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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 01.09.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-191009019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19100901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19100901
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-01
-
Monat
1910-09
-
Jahr
1910
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Vie Löckter Ser 7ra« Konsul. Roman von Fritz Santzer. M (Nachdruck verbot««.) I 6. Kapitel. Ein paar Tage nach Neujahr traf Georg wieder in Burgbeck ein. Er war zunächst für ein Vierteljahr be urlaubt und erwartete seine Entlassung zum 1. April. Sein Regimentskommandeur hatte ihm versichert, daß der Genehmigung seines Abschiedsgesuches nichts im Wege stehen würde. Sein Kommen brachte etwas Leben in das stille Haus und wurde von der Konsulin mit einem Gefühl der Er leichterung empfunden. Rcginens Fortgehen hatte sie, trotz aller gegenteiligen Bemühungen, die sie zu diesem Zwecke künstlich aufbot, tief erschüttert und mitgenommen. Langsam waren bittere Vorwürfe gegen sich selbst in ihre Seele geschlichen, hatten sich dort seßhaft gemacht und sie gepeinigt. Und nichts hatte vermocht diese Quäler zu ver scheuchen. Selbst ein schroffes Aburteilen der Handlungs weise Reginens nicht. Georg erfuhr natürlich sofort von der „Flucht" seiner Schwägerin. Gabriele empfing ihn gleich nach der flüchtigen Begrüßung mit der Mitteilung über den „skan dalösen" Vorfall und sprach so erregt und hastig auf ihn ein, daß er nicht dazu kam, sich selbst zu äußern. Aber wie er darüber dachte, bewies das mokante, abstoßend berührende Lächeln, das flüchtig um seine Lip, en zuckte. Es wiederholte sich, als er nach der Begrüßung der Konsulin und eingehender Erkundigung nach ihrem Er gehen, das Gespräch sofort aus das Ereignis am Weih nachtsabend lenkte. „Also mein Geschenk sür Regine hat tiefe Empörung bei der Empfängerin ausgelöst und eine theatralisch in Szene gesetzte, regelrechte Flucht aus dem Elternhause zur Folge gehabt? Da bin ich wohl nun ver- oflichtet, sie zu suchen und heimzuholen, ihr meine Sünde inständigst abzubitten?" Frau Cordula ging mit großer Lebhaftigkeit aus den angeschnittenen Gesprächsstoff ein. Sie schien Georgs letzte Bemerkung, obwohl sie in unverkennbar spöttischem Tone über die Lippen des Sprechers gekommen war, ernst zu nehmen „Das wirst du doch nicht wollen, Georg? Wenn jemand so unglaublich rück chtslos gegen seine Familie handelt und sein Verletztfein in einer solchen brüskierenden Form zum Ausdruck bringt, ist er es nicht wert, daß man ihm nachläust " „Ich bin auch weit davon entfernt, Mama," lachte Georg, »klebrigen« halte ich ein Zurückholen für überflüssig. Regine wird sehr bald von selbst wiederkommen. Ein bißchen Not und Sorge nur da draußen in der Welt! Das sind feine Mittelchen, um verwöhnten jungen Damen das Leben sauer Unterordnung unter de» Himmel- Willen Es bedeutet, daß Deutschtum und Christentum untrennbar vonetnan- der sind. Was sollen wir daraus lernen? Daß dies eine Illustrierung für da« Wort ist, was ich neulich in Königs berg gesprochen habe. Dem, wie mein seliger Großvater und wie ich unS unter des Höchsten Obhut und im höch sten Auftrage unsere» Herrn und Gotte» arbei tend dargrstellt habe, so nehme ich da» von jedem ehrlichen Christen an, wer eS auch sei! Wer in dieser