsmaterial. Stahl und Eisen. 497 das Warmrichten nicht stark beeinflufst wird und eine gewisse Regelmäfsigkeit in den Linienzügen eintritt, dafs aber andererseits bei starkem Glühen die vorher erzielte Regelmäfsigkeit wieder zu ver schwinden scheint. Auch hier ist eine gröfsere Zunahme der Zähigkeit und des Arbeitsvermögens des weichen Materials zu erkennen. Ganz deut lich tritt auch die Eigenschaft gewisser härterer Flufseisensorten in die Erscheinung, durch Glühen an Festigkeit zu gewinnen. Es ergibt sich ferner, dafs selbst bei bestem Material und bei sorg fältigster Behandlung noch riesige Schwankungen in Festigkeit und Dehnung auftreten und dafs es ganz unrichtig ist, auf Grund eines einzelnen Zerreifsversuches ein Urteil über die Festigkeit und Dehnung eines Materials fällen zu wollen, und dafs alle Abnahmevorschriften, welche die Wiederholung von Zerreifsversuchen bei nicht bedingungsgemäfsem Ausfall der ersten Proben verbieten, den tatsächlich bestehenden, unabänder lichen Verhältnissen nicht gerecht werden. Es ergibt sich ferner, dafs Versuche mit Proben von Material, welches durch Abschneiden mit der Schere und durch Kaltrichten vorbereitet ist, kein richtiges Urteil über die wirklichen Eigenschaften I des Materials gestatten. Betrachten wir nun die Ergebnisse der Unter suchung der Fliefsgrenze und das Verhältnis von | Festigkeit F zur Fliefsgrenze E, so fällt zuerst j der vollständige Mangel der Gesetzmäfsigkeit auf. j Harte Proben haben oft niedrigere Fliefsgrenzen, als weiche. Die Schwankungen sind ganz enorm und regellos (Nr. 7). Berechnet man das Ver hältnis S z. B. bei dem Werke B, so ergibt sich eine Schwankung von 37,7 bis 69,3 % (Nr. 8). Alle Bilder zeigen, dafs S mit steigender Festigkeit und mit steigender Dicke abnimmt. Das Ver hältnis beträgt durchschnittlich bei den beiden weichen Chargen 60,19%, bei der härtesten 54,85 %. Besonders auffallend ist aber die Erscheinung, dafs bei einzelnen Proben, ganz ; regellos, die Spannung, welche eine bleibende Dehnung von 0,03 mm erzeugt, sehr nahe und dann wieder sehr weit von der Spannung entfernt ist, welche einer Dehnung von 1 mm entspricht. Diese anscheinende Minderwertigkeit des här teren Materials verdient nun näher geprüft zu I werden, und vor allem mufs untersucht werden, j wie sich die Fliefsgrenze bei solchen Bean spruchungen verhält, welche bei der Bearbeitung j auftreten. Betrachten wir zuerst den Einflufs der ' Wärme auf das Flufseisen. Zu dem Zweck will ich zuerst die Versuche erwähnen, welche Hr. Prof. Martens in Charlottenburg bezüg lich des Einflusses der Wärme gemacht hat. Ich habe aus den damaligen Veröffentlichungen ein Schaubild zusammengestellt (Nr. 12), welches eine weiche und eine harte Charge zeigt. Wir beobachten da zuerst die Erscheinung, dafs die Festigkeit bei steigender Temperatur zuerst steigt und dann fällt, während die Fliefsgrenze bei beiden Materialien von vornherein schnell abfällt. Das Verhältnis der Fliefsgrenze bei allen Tempera turen zur Festigkeit bei — 20 0 ist beinahe gleich, es schwankt um 3 bis 4 %. Die Dehnung dagegen ist bei dem härteren Material sehr viel mehr beein flufst als bei dem weichen, denn sie sinkt bei ersterem auf 8,4 %, während sie bei dem weichen nur auf 16,4 % zurückgeht, wodurch die bei hartem Blech häufig auftretenden Risse in Feuer rohren erklärt wären. Zur Kontrolle habe ich noch die auf Veranlassung der Regierung der Vereinigten Staaten gemachten Versuche einge zeichnet, welche eine gewisse Übereinstimmung mit den Martensschen Versuchen ergeben. Um nun die Einflüsse der weiteren Verar beitung in der Kesselschmiede auf der Werft- oder in der Konstruktionswerkstelle zu prüfen, wurde folgende zweite Versuchsreihe gemacht. Es wurde aus einer weichen, einer mittleren und einer harten Charge je ein Blech 4, 7, 12, 18, 30 mm dick ausgewalzt und den folgenden Proben unterworfen, a) Je 6 Proben der Bleche 4, 7, 12, 18 und 30 mm wurden mit der Schere ab geschnitten und kalt gerichtet, b) Je 6 Proben der gleichen Bleche wurden warm gerichtet, c) Je 6 Proben der Bleche 7, 18 und 30 mm wurden schwach geglüht und dann in kaltem Zustande 12 mal mit starkem Druck durch eine Richtmaschine geschickt, d) Je 6 gleiche Proben wurden schwach geglüht, nach dem Erkalten auf dunkelrot erwärmt und dann warm 12 mal wie vor behandelt, bis dieselben nahezu handwarm waren, e) Je 6 Proben der Bleche 12 mm wurden warm gerichtet, gefräst und dann rotwarm in kaltem Wasser abgekühlt, f) Je 6 Proben der Bleche 12 mm wurden warm gerichtet, dann durch Stanzen mit einem 16 mm- Loch versehen und hierauf zur Probe gefräst, g) Je 6 Proben wurden gleich behandelt, jedoch wurde das Loch gebohrt. h) Je 1 Probe der Bleche 12 mm wurde 1/2, 2, 5, 12, 24 und 48 Stunden bei 700° geglüht, i) Je 6 Proben der Bleche 12 mm wurden bei hoher Hitze so lange erwärmt, bis Schweifshitze eintrat, und dann an der Luft erkalten gelassen. Die Stellen, wo die Proben entnommen sind, sind aus der Tafel XI zu ersehen. Die Resultate der Proben sind in Tabelle III zusammengestellt und auf den Bildern 13, 14, 15 zur Anschauung gebracht derart, dafs immer nur der Durchschnitt der 6 Proben eingetragen wurde. Um auch bei diesen Proben das Verhältnis S prüfen zu können, sind in Nr. 16 bis 24 analog den Bildern 7 bis 11 die Kurven von S einge zeichnet, nachdem die Einzelresultate nach der Festigkeit geordnet worden sind. Davon ausgehend, dafs die warm gerichteten Proben normale Resultate ergeben haben, sind diese in braunen Linien auf jedem Blatt wieder eingezeichnet, um dadurch den Vergleich zu er-