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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 19.11.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-190911198
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19091119
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19091119
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-11
- Tag 1909-11-19
-
Monat
1909-11
-
Jahr
1909
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bVPGWMY'H meücheflurbrKtt Borstendorf AuSbeztrkuna einer 7,8 Ur groben Flüche von Vern auf Blatt 7V de- Grundbuch« für Plaue ein- aetraaenrn Plauer StaatSsorstrevier und zwar vom Rrvirrteil v den Oederaner Wald und Etubezirkung m den Gemeindedezitt Falkenau. f». VeztrkStiß findet Sonnabend, den 27. November 1909, mittag« Uhr im BerhandlungSsaale der König!. AmtShauptmannschaft Flöha mit folgender Tagesordnung statt: Die Bezirks-IahreSrechnung auf 1908; die Rechnung der König Albett-JudiläumS-Stiftung auf 1908; der Vor anschlag zum Haushaltplan des Bezirksverbands Flöha auf das Jahr 1910; Mitteilung über Ausgaben au- den dem Bezirksausschuß zur Verfügung gestellten Dispositionsgeldern (Pos. 9o und 12 deS Haushaltplans sür 1909); die Wahl eine« Mitglieds und Stellvertreters zum Wasseramt; die Wahl eine- Abgeordneten des Bezirksverbands zur Verbandsver sammlung deS Fürsorge-Verbands der König!. Kreishaupt mannschaft Chemnitz; die Wahl der Vertrauensmänner für die Schöffen, und Geschworenenwahl auf daS Jahr 1910; die Ersatzwahl eines ständigen Mitglieds der Ersatzkommission deS Aushebungsbezirks Flöha auf die bis Ende 1910 laufende Restperiode; die Ersatzwahl von drei Sachverständigen für KriegSleistungen auf die bis Ende 1910 laufende Restperiode; etwaige Anfragen aus der Mitte der Versammlung in Be zirksangelegenheiten. s Vit» öffentlicher Kommers für den 32. ländlichen Landtagswahlkreis, zu dem auch unser „Tageblatt" eingeladen worden war, fand vergangenen Sonnabend in Flöha statt. Einem längeren Bericht darüber im „Flöhaer Tageblatt" ent nehmen wir folgenden Auszug: Fast alle nationalliberalen Or- ganisativnen deS Kreises hatten Anhänger entsandt. Eine wirkungs volle Einleitung erfuhr da» reichhaltige Programm mit der vor züglichen Wiedergabe der auf Feldtrompeten geblasenen Kreuzritter- Fanfare von Henrion, wie überhaupt auch alle anderen von dem von Herrn Keller geleiteten wohldisziplinterten und leistungsfähigen Musikkorps der Clautzschen Fabrikfeuerwehr zu Gehör gebrachten Orchesternummern wohlverdienten Beifall fanden. Das Gleiche gilt von den feinnüancierten, mit großer Aufmerksamkeit ange- hörten Vorträgen der unter Führung deS Herrn Lehrer Rost- Plaue mehrere Male austretenden Sänaervereinigung Plaue. Den übrigen Teil deS Abends füllten allgemeine Gesänge und dine größere Anzahl Reden aus An der Spitze der letzteren stand die Festansprache deS Herrn Nationalökonom Martin Schneider- Leipzig, der in reichlich einstündigen Darlegungen in hochinteressanter und fesselnder Weise über daS Thema: ,100 Jahre sächsische Po litik" sprach. Herr Schneider fand ein sehr dankbares Publikum. Seine Aufforderung am Schlüsse, dem mit so großer Mehrheit wiedergewählten Abgeordneten Ernst Stephan Clauß «in dreifaches Hoch darzubrinaen, fand begeisterten Widerhall, und der also Ge feierte erhob sich sofort, um in herzlichen Worten für daS ihm bewiesene reiche Vertrauen zu danken und diesen Dank mit der Versicherung unwandelbarer Treue gegen das