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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Wird jeder Sonntag»«, Mittwochs- und FreitagS-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegeben M. 107 Sonntag, den 6. Dezember 1914 Der Schritt von Eisen Die graue Heeressäule, ein flutend, stählern Meer — Sie naht lawinenartig, mit Schritten, hart und hehr; Sind dieses wirklich Menschen? Nein, wie Naturgewalt, So nahen deutsche Mannen! Die Feinde packt es kalt; So zieht es Stund' um Stunde, wie Nebel über'm See, Geheimnisvoll und klingend, „germanische Armee!" Gewaltig, imponierend, im Takte sest marschierend, In Grdnung paradierend, unheimlich, faszinierend! Da fehlt kein Knopf, kein Riemen, kein Nagel fehlt am Schuh, Der Marsch vollzieht sich prächtig, in Schritt und edler Ruh; Stahlhart und grau wie Lisen, von Schwachheit keine Spur, Beseelt von einem willen, von einem einz'gen nur; Und als die Dämm'rung nahte, noch immer floß das Meer — Noch immer strömte weiter, das graue, deutsche Heer; Zwar sieht man nicht die Mannen, und Feuer sprüht das Land. Doch schützt -er Schritt von Lisen mein teures Vaterland! Frankenberg Ll Sell-Gräfe Die drei Schmeltern Lsndolk Roman von H. Courths-Mahler 8K - > - Nachdruck vrrdotru Lachend über Tante Kläres verblüfftes Gesicht fuhren die jungen Leute davon. Susi war vor Wonne kaum zu halten. Sie jauchzte, wenn das Auto auf den langen, schönen Straßen dahinflog, und wenn sie ausstiegen, um irgend eine Sehens« Würdigkeit näher zu betrachten, dann machte sie ihre großen, erstaunten Kinderaugen weit auf und war so erregt, daß sie wie haltsuchend nach Liselotts Hand faßte. Einmal faßte sie aber, ohne es zu merken, nach Fritz Herbigs Hand. Und der hielt sie so fest, daß sie erschrocken aufblickte, gerade in seine strahlenden, entzückten Augen hinein. Schnell wollte sie ihre Hand zurückziehen, aber er ließ sie nicht los. Unruhig blickte sie sich nach Liselott um. Die stand aber abseits mit Heinz Rottmann und schien in ein Gespräch mit ihm vertieft. Wie gefesselt stand nun Susi an Fritz Her big« Seite. Dunkle Glut schoß in ihr Gesicht und ihre Hand bebte leise in der seinen. Am Ende dachte er gar, sie habe mit Absicht nach seiner Hand gefaßt. Diesen Irrtum mußte sie berichtigen. »Ich glaubte, meine Schwester sei an meiner Seite," stieß sie hervor. „Darf ich nicht auch teilnehmen an dem, was Sie bewegt, mein gnädige« Fräulein?" Gs zuckte wunderlich in ihrem Gesicht. Aber der Schelm wurde gleich wieder lebendig. „Run brauchen Sir mich nicht mehr festzuhalten, ich bin schon wieder ganz normal," scherzte sie. . Da gab er ihre Hand mit sanftem Drucke frei. — Nun ging« weiter. Während der Fahrt herrschte die lustigste Stimmung im Wagen. Susi und Fritz waren im ersten Stadium ihrer jungen Liebe von sprudelndem Uebermut. Auch Liselott wurde angesteckt. Es war ein heißes Freuen in ihr, ein leise» Glücksgefühl, weil Heinz Rottmann heute heiterer schien, als in der ganzen letzten Zeit. Wenn Susis drollige Bemerkungen ihm ein Lachen entlockten, hätte sie die Schwester dafür küssen mögen. Und Heinz mußte wieder und wieder in die warm und glücklich leuchtenden grauen Augen Liselotts sehen. Mittag» aßen sie am Wannsee in einer der dortigen vor nehmen Wirtschaften. Sie saßen auf der Terrasse und hatten dm See vor sich liegen. Speisen und Getränke warm vor züglich und sehr gewähü. Susi gab sich auch den Freuden de» Essens mit der ganzm Ursprünglichkeit und Frische ihres Na turells hin. Fritz Herbigs Herz wurde immer wärmer und klopfte immer rascher, wenn er in ihr Schelmmgeficht sah. Sie drehte ihm wirklich „das Herz um und um". Ein Postkarteuverkäufer trat an den Lisch heran. „Ach, wir wollen an Mama und Sandra einen Kartmgruß schicken," bat Susi. Fritz beeilte sich, Karten zu kaufen. Liselott aber sah ängstlich in Rottmanns Gesicht. Es hatte nur leise gezuckt, als er Sandras Namen hörte. Aber wie er nun Liselotts langen Blick bemerkte, da stieg es wie ein heiße» Dankzebet in ihm auf, daß ihm dieses holde, liebe Mädchen über alles hinweg so fest und treu seine Liebe bewahrt. Susi adressierte zwei Karten. „So, diese ist an Sandra — bitte, unterschreiben Sie," Fritz die Karte hinschiebend. „Ihr Fräulein Schwester hat sich sehr plötzlich verlobt," warf Fritz hin, um mit Susi im Gespräch zu bleiben. Susi schüttelte den Kopf. „Plötzlich — o nein. Das spielt ja schon länger als ein Jahr." Liselott erschrak und suchte Susi ein Zeichen zu machen. Diese achtete aber nicht darauf. Und Fritz sagte zerstreut, nur immer Susis Gesicht be trachtend: „So, so, schon seit einem Jahr." „Ja," nickte Susi wieder, „heimlich verlobt war Sandra schon seit Ende Juli vorigen Jahre» mit Robert Vallentin. Aber seine Eltern willigten nicht gleich ein, ich glaube seiner Gesundheit wegen. Jedenfalls verlangten sie eine Art Probe jahr, ehe die Verlobung veröffentlicht werdm sollte." Liselott saß wie gelähmt und starrte entsetzt in Heinz Rott mann» Gesicht, das sich mit einer erschreckenden Bläffe über zogen hatte. Sie wußte, daß ihm jetzt etwas in Scherben ging, was er bisher als sein Ideal hochgehalten hatte. Sine heiße Angst um ihn stieg in ihr auf. „Sufi — wie kannst du da» behaupten, du weißt das doch gar nicht genau," stieß Ke mühsam hervor. Rottmann wandte ihr seine starren Augen zu und sah sie an. Die Tränen stiegen ihr vor Angst in die Augen, und wieder suchte sie Sufi verstohlen ein Zeichen zu machen. Fritz Herbig wurde jetzt erst aufmerksam und blickte be treten in Rottmanns Gesicht. Sufi aber merkte endlich Lise lotts Zeichen, und plötzlich fiel ihr ein, daß sie wohl eine Dummheit gemacht hatte. Es lag plötzlich wie ein Alp auf der kleinen Gesellschaft. Sufi aber war nicht die Person, sich lange mit einer unklarm Situation herumzuquälen. Mutig faßte sie den Stier bei dm Hörnern. „Lieber Herr Rottmann, Liselott hat mich eben durch ein Zeichen darauf aufmerksam gemacht, daß ich etwa» ausge plaudert habe, was Ihnen ein Geheimnis geblieben ist. Da eS aber nun einmal geschehen ist, halte ich es für ein Unrecht — und auch für Unsinn, etwas willkürlich zu vertuschen." Heinz fuhr aus seinem Brüten auf und strich sich über die Stirn. . „Ich wäre Ihnen für volle Wahrheit sehr dankbar, meta gnädiges Fräulein."