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von Lichtbildern die EntwickclungSgeschichtr, sowie die ver schiedenen Systeme der elektrischen Bahnen. Nach längerer Aussprache wurde beschlossen, einem auS Vertretern der an dem Bobbau interessierten Gemeinden bestehenden Ausschuß die weitere Verfolgung des Projektes zu übertragen. — H»tze»stet»-E. Wte schon mttgrteilt wurde, zerstörte am Totensonntag abends 8 Uhr ein verheerender Brand die umfangreiche am Bahnhof gelegene Wirkmaschinensabrik von Theodor Lieberknecht vollständig. Das Feuer entstand in einem Lagerschuppen und teilte sich, da dort viele brenn bare Materialien lagen, schnell dem hohen dreistöckigen Fabrik gebäude mit. Hätte der Brandherd nicht einen so starken Rauch erzeugt, so hätte man an ein Löschen denken können, bevor die eigentliche Fabrik vom Feuer ergriffen wurde. Von der Fabrik stehen bloß noch einige Mauern und die zwei hohen Essen. Durch den Brand dürften ungefähr IVO Ar beiter, darunter viele Familienväter, brotlos werden. Auch sind denselben viele Kleidungsstücke und eigene Werkzeuge verbrannt. Wie das Feuer entstanden ist, ist noch unbekannt, doch ist es nicht ausgeschlossen, daß Fahrlässigkeit vorliegt, da am Abend im Kesselhaus gefeuert wurde. Als ein Glück ist es zu betrachten, daß der stark geheizte Kessel in allen Ventilen geöffnet werden konnte, wodurch eine Explosionsge fahr vermieden wurde. Viele Maschinen, darunter fertige Wirkmaschinen, sind verbrannt. Der Schaden ist durch Ver sicherung gedeckt. — GUmch««. Am Freitag abend entfernte sich die 15jährige Emma Lina Küster von hier unter Umständen aus der elterlichen Wohnung, die darauf schließen ließen, daß sich das Mädchen ein Leid zufügen wolle. Trotz sofort ange stellter Nachforschungen war die Vermißte nicht zu finden, bis sie heute mittag als Leiche aus dem Mühlgraben gezogen wurde. Als Motiv zur Tat wird „Liebeskummer" (!) an genommen. — GliMchtM. Eine „Deutsche Luftschiffahrts- Gesellschaft, e. G. m. b. H. in Dresden", hat dem hiesigen Stadttat die wohlmeinende Absicht unterbreitet, „auch in Glauchau eine Station für die von ihr zu erbauenden und in. Verkehr zu setzenden lenkbaren Luftschiffe zu errichten". Der Stadtrat wird ersucht, einen Aufruf, in dem zur Entnahme von Geschäftsantellen der nach dem System der englischen Pfundgesellschaften einzurichtenden Gesellschaft aufgefordert wird, zu veröffentlichen und letzterer ein möglichst ebenes, freiliegendes, quadratisch geformtes Areal in der bei läufigen Größe von 50- bis 60000 Quadratmeter zur Er bauung einer Halle für lenkbare Luftschiffe resp. zur Ein richtung eines Ankerplatzes zu übermitteln. Wie in dem Anschreiben versichert wird, hätten die Bürgermeister der größeren Städte Sachsens, der thüringischen Staaten, Schle siens und Nordböhmens den Bestrebungen der genannten Gesellschaft die weitgehendste Unterstützung in Aussicht gestellt, und diese Unterstützung habe auch bereits „praktische Erfolge" herbeigrführt. Als Zweck der Gesellschaft wird in dem oben erwähnten Aufruf neben dem Bau und Betrieb von Luftfahrzeugen im Lokalverkehr zwischen den einzelnen Städten Sachsens, der thüringischen Staaten, Schlesiens und Nordböhmens auch der Verlaus solcher bezeichnet. Der Stadtrat wird das Anbringen der Dresdner Gesellschaft auf sich beruhen lassen, da die Gesellschaft nichts zu tun hat mit der „Deutschen Luftschiffahrts-Aktiengeseüschaft" in Frank furt a. M., die unter dem Vorsitz des dortigen Oberbürger meisters Adickes und den Leitern anderer großer deutscher Städte begründet wordm ist. — Platte« i. B. Durch eine große Feuersbrunst ist am Montag morgen das am Unteren Bahnhof befindliche große Holzlager der Firma C. H. Weck hier zerstört worden. Der