Vaterland, die Partei und seine Wähler zu verknüpfen. Sein Hoch galt der nationalliberalen Partei. Im weiteren wurden Reden gehalten von den Herren Redakteur Näther-Flöha (auf die Frauen, auf die Parteivereinsvorsitzenden und Vertrauensleute, sowie auf die Landwirtschaft), Privatmann Berghändler-Merzdorf und Dampf- zieaeleibesitzer Otto-Falkenau (auf ven nationalen Gedanken), Eisen- bahnbeamtrr Görner-Flöha (auf die Führer und Mitstreiter im Wahlkampf), Schneider-Leipzig (auf Sänger und Kapelle), Rothe- Sachsenburg (auf die „Offiziere und Unteroffiziere" der Partei m»t Herrn Abg. Clauß an der Spitze) und Herr Postassistcnt Friede-Flöha (auf die Presse). DaS Hoch auf König und Vater land hatte der Kommersleiter, Herr OberpostafMent Käßner-Flöha, ausgebracht, und dem Schirmherrn deS Deutschen Reiche-, unserem Kaiser Wilhelm, weihte Herr Schneider-Leipzig daS Glas. Gegen Ende des Kommerses forderte noch Herr Privatmann Reißig« Dittersbach, der Parteiveteran unsere» Wahlkreises, auf, den Dank für den der nationalliberalen Partei beschieden gewesenen Sieg zusammenzufassen in dem Choral: „Nun danket alle Gott". Kurz nach l/,i Uhr erreichte die Veranstaltung ihr Ende. f L«»SeS»eretn vo« Rote« Kreuz. Den Mitgliedern von freiwilligen Sanitätskolonnen werden künftig nach 9- bezw. 15jähriger Tätigkeit zur Dienstkleidung Aermelborten verliehen (nach 9jähriger Dienstzeit eine Borte, nach 12jähriger Dienstzeit eine zweite dergleichen). Die Auszeichnung besteht in einer grün-weißen Borte, wird auf der Litewka und dem Mantel angebracht und gilt sowohl für Kolonnenärzte, als auch sür die ordentlichen (aktiven) Mitglieder ver SanitätS« kolonnen und -verbände. f Bölkerfchlachttzenkmal-Lotterte. Bei der vorgestrigen zweiten Ziehung der Völkerschlachtdenkmal-Lotteri« wurd«n an größeren Gewinnen gezogen (ohne Gewähr): 3000 Mark auf Nr. 183 9S8, 1000 Mark auf Nr. 100080, 500 Mark auf Nr. 91860, 300 Mart aus Nr. 8800, 26351, 107165, 200 Mark auf Nr. 21318, 24602, 34027, 100 Mark auf Nr. 21298, 37 858, 50029, 52768, 69156, 74117, 79063, 98331, 119688, 144416, 154594, 186906, 196158, 197 874. — Ehemnttz. Der neue Bebauungsplan unserer Stadt zeigt eine ganze Reihe bemerkenswerter Projekte. So ist der alte Johannesfriedhof als Park mit dem Neubau eines Gymnasiums vorgesehen, eine Gürtelstraße, die daS ganze Stadtgebiet begrenzt und mit Ecken und Schlangenlinien einen malerischen Charakter erhalten soll, ist geplant, sowie ein Pro menadenweg projektiert, der vom Zrisigwald über Reichenhain ins Zwönitztal und von da in die neuen Stadtparkanlagen des ZwönitztaleS führt. Der neue Bebauungsplan wurde den Mitgliedern des Rats- und Stadtverordneten-Kollrgiums durch Herrn Geheimen Baurat Stübben (Berlin) durch einen Licht bildervortrag erläutert und fand allseitigen Beifall. — Dresden. Der Rat genehmigte in seiner letzten Si tzung den alsbaldigen Abbruch des Italienischen Dörf chen« am Theaterplatze, der mit dem Brückenneubau in Verbindung steht und unbedingt notwendig wird durch die veränderte Gestaltung dieses Platzes. Mit der endgültigen Beschlußfassung über das an dieselbe Stelle nach Plänen des Stadtbaurates Erlwein zu setzenden Cafö-Rrstaurants wird sich der Rat demnächst beschäftigen. — In einem Anfälle hochgradiger Nervosität erschoß sich auf der Reise von Glau chau nach hier in einem Zugabteil ein Oberleutnant vom Be zirkskommando zu Glauchau, der früher als Leutnant bei der hiesigen Polizeidirektion