Gesinnung arbeitet, dem wird es aber klar, daß da» Kreuz auch verpflichtet! Wir sollen in brüderlicher Liebe Zusammenhalten, die Konfessionen und Stämme. Wir sollen einem jeden Stande seine Eigenheit und seine eigene Art lassen. ES sollen die Stämme und die BerufSgenossen- schasten die Hände ineinanderschlagrn zu gemeinsamer Arbeit, zur Erfüllung der staatlichen Notwendigkeiten. Der L««d»trk schlage t« tzte Haaß de» K««f«aan- ei«, dieser t« die Haaß de- Industrielle«. Der Zugehörige einer Partei ergreife die Hand de» Anders- gesinnten, wenn r» darauf ankommt, Große» sür unser Vater land zu leisten, und eine Konfession trage die andere mit Liebe. Dann werden wir dem Borbilde der großen deutschen Männer, die hier einst gestanden und gearbeitet haben, Nachkommen. Dann werden wir die Schwierigkeiten, die sich un» entgegentürmrn, — und wo werden diese sich nicht finden? — überwinden! Lede« heiszt Arbeite«, Arbeite« hetszt Kämpfe«! Kämpfen aber heißt Schwierigkeiten überwinden, und diese werden nur bei gegenseitiger Achtung und bei gegenseitiger Hilfe überwunden, wenn man sie al» von oben uns in den Weg gelegte Prüfsteine ansieht. Daß ich hier von Ihnen ver standen werde, da» verbürgt mir die Gesinnung der Provinz, und von ihr hoffe ich, daß mir Ihre Mitarbeit zuteil wird. Du» Gelöbnis aber nehme ich von Ihnen mit, genau in demselben Wortlaut, wie einst da» alte Grenadier-Regiment, als es in die Freiheitskriege auSrückte: Das soll ein Wort sein! Die Provinz Westpreußcn Hurra, Hurra, Hurra!" die Presse s«Kt Die Marienburger Rede des Kaiser» wird im allgemeinen günstiger beurteilt, al» die Königsberger Worte. Vielfach wird der Ansicht Ausdruck gegeben, daß der Kaiser die unbeabsichtigte Wirkung lener Rede habe abschwächen wollen. Auch meint man, daß der Appell de» Kaisers dazu dienen soll, die SammlungS- politik de» Reichskanzlers zu unterstützen. Die .Köln. Ztg." verlangt Schluß der Debatte über die Königsberger Rede. DaS Blatt schreibt u. a.: Jeder, dem eS ernst ist um den Frieden in unserem Baterlande, wird diese Worte mit aufrichtiger Genug tuung und mit größerer politischer Befriedigung vernehmen, als die ministerielle Interpretation in der „Nordd. All». Ztg — Die ,Post" sagt: Durch diese Erklärung zeigt sich insbesondere, daß jene Worte auS Königsberg ein rein persönliches Bekenntnis des Verhältnisse» WilhejmS ll. zu seinem Gott darstellen. Das aber hat mit der Verfassung und dem StaatSrecht nichts zu tun. Hierzu hat WUHelm ll. ebensogut ein Recht, wie irgend ein anderer Christ oder Freidenker. Dir religiöse Stimmung, in die Wilhelm ll. sich versetzt hat, leitet ihn dann über zu einer ernsten Mahnung an all« Stände, Konsessionen und Parteien seines Volkes. Ätr dürfen annehmen, daß dir» nicht nur der persönlichen Stimmung WU- delm» ll. in jenem Augenblick entspricht, sondern daß daraus da» politische Programm des Reichskanzlers spricht. Im Interesse unsere» Vaterlandes können wir nur wünschen, daß die kaiserliche Mahnung und daS Streben deS Reichskanzler» zur Sammlung der nationalen bezw. bürgerlichen Parteien Erfolg haben. — Die „Kreuzztg." schreibt: Diese Worte zeigen einen so reinen Ide alismus, wie er de» Kaisers einer Krone allein würdig ist. ES ist gar keine Frage: Das Reich und der Staat können in die schwersten inneren und äußeren Gefahren kommen, wenn nicht die Stämme, die Konfessionen, die Berufe und die Parteien