Schaden wird auf ca. 40000 Mk. geschätzt. Dem tech nischen Geschäft von O. Strunz sind für etwa 10000 Mk. Oele usw. mitverbrannt. Vie Alen« Mtmsnl-KnrcdlSge. Die Versuche, österreichische Gmeralstabsosfiziere, man spricht von 40 Personen, durch Zusendung zyankalihaltiger Pillen unter der Devise neuer nervenstärkender Heilmittel aus der Welt zu schaffen, rufen allenthalben daS allergrößt« öffent liche Aufsehen hervor. Man tappt im Augenblick über den Täter und das Motto der Tat noch völlig im Dunkeln. Glücklicherweise ist bis jetzt nur ein einziges Opfer des nichts würdigen Anschlags, der Hauptmann Richard Mader vom Telegraphenbureau deS Generalstabskorps, zu beklagen. Der Unsruge stand im Begriff, sich zu verheiraten, und schrieb gerade einen Brief an seine in Frankfurt befindliche Braut, ÄS er, wohl nur zufällig, von den ihm zugesendeten Pillen Gebrauch machte und sofort vom Tode ereilt wurde. Die Pillenfrndungen, in Oblatenkapseln nüt beigelegtem Brief und „Gebrauchsanweisung", sind sämtlich aus einem Postamt Wiens aufgegeben worden. Sie trugen lediglich die Namen der Adressaten, keine nähere Wohnungsbezeichnung. Durch die rasche Veröffentlichung dieses tragischen Falles dürste, so hofft man, die Zahl der Opfer auf dieses einzige beschränkt bleiben. Jetzt hat sich herausgestellt, daß auch an Offiziere in der. Provinz diese todbringende Sendung abgegangen ist. Die umfassendsten Nachforschungen sind selbstverständlich so fort in die Wege geleitet worden. Die Obduktion der Leiche Maders ergab den Befund von Zyankalivergiftung bezw. frei gewordener Blausäure. Der Zyankaligehalt war derartig, daß der Tod nach dem Verschlucken der Pillen auf der Stelle eintreten mußte. Die Bestellungsadresse, die auf dem Be gleitschreiben der Sendung, das die „verblüffende Wirkung" der Plllen besonders pries, angegeben war, erwies sich als fingiert, ganz selbstverständlich, weil nach dem Genuß der tödlichen Pillen eine Nachbestellung sich erübrigt. Das Kriegs- minlsterium richtete in den letzten Tagen sein Hauptaugenmerk darauf, daß nicht etwa irgendein Offizier in der Provinz, den die Nachricht von den Mordanschlägen vielleicht noch nicht erreicht hätte, eine Probe der Pillen zu sich nehme. Der Chef des Generalstabes hat daher an alle Garnisonen Zirkulartelegramme erlassen. Kaiser Franz Josef hat sich über alle Einzelheiten der Angelegenheit Bericht erstatten lassen und Befehl gegeben, ihn jederzeit von dem Stande dieser geheimnisvollen Angelegenheit zu unterrichten. Fach leute behaupten, die Pulver seien höchstwahrscheinlich von un geschickter Hand verschickt; die Adjustierung der Oblatenkapseln, Schachteln und Briefe rühre bestimmt nicht von der Hand eines Apothekers, Pharmazeuten oder auch nur eines Lehr lings, sondern eines Neulings in dieser Sache her. Ueber den Besitz großer Mengen Zyankali brauche man sich nicht zu wundern. Obwohl in Oesterreich ohne Erlaubnis Blau säure nicht zu haben ist, kann sich jeder Amateurphotograph mit einem Gistschein jede Quantität Zyankali verschaffen. Es wurde festgestellt, daß außer Mader alle zehn in Wien ein berufenen Stabsoffiziere Briefe gleichen Inhalts erhielten, zwei in der Privatwohnung, die übrigen im Bureau des Generalstabs, wo auch Mader am vergangenen Dienstag den Kameraden feinen Brief zeigte, den er lachend wegwarf, die Schachtel mit den Kapseln aber unter dem Gespött der Ka meraden einsteckte. Nur einer, der Chemiker ist, warnte ihn, indem er sagte, solche Sachen enthielten oft Strychnin. — Telegraphisch wird noch gemeldet, daß in vergangener Woche ein hoher Generalstabsoffizier einen Drohbrief erhalten hat. Man weiß vorläufig noch nicht, ob hier ein Zusammenhang mit den Gistsendungen an die Offiziere besteht. Gestern