angestrllt war und vordem dem 104. Regiment in Chemnitz angehörte. — Zu einem großen Tu mult kam es in einer vorgestern nachmittag vom Bund deut scher Gastwirtsgehilfen (Sitz Leipzig) nach Meinholds Sälen einberufenen Versammlung, in welcher Stadtverordneter Bun zel-Leipzig über Zwecke und Ziele des Bunde» sprach. In der Debatte kamen eine Anzahl Gegner zu Worte, wobei es an lärmenden Szenen und scharfen persönlichen Angriffen nicht fehlte. Unter großem Tumulte schloß der Vorsitzende die Versammlung. — Nach hierher gelangter Mitteilung be absichtigt der sogenannte Weltreisende Emil Pohlig aus Solingen demnächst in Dresden öffentliche Vorträge über seine Erlebnisse und Abenteuer zu halten. In seinen An kündigungen behauptet er, in den Jahren 1897 bis 1903 zu Fuß um die Erde gewandert zu sein. Die hiesige Polizei warnt vor dem Besuche dieser Vorträge mit der Bekanntgabe, daß Pohlig in vorgenannter Zeit vielmehr 3^/, Jahre in deutschen Strafanstalten untergebracht war. — Staats minister Dr. Beck, der Ehrenvorsitzende des Fürsorgevereins für Taubstumme im Königreich Sachsen, empfing den Vor stand dieses Vereins, um den Dank an den König für die Uebernahme des Protektorats zu übermitteln. — Der früher in Dresden wohnhaft gewesene, 1887 in Preetz in Pommern geborene Freiherr Ludwig Adalbert von Ledebur wird jetzt wegen Betrug« gesucht. DaS KreiSgericht Eger Hal hinter dem Freiherrn einen Steckbrief erlassen. — Hier soll auf dem städtischen Areal hinter dem Justizpalast an der Münchener Straße, wir verlautet, ein großes Museum mit ständiger Aus stellung neuer Erfindungen errichtet werden. — DreSSt«. Zu der WahlsähigkeitSprüfung am Lehrer- seminar DreSden-Friedrichstadt hatten sich 32 Hilfslehrer ge meldet. Es erhielten in den Wissenschaften 3: Id, 7: II», 11: II, 8: Ilb und 3: III». — Pir««. Im Kgl. Seminar zu Pirna fanden vom 8. bis 12. November Wahlfähigkeitsprüfungen statt. ES erhielten in den Wissenschaften 3 die Id, 7 die II», 9 die II, 5 die Ild, 1 die III. — Leipzig. Beim Eintreffen eines Leipziger Zuges in Hof wurde der Oberpostschaffner Hoppe aus Leipzig-Conne witz verhaftet. Er stand schon längere Zeit im Verdacht, Postsendungen zu bestehlen. Bei der Revision des Zuges fand man im Klridrrsack d«s Verhafteten mehrere au» Postsendungen gestohlene Sachen. Eine in der Wohnung vorgenommene Haussuchung brachte ein ganzes Waren lager gestohlener Gegenstände zutage. Ebenso fand man bei einer Kellnerin in Hof, zu der der Verhaftete Beziehungen unterhielt, einige Säcke voll gestohlener Waren, die gleichfalls beschlagnahmt wurden. — Lichteustei» s G. Tödlich verunglückt ist auf einem Höhndorfer Steinkohlenwerl« der im benachbarten Bernsdorf wohnende 35jährige Bergarbeiter Gustav Löffler. Er hinter läßt eine Witwe und drei unmündige Kinder. — RetcheaBsch. Eine Ueberlandzentral«, Wie ste im Hinblick auf da» große Jntereffengkbiet wohl einzig im weiten Umkreise dastehen dürfte, wird durch das hiesige Elek trizitätswerk geschaffen. Da» Gebiet umfaßt 70 Gemeinden, von denen 65 bereits Verträge über Lieferung von Licht und Kraft abgeschlossen haben. Im Nordm reicht die Zentrale bis nach dem reußischen Dorfe Raudnitz, im Süden bis Neuen salz, im Osten bi» Liebau und im Westen bis Kunersdorf. — Ploe». -ur Bildung einer Aktiengesellschaft für den Betrieb von Luftschiffen sind hier 21000 Mark gezeichnet worden. — Der in den 30er Jahren stehende, hier wohnhafte Maurer BartoS, der bei der Thoreyschen