sich wie der zusammenslndrn „zur Erfüllung der staatlichen Notwendig keiten". — Die „Germania" jagt: So wenig praktischen Erfolg wir un» auch von den Worten des Kaisers versprochen haben, wir sind doch erfreut über sie. Zeigen sie uns doch, daß er über den Parteien und ihrem Streit stehen will und auch steht und sich durch konfessionelle, politische oder wirtschaftliche Hetzer nicht be einflussen läßt. — Auch die „Deutsche Tagesztg." gibt einem Oenilcd«» mw SScdmcdet Frankenberg, 3l. August 1910. September Der Septembermond war den Römern der siebente Monat ähnlichen Gedankengaug Ausdruck. — Di« .Täal. Rundschau" bemerkt: Möge der Königsberger Zwischenfall schließen mit dieser kaiserlichen Aufrüttelung de» öffentlichen Gewissens, mit seiner Mahnung zum Frieden und zur Arbeit und mit der Gewißheit, daß der Novemoer-Frieden de» Jahre» 1908 unverbrüchlich ge halten wird vom Kaiser, wir von seinem chm treu ergebenen Volke. — DaS ^Berliner Tagrbl" sagt in rinrm Lritarttkel mit der Urberschnst „SammlungSpolittk" u. a. folgende»: Manche» in dieser Marienburger Rede kann vrrsöbnrnd wirken. Dir schärfsten Spitzen der GotteSanadenred« von Köniwzbrra werden etwa» adgeichlisfen. Auch der Hinweis deS Kaisers, daß die Konfessionen und Stämme in brüderlicher Liebe zusammenkalten sollen, wird etwa» Oel auf die hochgedendtn Wogen deS allgemeinen Mißvergnügens gießen. Aber der Kaiser will sich nicht damit begnügen, die Bruderliebe zu verkünden, sondern er will zugleich den Weg weisen, aus dem oaS deutsche Volk an die großen Ausgaben für da» Vaterland Herangehen soll. Er predigt deshalb die SammlungSpolittk. Bon dieser SammlungSpolitit verspricht sich aber daS „Berl. Tagrbl." nicht vtrl. hantsduml iwa sioittiwiverewe. Der Hansabund wendet sich entschieden gegen die Konsum- vereinSbewrgun^ Erst vor kurzem erhob er in Metz anläßlich der von der Militär-Intendantur beabsichtigten Errichtung einer Ein- und BerkaufSgenosienschaft von Lebensmitteln Ein spruch, und jetzt hat er auch in Dortmund den Detaillisten Schutz zugesagt. Auf die Nachricht, daß in Dortmund die Gründung eine» Beamtenkonsum» geplant werde, wandten sich nämlich die in Frage kommenden gewerblichen Vereine zunächst an den Magistrat, der ihnen dann auch mitteilte, er stehe den in Frage kommenden Bestrebungen ablehnend gegenüber und habe auch bereit» den Beamten zu bedenken gegeben: daß er e» nicht für angängig halte, wenn Beamte nach der erfoloten Gehaltsaufbesserung Gewerbetreibende durch Errichtung einer Konsumanstalt wirtschaftlich zu schädigen suchen. Sodann ging den beim Hansabund vorstelligen Detaillisten ein Schreiben zu, dem wir entnehmen: Wir bemerken, daß wir gern bereit sind, Ihre Bestrebungen, denen der Hansabund durchaus sympathisch grgenübersteht, nach haltig zu unterstützen. Die Stellungnahme, welche der Hansabund gegenüber der Gründung von Beamten-Konsumvereinen einnimmt, bürste Ihnen wohl bekannt sein. Darauf gibt der Bund Kenntnis von einer durch ihn veranlaßten Antwort des Staatssekretärs deS ReichS- postamte» vom 28. Juni d. I., in der eS u. a. heißt: Einer Einwirkung auf die in Minden beschäftigten Reichs-Post- und Telegraphenbeamten, von der Gründung des HauShaltSverein» zurückzutreten, habe ich mich enthalten müssen, weil es an jeder gesetzlichen Grundlage fehlt, den Beamten die Bildung von Konsum- Vereinen oder die Beteiligung daran zu verbieten. Die