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sM - 8 » L c? LQ--xS s s «r <E L Z 'L s oo 2 » «S^§dL S«^s» 8^ ZMZH^5-Zs"NZ^sZ--I ßKZZZRL LSZs§ZZIZZL§ Liselott ließ sich diese Warte noch einmal wiederholen und prägte sie sich ein. Dann fuhr Tante Kläre fort: »Also pünktlich um 10 Uhr gehen wir zu Bett, das heißt, wir suchen um diese Stunde unser Schlafzimmer auf. Früh um 7 Uhr wirst du geweckt werden. Um 8 Uhr mußt du unten am Frühstückstisch sein. Im Sommer nehmen wir das Frühstück im Garten in der Laube gleich neben der Türe, die hinten durchs Haus in den Garten führt. Im Winter früh stücken wir im Speisezimmer. Gleich nach dem Frühstück wirst du allerlei Arbeit bekommen. Alles mußt du von Grund aus lernen. Bei Hanne sollst du Unterricht im Kochen bekommen. Sie ist eine äußerst tüchtige Köchin und dabei praktisch und sparsam. Kein Nestchen geht bei ihr zugrunde, sie weiß aus allem noch etwas Gutes zu machen. Das ist sehr wichtig; bei euch habe ich bemerkt, daß gerade in der Küche eine un sinnige Verschwendung herrscht. Die Hausfrau muß das alles bester wissen als ihre Leute, nur dann kann sie diese richtig anweisen und beaufsichtigen. „Begreifst du das?* „Ja, Tante Kläre,* nickte Ltselott eifrig. „Nun also weiter. Um 1 Uhr wird Mittag gegeßen, um 4 Uhr nach alter Sitte Kaffee getrunken. Willst du, wie du gewöhnt bist, Tee trinken, dann kannst du das bei Hanne bestellen. * „Nein, nein, ich trinke Kaffee mit dir.* „Gut, wie du willst, Kind. Halb acht Uhr wird zu Abend gegessen. Die Stunden nach dem Abendessen find dec Erholung und der Lektüre gewidmet. Aber sonst wird den ganzen Tag tüchtig gearbeitet, auch draußen im Garten, wo du dich beim Obst- und Gemüsepslücken beteiligen kannst. Das ist eine gesunde Arbeit in freier Lust. Und ein Paar derbe Handschuhe schützen dabei die Hände, damit sie nicht hart und rauh werden. Ich sage dir nochmal, daß ich sehr streng mit dir sein und dir nichts schenken werde, denn nur so kann ich dich befreien von den alten Gewohnheiten und Nachlässigkeiten.* „Ich will dir dankbar sein für alle Mühe, Tante Kläre," sagte Liselott tapfer. Aber ein wenig zaghaft war ihr doch zu Mute, als sie in das strenge, unbewegte Gesicht der alten Dame blickte. Und als sie an diesem Abend ihr Zimmer aufsuchte und nun ganz allein war, da stieg eine brennende Sehnsucht auf nach der Gesellschaft der Schwestern. So still war es um sie her. Auch draußen auf der Straße regte sich nichts. Es schien, als sei die ganze Welt ausgestorben. Seufzend legte sie sich nieder. Und dann mußte sie an Heinz Rottmann denken. Wo weilte er jeßt? Ob ihr das Herz immer so wehe tun würde, wenn sie an ihn dachte? * * * Heinz Rottmann hatte seinen Vorsatz auSgesührt und be suchte seinen Onkel in Wittenberg. Der alte Herr war ein wenig Sonderling. Als Junggeselle hauste er in einer kleinen Wohnung, die aus Wohn- und Schlafzimmer, einer kleinen Küche und einem Gelaß für seinen alten Diener bestand. Weibliche Bedienung mochte ec nicht um sich haben. Er hielt nicht viel von den Frauen, seit ihm mal „eine* eine böse Erfahrung bereitet hatte. Justus Wendt — so hieß der alte Herr — lebte ganz still und zurückgezogen, angeblich weil ihm seine mehr als be scheidenen Verhältnisse und sein leidender Zustand dazu zwangen. In Wirklichkeit aber mochte er überhaupt keinen Verkehr, der ihn nervös machte. Er las sehr viel und studierte zu seiner Unterhaltung an allen Wissenschaften ein wenig herum. Am meisten beschäftigte er sich mit der Medizin, und damit brachte er es zu dem überraschenden Resultat, daß er jeden Tag ein anderes Leiden an seinem Körper entdeckte und sich noch viel bedauernswerter vorkam, als er schon war. Ueber seine Dermögensverhältniffe wußte Heinz nichts ge- naucS. aber daß er sich sehr einschränken mußte und über die teuren Zeiten jammerte, war ohne Zweifel. JustuS Wendt hatte früher mit einem Kompagnon ein Geschäft gehabt, hatte sich aber seiner Gesundheit wegen davon zurückziehen müssen. In welcher Welke er sich mit seinem Kompagnon rangiert hatte, wußte