Fabrik in Falken stein beschäftigt war, ist dort mehrere Meter hoch abgestürzt. Er hat dabei einen schweren Schädelbruch erlitten. An dem Wiederaufkommen des Verletzten wird gezweifelt. We nige Augenblicke nach dem Absturz BartoS wollte der Fabrik- portier, der von dem Unglück noch keine Kenntnis hatte, dem Bedauernswerten die von dessen Frau telephonisch übermittelte Nachricht mitteilen, daß seine drei Kinder an Scharlach er krankt seien. Lage»»««»«»«. Lentsche» »«ich. — Die 23. Generalversammlung de» Evangeli schen Bundes wird in Chemnitz vom 25. bis 28. Sep tember 1910 stattfinden. Die Verhandlungen zwischen dem Präsidium und dem Ortsausschuß ergaben, daß in der um fangreichen Festhalle des Kaufmännischen Vereins die General versammlung ein« würdige Stätte finden wird. — EineEingabe des Zentralverein» deutscher Staatsbürger jüdischen Glauben» an daS sächsische Justizministerium hat jetzt seine Erledigung gefunden. Die Eingabe stützte sich darauf, daß in einer Prozeßsache Kindermann gegen Steinhaus, die unter dem Landgerichts« direktor Menz von der 6. Kammer für Handelssachen de» Der Vorfftelä. Novelle von M. Kneschke«Schönau, st. v-rprvnr«. —— lNairornL Die beiden Herren betrachteten daS alles mit Interesse und wechselten einiae vielsagende Blicke. Dann öffnete Gerwin eine Tür zur Rechten und trat mit Franzius in die Kutscher stube ein, ein lange-, schmales Gemach mit einem breiten Fenster voll blühender Topfgewächse. Ein ohrbetänbender Lärm von Vogelstimmen, ein Pfeifen, Tirilieren, Schwirren und Flattern scholl ihnen entgegen. Die ganze Längswand zur Linken war mit Vogelkäfigen der verschiedensten Art und Größe dicht bedeckt, in denen wohl an hundert gefiederte Sänger, vorherrschend Kanarienvögel, ihr Dasein fristeten. In einem plumpen Lehnstuhl am Fenster saß der alte Kutscher. Er bastelte an einem Bienenhms und eihob sich beim Anblick der Fremden, zog an einer Schnur, die einen grünen Vorhang mit einem Ruck vor die glsamten Käfige breitete und ein sofortiges Verstummen der Sänger zur Folge hatte. Dann erst hob er grüßend Las gestickte Samtkäppchen vom weißen Scheitel und :rat den Herren entgegen. In dem schmalen, von nnz chligen Fältchen durchfurch en Gesicht war nichts von Verwunderung über dielen Besuch zu lesen. Ruhig und freundlich blickten die Hellen Grcisenangen zu dem Bildhauer auf, der seinen Fr.und vorstellle und bat, ihm die Vogel- und Bienenzucht des Alten zeigen zu dürfen. Sch oeigend, aber sehr bereitwillig nick.'e Larssen Ge währung. Voll ^nlerege beobachtete Franzius den alten Mann, über dessen ganzem Wesen eine so abgeklärte Ruhe und kindliches Genügen lag. daß er es nicht mit der ver büßten Zuchthausstrafe in Fnsamwcnbang bringen konnte. Gerwin, der dies Knischer-Eldorada bereits kannte, machte den Cicerone, während der Alte nur manchmal durch Kopf nicken die Richtigkeit Ler Angabe, des Bildhauers bestäiigte. Das Interesse der Herren schmeichelte ihm sichtlich. Bereit- willigst kramte er die Raritäten hervor, die er besaß. Das Prachtstück derselben war ein versteinerter Seeigel, den er nach einer Sturmflut am Strande gefunden. Fast alles Gerät des Stübchens war selbstgesertigte Arbeit; die Vogelkäfige, die Blumeuampelu am Fenster, die geschnitzte Truhe am Ofen, alles ails seiner Hand hcroorgegangen. Ein riesiger, alter Schrank, der die Geschirre der Pferde und sonstigen Kutjcher- utensilien barg, war nnt Malerei versehen. Da war in kind licher Auffassnng