Prüfung der Verhältnisse hat jedoch Veranlassung gegeben, den Beamten und Unterbcamten meiner Verwaltung die nach 8 16 deS ReichS- beamtengesetzeS erforderliche Genehmigung zum Eintritt in den Vorstand oder AufstchtSrat des Mindener HaushaltSvereinS zu versagen. Ferner gibt der Hansabund den petitionierenden Vereinen Kenntnis von einer Erklärung des Bundes-Direktoriums, in der ausgeführt ist: Wir beabsichtigen, an die Parlamente heranzutreten, auf ge setzgeberischem Wege gegen die Bildung von Konsumvereinen der Beamten vorzugeben ... Die Konsumvereine, die untere Beamte und Lehrer unter sich gegründet haben, sind in hohem Grade ge fährlich sür die Detaillisten einer Stadt usw. usw. Auch die Ortsgruppe Dortmund will noch dir Angelegen heit zum Gegenstand einer Besprechung im Vorstand machen und weitere Schritte unternehmen, und diesem Beispiel wollen weitere Ortsgruppen des HansabundeS im westlichen Jndustrie- bezirk folgen und auch ihrerseits sich gegen die Nrugründung von Beamten-Konsumvrrei ien wenden. d«S Jahre», wie schon sein Nam« sagt, der sich von ssptow verleitet. Herbstmonat od«r Scheiding nannten ihn unser« Vorfahren. Und herbstlich ist e» auch drauß«a aeworden. D«r Wald ist in bunt« Farben getaucht. Zwar blüht noch daS Heidekraut, ab«r der andern Blüten sind wenige in der Natur. Für di« Jugend ist jetzt dir schönste Zeit zu Spielen im Freien. Die Obsternte ist im vollen Gange. Birnen, Aepsel und Pflaumen werden von den Bäumen gepflückt zu sofortigem Genüsse oder al- Vorrat sür den Winter. Dir tüchtig» HauSsrau und Mutter hat jetzt manche Müh«, gilt eS doch, für Dörrobst und Pflaum«« zu sorgen. Auch die Kartoffelernte bringt unS der September, sodann auch die roten Preiselbeeren. Dir Jagd beschert manchen guten Bissen. Rebhühner und Hasen erscheinen aus dem Tische. Fasanen und Enten, Schnepfen und Birkhühner können geschossen werden. Aus Raubvögel hat der Jäger jetzt ein wachsame» Auge, denn nun machen sie ihren Herbststrich. Der Imker wintert jetzt seine Bienen ein. Im Garten gibt e» noch mannigfach« Ar beit. Die reifenden Weintrauben müssen sorglich gepflegt werden. DaS Spargelkraut fällt unter dem Schnitt der Scherr. Der Landmann wünscht sich den Monat regnerisch; der Winzer aber fürchtet den Regenguß, denn dieser kann für ihn die Hoffnung des ganzen Jahres vrrntchttn. Freude herrscht aber auch bei den Reservisten, di« nur noch w«nigr Wochen den bunten Rock tragen und dann heimziehen „zu Muttern". * -f* R««e Btltzer an unserer AuShängetafel: DaS Hun- dertjährige Jubiläum der Stadt Ulm. — Radfahrende Ka detten der österreichischen Armee bei Schießübungen. — Eng lands Schönheitskönigin. f* 572 Kahrkirte« wurden am vergangenen Sonntag auf dem Hauptbahnhof Chemnitz nach Frankenberg ver kauft. Die weiteren Zahlen stellen sich: Niederwiesa 1061, Mittweida 658, Braunsdorf 613, Flöha 52V, Ober lichtenau 253, GunnerSdorf 1S3. Rationallttzeraler veret« z« Nr»«ke»ter«. Der Gesamtvorstand hielt am Dienstag in MeyerS Restaurant eine sehr gut besuchte Sitzung ab, in welcher al» Vertreter für den Parteitag in Kassel Herr Fabrikdirrktor Ottomar Steiner gewählt wurde. Ein Antrag des 15. Reichstags- Wahlkreises, der die Verlegung deS Sitzes deS Landesverbands nach Dresden und eine neue Parteiorganisation für Sachsen wünscht, wurde einstimmig befürwortet. Beschlossen wurde, künftig an jedem ersten Dienstag im Monat