vor mittag wurde angeordnet, daß in der Kriegsschule, wo die alten schriftlichen Arbeiten der Kriegsschüler, der jetzigen Ge neralstabsoffiziere, aufbewahrt werden, eine Handschriften- untersuchvng angestellt wird, um festzustellen, ob der Absender ein früherer KriegSschüler ist. * * Wie», 23. Novbr. Die Untersuchung in der Giftmord- Affäre hatte bisher, obwohl sie in ausgedehntem Umfang fortgesetzt wird, nur ein unbedeutendes Resultat. Der Kriegs minister hat eine Belohnung von 2000 Kronen für Beweismomente, die auf den Täter Hinweisen, ausgesetzt. Es haben sich neuerlich noch vier Offiziere aus der Provinz ge meldet, die gleichfalls Briefe mit Zyankalipillen erhalten haben. Bis jetzt sind 16 Empfänger solcher Pillen bekannt. Gestern nachmittag wurden einige Offiziere vernommen, an welche Briefe mit Zyankali gelangt sind.. Unter ihnen be findet sich auch Oberleutnant Prinz Hohenlohe. Wie«, 23. Novbr. In der Angelegenheit der Gistoblaten ist die Polizei in den Besitz von Indizien gelangt, di, sich gegen eine bestimmte Persönlichkeit richten. Es handelt sich dabei um einen ehemaligen Oberleutnant und Kriegsschul aspiranten. Die Fährte hierzu entdeckte rin Herr, der bei der Polizei angab, daß die Handschrift des ihm zu Gesicht gekommenen Faksimiles deS die Glstpillen begleitenden Briefes mit der Handschrift eines Bekannten bedeutende Aehnlichkeiten aufweisr. vemircbter. * Ab-eleh«t«S Gnadengesuch. Das Gnadengesuch des zu 3 Monaten Gefängnis verurteilten Referendars v. Igel, der seinerzeit in Oranienburg den Steinsetzmeister Marschner erschoß, ist abschlägig beschteden worden, v. Igel hatte nach einem Zechgelage in den Straßen Oranienburgs allerlei Un fug verübt und wurde daher von Marschner zur Ruhe ver wiesen, worüber der junge Mann so in Wut geriet, daß er den Steinsetzmeister mit dem Revolver niederschoß. * Die Gerettete« do« -er Lherry-Zeche in Illi- nois, die nach achttägiger Gefangenschaft in dem vom Feuer durchwüteten Bergwerk das Licht der Sonne wieder begrüßen konnten, sind von ihren Angehörigen mit wahrhaft unbeschreib licher Freude begrüßt worden. Die wackeren Retter, die üb rigens unermüdlich nach weiteren Ueberlebenden suchen, sind Gegenstand allgemeiner Ehrung. Groß waren die Leiden der Verschütteten in ihrem unterirdischen Gefängnis. Sie tranken daS aus der Felswand sickernde Wasser, nachdem die Nahrungsmittel aufgezehrt waren, die sie bei sich trugen, nährten sie sich von dem Fleisch gefallener Maulesel. Einige nagten die Rinde des Bauholzes, andere kauten an ihren Schuhen. Seltsam sügte es der Zufall, daß unter den Begrabenen sich auch ein Hilfsgeistlicher befand» er hielt jeden zweiten Tag einen Gottesdienst ab. Auch die mutige und kaltblütige Hal- ung eines mitverschütteten Bergmannes trug viel dazu bei, die Verzweiflung unter den Bergleuten nicht aufkommen zu lassen. Nichtsdestoweniger schrieb ein Italiener in einem An fall von geistiger Umnachtung ein seltsames Testament nieder, in dem er die Mutter Gottes ein „braves Weib" nannte und ihr all sein Hab und Gut vermachte. * Das allz« flotte Korps „Borussia"! Zwei Ange hörige des Korps Borussia in Bonn sind relegiert worden. Die ganze Affäre erregt sowohl in akademischen Kreisen, wie in der weiteren Oeffentlichkeit Aufsehen. — Ist eine Verbin dung suspendiert, so darf sie nicht geschlossen in der Oeffent lichkeit erscheinen, sich nicht an allgemeinen Veranstaltungen beteiligen und vor allem keine Farben tragen. Das hindert aber nicht, daß die Mitglieder nach wie vor auf der Kneipe erscheinen, in Farben Mensur schlagen und auch „Füchse keilen" gehen, d. h. neue Mitglieder zu erwerben suchen. * „Der Teufel im Ktthstall" oder „Gegen Dummheit dieses Lebens kämpfen Götter