die Villa nebst Garten und Stallgebände gemalt. Der neue Landauer mit den dicken Schimmeln und einige Männlein und Weiblein belebten das Bild. „Das is die gnädige Fru, und das bin ick, wie ick der gnädigen Fru „Gudeu Morgen" sag'", erklärte der Alte stolz und wies auf eine weiße Gestalt mit rotem Sonnenschirm, die gleich einem Fliegenpilz auf dem grünen Grunde stand. Der ganze Stolz des Künstlers leuchtete dabei aus seinen Augen und gab dem Gesicht etwas Jugendliches. Franzius musterte ihn scharf. Der Mann war bei weitem nicht so alt, l>ls er bei flüchtigem Bbck aussah. Nur das schlohweiße Haar und die tieien Furchen quer über der Stirn und längs der Mundwinkel ließen ihn so greisenhaft erscheinen. Nachdem man noch die Meerschweinchen, die weißen Tanz mäuse und die Immen im Garten besichtigt und der treue Gefährte des Alten, der strupv ge Pinscher Pirat, seine Kunst stücke gezeigt hatte, verabschiedeten sich die beiden Besucher. Gerwin fragte den Alten, ob er nicht einen Wunsch habe, den er ihm erfüllen könne. »Ja, ja," erwiderte jener nach kurzem Besinnen. „Mei leim' Herr, ick heww hört, dat es in der Stadt Vogelpipen gewen dauhn deiht. So ein lütt Dings möggt ick glickS hewwen Ick wull dat jo betahlen —' Eine Vogelpfcife? Zum Vorpfeifen sür die jungen Kanarienhähne? Aber gewiß, lieber Larssen, die sollen Sie haben!" „Und da- soll ein Mörder gewesen sein? Dieser Mann mit dem Kindergemüt und der rührenden Liebe für die Tiere? Nimmermehr!" tagte Franzius, als er mit dem Meister wieder der Villa zuschritt. „Warten Sie die Erzählung der Baronin ab," erwiderte Gerwin kurz und ließ den Klopfer dröhnend gegen die Haus tür fallen. , Ein hübsches Stubenmädchen öffnete, nahm die Katten der Besucher in Empfang und führte die beiden Herren in ein kleines Wa-lezimmer zu ebener Erde. Zwei Minuten später meldete sie „die Frau Baronin läßt bitten" und schlug die Portieren zurück, um Gerwin und Franzius in das an stoßende Bibliothekzimmer zu geleiten, einen mäßig großen Naum mit Heller Holztäfelung an den Wänden, in welche die Bücherborde gleich eingelassen waren. Schwere, dunkelrote Vorhänge befanden sich an Fenstern und Türen, in der Mitre des Raumes ein mächtiger Eichentisch und in einer Ecke ein lauschiges Plätzchen, eine schräggestellte Causeuse, umgeben von einer Menge niedriger, seltiam geformter Sessel und Etagerentischchen. Am Kopfende erhob sich «ine Brolize- fignr aus schwarzer Säule, eine Bajadere, die mit graziös er hobenen Armen eine Blumenranke hielt, deren Blüten aus elekiriichin Glühlampe» bestanden und au- gefärbten Gläsern ein wunderbar abgetöntes Licht verbreiteten. Auf dem Diwan lag die Baronin Sanden und streckte beide Hände dem auf sie zueileuden Bildhauer entgegen, während eine junge Dame, die neben ihr gesessen hatte, sich mit leichter Verbeugung gegen die Besucher erhob und in den Hintergrund zurückzog ..Mein lieber Meister, wie freue ich mich, Sie wiederzu sehen! Sie haben mich sehr vernachlässigt, und ich sollte schelten. Aber da meine Antigone abgereist ist, begreife ich nur zu wohl, daß mit ihr der Magnet, der Sie hergezogen hat, verschwunden ist." „Aber meine gnädigste Frau, wie können Sie so etwas glauben." erwiderte Gerwin gekränkt und führte die Hand der Baronin ehrerbietig an seine Lippen, um dann seinen jungen Freund vorzustesin. „Mein Freund, Doktor Franzius, seine- Zeichens ein Schriftsteller oder Di hier, wie er sich noch lieber nennen hört!" Franzius machte eine abwehrende Bewegung, aber Gerwin fuhr unbekümmert in feiner jovialen Weise fort: „Er ist ein sehr gefährlicher Mensch, meine Damen, der nur mit Vorsicht zu genieße,» ist, denn er befindet sich momentan in einem Zustand, den man im Dichttrjargon „stoffhungrig" bezeichnet. Ein stoffhungriger Dichter ist aber schlimmer «lS em brüllender Löwe, der herumgchet und sichet, wen er verschling«. Des halb muß ich Ihnen nochmals Vorsicht anempfeh!