Be- sprechungsabendr abzuhalten, um über wichtig« Tages- fragen Austausch hrrbeizuführen und so daS Interesse am Parteileben zu fördern. — Eine Besprechung der durch die Veränderungen innerhalb des Chemnitzer Vereins geschaffenen Situation im Chemnitzer Partrisekretariat und innere Vereins- angelrgenhriten bildeten weiteren Stoff für die interessant verlaufene Sitzung. s* Au» de» SchNllebe«. Die diesjährige amtlich« Hauptkonferenz des Schulinspektionsbezirks Flöha findet Donnerstag, den 15. September, in Flöha statt. -fmg. Da» Katserpavor»««, welches seit Sonntag seine Pforten wieder geöffnet hat, führt seine Besucher zur ersten Reise von Chamounix bis auf den Gipfel des Montblanc. Sehr gefahrvoll ist der Weg, denn er führt nur über Gletscher- meere und Eisspalten. Besondere Partien sind: Ausstieg in den roten Spitzen, schwierige Kletterei in Charmoz, Lriterweg über eine Eisspalte, EiSgrotte, gefahrvolle Wege auf dem Montblanc, Aufstieg in den großen MulatS, eine Bravour leistung dreier Bergsteiger, letzter Aufstieg zum Gipfel usw. Diese Serie dürfte gewiß bei Bergsteigern und Touristen das lebhafteste Interesse wachrufen und einen regen Besuch ge« wärtigen. f». Bezirk-obstbavderei«. Genannter Verein, der sich zu machen. Ich wette, Mama, daß dein Töchterlein noch vor Ablauf der nächsten Wochen als bereuende Sünderin zer knirscht vcr dir auf den Knien liegt." „Mit dieser Möglichkeit habe ich eigentlich bisher nicht gerechnet," gestand die Konsulin. „Aber du magst recht haben." Sie seufzte wie in einer Erleichterung auf. „Sie ist ja völlig mittellos. Und was soll sie beginnen ? Irgend welchem Beruf kann sie sich doch unmöglich zuwenden. Bedenke doch: eine Garding als Verdienerin ihres Lebens unterhaltes. Das wäre ja skandalös." „Beruhige dich, Mama! Da glaube ich Regine doch besser zu kennen. Sie ist viel zu stolz, um sich mit Arbeit zu beschmutzen. Ihr vorgenommenes Programm wird folgendes sein: Sie logiert hier oder in einem Nachbar orte in einem komfortabelen Hotel, läßt es sich wohl sein und bildet sich ein, daß wir in Angst und Sorge um sie vergehen. Glaubt sie uns dann genügend mürbe und zur Versöhnung geneigt, so erscheint sie mit einer Handvoll unbezahlter Rechnungen auf der Bildfläche und erklärt: Da bin ich wieder. Seid vergnügt." „Aber du sprachst doch vorhin von möglicher Not und Sorge, Georg?" fragte die Konsulin, durch die letzten Ausführungen ihres Schwiegersohnes offenbar nicht be friedigt und anscheinend leicht verletzt. Georg fühlte das heraus und beeilte sich, den unan genehmen Eindruck seiner Worte nach Möglichkeit zu ver wischen. „Ich stellte in beiden Fällen nur Vermutungen auf, teure Mama. Ich glaube nunmehr aber von deiner Sorge um das Schicksal Reginen» überzeugt sein zu dürfen und beginne zu bedauern, daß ich die Schenkung des ominösen Buckes nicht lieber unterließ." Der leichtes Beflürzlsein verratende Gesichtsausdruck gelang ihm vorzüglich, und Frau Cordula erkannte die Maske nicht. Schnell versöhnt streckte sie ihm die Hand hin. „Beunruhige dich nicht, lieber Georg, du verfolgtest nur gute Absichten. Menn man sie verkennt, ja, dann muß man sich darein schicken, wenn gleich Verkanntwerden schmerzlich berührt." Die Konsulin hatte ein paar wehleidige Tränen, die ihr auf die im Schoße ruhende Rechte tropften. Georg ergriff die Hand, beugte sich über sie und küßte die Tränen hinweg „Wir wollen desto treuer