selbst vergebens", eine wahre Geschichte aus dem 20. Jahrhundert. Im Dorfe B. wohnt, so schreibt man dem „Pirn. Anz.", ein Ehepaar, das mit Besorgnis auf seinen Viehbestand blickte. Die Kühe fraßen schlecht, der Milchertrag wurde geringer, oftmals soll die Milch sogar sauer und blau gewesen fein. Man zerbrach sich den Kopf über die Ursache der Erscheinung, und schließlich kam man zu dem Schluffe, das Rindvieh müsse verhext sein. Es gibt Menschen mit dem bösen Blick, Hrxen usw., aber diesmal sei es der Teufel in eigener Person gewesen, der von den Kühen Besitz genommen hatte. Sollten sie wieder ge sund werden, dann mußte der Teufel ausgettieben werden. Glücklicherweise kamen Zigeuner nach dem Dorfe. Sie sind im Hexenspuk erfahren und haben allerlei Zaubermittel, den Bösen zu bannen und zu vertreiben. Uralt ist ihr Wissen und verläßlich ihr Tun, wenn sie auch landfremd sind, was tut's, man kann ihnen vertrauen. Die braunen Gesellen kamen und hörten von dem verhexten Vieh, und selbstver ständlich war es der Teufel, der hier seine Hand im Spiele hatte. Aber den wollten sie schon vertreiben, sie hätten es früher da und dort auch schon gemacht, den Teufel kennen sie ganz genau und er sie. Aber, so raunten die Zigeuner, der Herr mit dem Pferdefuß säße fest in der Enge der Tier- Das Schaufenster in der Weihnachtszeit. ES ist kaum ein Bierteljahrhundert her, daß dem Schaufenster, der Auslage, in Deutschland eine größere und allgemeine Wür digung zuteil wurde. Das Schaufenster war früher eng und bot eine gar zu reiche Menge von Artikeln dar, die noch dazu weder hervorragend waren, denn sie konnten unter Sonne oder Nässe leiden, noch gerade häufig gewechselt wurden. Das bat sich heute total geändert, und das Wort von der „Kunst in der Schaufenster- Dekoration" ist nicht unbegründet; es gilt vor allem Inder Weih nachtszeit Der Charakter und die Lebensgcwohnheiten haben sich im äußeren Verkehr geändert. Das Publikum steht heute nicht mehr, wie einst in der guten alten Zeit, fünf oder zehn Minuten vor einer Auslage; selbst wenn es dazu Zeit hätte, so fehlt es doch an Lust, denn das ist nicht zeitgemäß. Atan schaut sehr gern, aber der Eindruck soll auch schnell ausgenommen werden können. Das gilt vor allem von Neuheiten, und diese sind cs ja, die für eine Schaufenster-Reklame zumeist in Betracht kommen. Wie der Deko rateur in der Wohnung auf Licht, Klarheit und Uebersichtlichkeit hinarbeitet, so muß auch das Bild des Schaufensters den gleichen Effekt hervorrulen. Nicht allzu vielerlei, das verwirrt und er müdet, bestechende Einzelheiten in einer geringeren Umrahmung. Daraus haftet das Auge mit Wohlgefallen, und was das Auge geschaut, das bleibt im Gedächtnis. Denn dem Erinnerungsver mögen der Leute von heute werden schwere Zumutungen gestellt, und dann befördern ja die unaufhaltsam wechselnden Zeitereignisse und Neuheiten das schnelle Vergessen. Es gibt kein Schaufenster und keine Branche, in dem und aus der sich nicht etwas machen ließe, was das Publikum fesselt. Und wenn ein Bäckerladen z. B in der Krapfenzeit einen hübschen Teller mit dem beliebten Gebäck in einem Kranz von Veilchen, die man in den Gärtner-Treibereien für mäßigen Preis erhält, ausstellt, so wird das Publikum lächeln und kaufe». Und ein Schuhwarenladen kann sicher aus Anerkennung rechnen, wenn er z. B. eine Mädchenschuh-Kollektion von der Wiege bis zu den Brautschuhen nett arrangiert. In Putz- und Modesachen be herrscht ein neues Genre alles, im Goldwarenladen sollen die einzelnen Gruppen sich ablösen. Der Spielwarenladen lasse den Mädchen und Knaben ihr Sonderrecht, dann freuen sich die einen und warten gespannt schon die andern. Nicht immer das Teuerste soll hinter den Scheiben sich anfbauen, aber