«»." „Seien Sie mir willkommen, Herr Doktor l Und glaub«« Sie ja nicht, daß ich mich von jenem Spötter beeinflussen lass«. Ich kenne ihn wohl. Nehmen Si« Plasp und wenn ich Ihnen il» irgend einer Hinsicht nützlich sein kann" — ihre Auge« streiften die hohen Bücherreaal« — „so stelle ich mich Ihne» gern zur Verfügung. Doch nun wollen wir erst gemütlich den Tee nehmen. Helene, bitte den Samowar!" Während die jung« Dam« d«n aus Rädern laufend«« Lettisch, m dessen Mitte der große, silbern« Eanwwar prangte, in die Nähe deS DiwanS rollt« unb drn gttdhelkn, aroma tischen Trank in die kleinen, russischen, au» Kristall geformten und in silbernen Nestchen stehenden T«ealäser füllte, fand Franzius Zeit, die eigenartige FrauengestaÜ vor sich auf de« Diwan zu mustern, die mit seitwärts gewendetem Haupt« n»it dem Bildhauer ein Gespräch über ihr Leiden — st« war an beiden Füßen gelähmt — angeknüpft Katt«, Si« mocht« nahe den Fünfzig sein, wenigsten» war da» dunkle Haar schon reichlich mit Sitberfäden durchzogen, und da» blaffe, schmale Gesicht zeigte Spuren tiefer Ermüdung. Ein Paar großer, wvuderbar leuchtender, grauer Augen gab dem durchgeistigten Gesicht einen besonderen Reiz Sie schienen de»» Menschen bi» auf den Grund der Seele zu sehen, und wenn sie so ver loren ins Weite blickten, so lag in ihnen die hoffnungslose, bange Frage: „Warum bin wohl ich so elend?" -Und elend, physisch und psychisch, war dies« Frau! Da» sagten die Leidensipuren im bleichen Antlitz, die hilflose Haltung der zarten Gestalt und nicht zum wenigsten die Schwermutsfchatten in den tiefen Augen. Wie hatte doch Gerwin von ihr gesagt? „Ein glückverwaistes Weib, dem alle» genommen wurde, wa» seinem Herzen teuer war, daS, um geben von Reichtum und Ueberfluß, hungert und dennoch nicht bitter geworden ist, sondern in aller Seelenqual ein mit fühlendes Herz sür fremdes Leid sich bewahrt hat und mit seinen reiche»» Mitteln unermüdlich tätig ist, Elend zu milder», Tränen zn trocknen — ein E.»gel der Barmherzigkeit." Indessen hatte Meister Gerwin der Baronin seine Bitte um Erzählung des Schicksals ihre» Kutscher» vorgetragen. „Also meiuem alten Larssen danke ich den Vorzug Ihrer Bekanntschaft?" wandte sie sich lächelnd an Franziu» und fügte dann sinnend hinzu: „O ja, ich kann eS mir denken, daß diese Schicksalstragödie für einen Dichter von Reiz sein mag,' und gern will ich Ihnen mitteilen, wa- ich davon weiß. Aber Sie, bester Meister, verbanne ich »nterdrssen aus unserer Nähe, denn" — ein schelmische- Lächeln umspielte den blasse»» Mund — „ich sah Sie damal» schon mit einen» Gähnen kämpfen, al» ich Antigone dies« Geschichte erzählte. Wie würde eS erst heute bei der Wiederholung und ohne deren Gegenwart werden! Vielleicht interessieren Sie di« Mappe»» mit den alten englischen Stiche» drüben in meinem Arbeitszimmer. Helene, du bist wohl so freundlich, sie dem Meister zu geben, und «en» du u»S ba»n «it etwa» Musik erfreuen wolltest" —
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