Heinz nicht. Der Onkel hatte nur immer gejammert, daß er viel Geld verloren habe und sich kaum satt essen könne. Auch jetzt, als Heinz ihn besuchte, hob er sofort sein Klagelied an. Trotz des warmen Wetters saß er in warme Decken gehüllt in seinem großen Lehnstuhl und sah wie ein armseliges Häuflein Unglück aus. Heinz erbarmte der Anblick. Gutmütig tröstend, strich er ihm über die welken Hände. „Warte nur, Onkel Justus, vielleicht kommen doch noch bessere Zeiten, auch für dich. Ich bin heute zu dir gekommen, um dir eine besondere Mtteilung zu machen. Ich habe meinm Abschied als Offizier genommen." Der alte Herr sah überrascht auf und blickte seinen statt lichen Neffen unsicher an. „Wie, du bist nicht mehr Offizier?* „Nein, Onkel Justus.* Ein höhnischer Zug glitt über dessen faltiges Gesicht. „Ei, eil Wenn das deine Mutter erlebt hätte! Sie wußte sich immer nicht zu fassen vor Eitelkeit über ihren Sohn, den Herrn Leutnant.* Heinz seufzte. „Es war eine Schwäche von der Mutter. Und ihretwegen bin ich Offizier geblieben, so lange sie lebte. Aber über ihr Grab hinaus vermag ich mich nicht an einen Beruf zu binden, der mich nie befriedigt hat und in d?n ich widerwillig gedrängt wurde.* Die Augen des alten Herrn betrachteten ihn mit funkeln dem Staunen. „Das ist mir ja neu! Ich denke, es war dein Wunsch, so gut wie der deiner Mutter, ich denke, du bist auf das bunte Tuch so stolz, wie sie es war. Also das war nicht der Fall?" „Nein, Onkel * Fortsetzung folgt Im hsrtumltrittknen Warschau Luciano Magrini, der Kriegskorrespondent des „Secolo", mel det in einem au8 Warschau durch Boten bis Galatz (Rumänien) und danach telegraphisch beförderten Bericht: Der Kanonendonner währt ununterbrochen seit sieben Tagen. Störender noch als dieser ist das Tag und Nacht anhaltende Geraffel der Wagen und Kanonen in den Straßen Warschaus. Ununterbrochen kommen russische Verstärkungen, namentlich viele Kosaken vom Don, auL dem Kaukasus und aus dem Ural an. Sehr zahlreich sind auch die sibirischen Truppen, was beweist, daß die Mobilmachung zu Ende ist. Warschau ist ein einziges ungeheures Militärlager. Die Panik der Bevölkerung war sehr groß, hat aber nachgelaffen. Man befürchtet die Besetzung der Stadt; die Behörden, Banken und Konsulate hatten ihre Abreise bereits vorbereitet, die Gelder der Banken wurden nach Moskau geschickt. Die Stadl? batte eine Miliz zur Aufrechterhaltung der Ordnung wädrend der Besetzung der Stadt durch die Deutschen eingerichtet. Außerordentlich war die Panik unter den 250,000 Juden Warschaus, die der Sympathie und des Einverständnisses mit den Deutschen beschuldigt werden und in Massen flüchteten. Der Militärgouverneur General Tur bin versprach ihnen ausreichenden Schutz. Die drei Brücken über die Weichsel sind unterminiert. Es ist streng verboten, den Sol daten alkoholische Getränke, einschließlich Bier, zu verabfolgen. Auch die Offiziere trinken nur Wasser. Die Wirkung des Alko holverbots auf die Truppen ist außerordentlich, und die Haltung der Leute vorzüglich. Da Zerstörungen von Telegraphen- und Telephondrähten vorgekommen sind, setzt ein Armeebefehl darauf Todesstrafe. Täglich erscheinen deutsche Flieger über Warschau, und ihre Geschoße erfordern viele Oofer. Infolge besonderer Vergünstigung konnte der Berichterstatter, begleitet von einem Offizier, die EefechtSlinie aussuchen. In dem prachtvollen Schloß von Willanow, 8 Kilometer südlich von Warschau, liegen Tausende von Verwundeten, die berichten, daß die äußerst heftigen Kämpfe südlich von Warschau fortdauerten. Wester südlich traf Magrini in einem Fichtenwald russische Artillerie in lebhaftem Feuergeiecht mit deutscher Artillerie, welche zwischen Piaseczno, 20 Kilometer, und Gora Kalwaria, 34 Kilometer von Warschau, auf einem Hügelzug am linken Weichselufer Stellung genommen hatte. 300,000 Mann russische Truppen sind für die Verteidigung von Warschau bestimmt. Ob es ihnen gelingen werde, die Einnahme zu verhindern, sei noch ungewiß. Die Stimmung sei optimistisch, und der Geist der Truppen vorzüglich.