stets etwas Geschmack volles. Und dann im entsprechenden Wechsel. Auch in die kleinen Städte hinein ist schon ein Stück der modernen „Kribbligkeit" ge zogen, die immer zu etwas Anderem hinüberspringen möchte und dies auch tut. Dem muß Rechnung getragen werden. Daß für eine ausreichende Beleuchtung und durchsichtige Scheiben gesorgt werden muß, ist nur natürlich. Auch die Geschäfts-Auslage er fordert Aufwand, aber neben der Zeitungs-Annonce bleibt sie doch unter allen Umständen die beste Reklame. II. Die Stiefmutter. Bon HanS Wald-Berlin. Mit den Schwiegermüttern beschäftigen sich vielfach die humoristischen Journale, mit den Stiefmüttern häufiger, als wir es wohl wünschen, die Gerichte. Aber beide Frauenarten sind, wie wir gleich hervorheben, viel, viel besser, wie ihr Ruf im Volksmund, und während von einer kleinen Zahl von Ausnahmen lang und breit gesprochen wird, wird über die Zehntausende liebevoller und braver Frauen geschwiegen, die nicht selten mehr Liebe aufwenden, wie die wirkliche Mutter es nur zu tun vermöchte. Die Verurteilung einer jungen, gebildeten Doktorfrau in Berlin zu zwei Monaten Gefängnis wegen roher Quälerei ihrer Stieftochter unter Mitwissen ihres Mannes hat jetzt wieder allgemeine Aufmerksamkeit erweckt. Wir stehen vor der Weihnachtszeit, und in diesen Wochen von brutaler Kin derquälerei zu hören, tut doppelt weh. ES befremdet erst recht bei einer Dame auS der Gesellschaft. Die Fälle sind ja leider ebenfalls nicht selten, wie die eleganten Damen in Weltstädten dermaßen von gesellschaftlichen Verpflichtungen in Anspruch genommen sind, daß sie um die eigenen Kinder nur im geringen Umfange sich kümmern können; aber eine direkte kalte Grausamkeit, die nicht einmal ein Vorurteil zur Ent schuldigung hat, stößt ab. Der Gerichtshof sah deshalb auch von einer Zubilligung mildernder Umstände ab und vermied eine Geldstrafe. Wenn eine „Frau aus dem Volke" aus Eifersucht auf die verstorbene erste Gattin, der ihr Mana vielleicht eine herzliche und oft betonte Erinnerung bewahrt, auf ein Stief kind einen Haß wirft, so ist das, wenn auch zu verurteilen, doch menschlich noch erklärlich. Aber nicht erklärlich ist es, wenn eine Dame ein Kind nur wegen seiner Existenz peinigt. Und es ist traurig, daran zu denken, welche Entwicklung ein solcher Frauen-Charakter nehmen muß, der den Tatsachen teil nahmslos, ohne alle Reue gegenüberstrht. Eben weil von den vielen Tausenden zärtlichen Stief müttern nie besonders die Rede ist, wollen wir auch an der Tatsache kurz vorübergehen, wie Kindermißhandlungen in unausgesetzter Folge durch Frauen im Verhältnis häufiger sind, wie durch Männer. Daß trunksüchtige oder exaltierte Männer sich zu Ausschreitungen Hinreißen lassen, passiert ja oft genug, aber in dem langsamen Quälen ist das weibliche Geschlecht häufiger schuldig. Aber auch auf einen anderen Punkt bleibt noch hinzu zuweisen: auf die Verhetzung von Kindern gegen Stiefmütter durch unberufene Personen. Auch im oben erwähnten Falle war das Verhalten des Kindes keineswegs stets einwandfrei, und die Schürung des Unfriedens durch „gute Nachbarn", Gesinde oder sonstwie interessante Personen hat schon unsäg liches Unhell angerichtet. Wenn Stiefmütter ihre Abneigung bekämpfen sollen, müssen böse Zungen sich noch weit mehr hüten, und es ist schade, daß hier das Strafgesetz so oft versagt. Der neue Reichstag wird, wie bekannt, auch wieder die Vorlage über die Abänderung des Strafgesetzbuchs erhalten, in welcher eine strengere Bestrafung von Kindermißhandlungen vorgesehen ist. Sie ist auch am Platze. Aber sicher wird man wünschen, daß die Erkenntnis, wie Kinder am leichtesten mit Liebe erzogen werden, sich mehr betätigen möge, wie das skengere Strafrecht.