an dir hangen, liebe Mama. Und Nun laß uns nicht mehr von der ganzen traurigen und dich nur wieder aufregenden Angelegenheit sprechen." Frau Garding war tief gerührt. „Du bist mir ein lieber Sohn, Georg. Ich bin glücklich, dich in dieser für mich doppelt schweren Zeit als treuen Beistand und feste Stütze an meiner Seite zu wissen." Sie richtete sich ener gisch auf. „Wir wollen nicht mehr von Regine sprechen." Man tat das auch während der nächsten Tage und Wochen nicht. Eine Fülle anderer Ereignisse drängte sich in den Vordergrund: die Uebersiedlung Hartungs nach Burgbeck, die Einrichtung der neuen Wohnung — man hatte nach tagelangem Hin und Her im Suchen, Ueber- legen und Besserhabenwollen schließlich in der Burgstraße gemietet, knappe drei Minuten vom Klubhause, aber über eine halbe Stunde vom Kontor in der Kaistraße entfernt das Sichhineinleben Georgs in seine neue Tätigkeit, Gabrielens ständiges Unterwegs von Geschäft zu Geschäft, um „unbedingt nötige" Einrichtung-gegenstände zu kaufen — alles das schob vorher wichtig Erschienener in eine dunkle Ecke des Gefühlleben», wo er allmählich vom Staube de» Vergessens bedeckt und nur dann und wann in die Er innerung zurückgerückt wurde, wenn ein besonders greller Strahl in die abgelegenen Winkel der Seele fiel. Einmal, im Februar schon, gleißte ein solcher Strahl auf, als die Konsulin den so lange verschwunden gewesene» „Knigge" in einem Zimmer, mitten auf dem Tische liegend, fand. Doris hatte das Buch im Bibliotheksschrank, wohin es Brucks geräumt hatte, gefunden, darin gelesen und es liegen lassen. Frau Cordula war äußerst unangenehm berührt und hatte «inen schlechten Tag und eine noch schlechtere Nacht. Der „Knigge" aber tauchte nicht wieder auf. Er war in den Ofen gewandert. Im übrigen bemühte sich die Konsulin, zu vergessen. Anfänglich hatte sie immer noch gedacht, Regine könne zurückkehren. Als aber dann Woche um Woche schwand, ohne eine Erfüllung dieser Hoffnung gebracht zu haben, gab sie es auf, die Möglichkeit einer Rückkehr weiter zu erwägen. Und ihr Herz wurde, soweit sein Fühlen Regine anging, etwas Starre», Vereister, das der Wahrscheinlichkeit eine» Wtedererwachen« verloren gegangen zu sein schien. Georg und Gabriele hatten sich des Erinnern« längst entledigt. Gabriele mochte lästige Reminiszenzen überhaupt nicht und verstand esHank ihres leichtlebigen, oberflächlichen Naturells vorzüglich, unangenehme Ereignisse in die ab- gründ ge Tiefe des Vergessen» zu versenken. Und Georg hatte Regine mit ihrem Gehen nur einen Gefallen erwiesen. Daß er daher schon nach Tagen nicht mehr an sie dachte, war ganz natürlich. Die einzige, die im wehen Sinnen ihre Gedanken ost zu Regine wandern ließ, war Doris. Und in ihr war Georg eine unversöhnliche Feindin und Hallerin entstanden. Schon am Tage seiner Rückkehr au» Düsseldorf hatte sie ihn das deutlich empfinden lassen. Als er ihr da nach seiner Unterredung mit der Konsulin im Flur begegnet war und ihr in Verbindung mit seinem Gruße ein heitere» Scher»- wort zugerufen und sie „Kleine" genannt hatte, war sie ohne Erwiderung stolz und eisigen Blicke» an ihm vorüber gegangen und hatte nur ein verächtliche» Lächeln für ihn gehabt. Seitdem vermied er es, ihr zu begegnen, und wenn er zu Gabriele von ihr sprach, nannte er sie nur „die steinerne Jungfrau" oder „die kalte Sphinx"^
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