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.N S40 Freitag »e> IS Oktober 1909 Frankenberger Tageblatt Anzeiger tzegründei 1842 68. Zahrgans. 2L-, Mo»s«. Personen wurden verhaftet. Gaskandelaber wurden umge rissen und Barrikaden errichtet. Erst nach und nach löste sich die Menschenmenge auf und zog johlend durch die Straßen.. Paris. Bei den gestrigen Krawallen sind über 100 Kundgeber verletzt worden. Zwei Offiziere der republi- kanifchen Garde wurden schwer und 15 Polizeiagenten leichter verletzt. Ein Polizist wurde getötet. Der Kabinettschef Briand erklärte um Mitternacht in einem Interview, daß die gestrigen blutigen Auftritte mit der von dem Abgeordneten Vaillant geleiteten Kundgebung nichts gemein hatten, sondern das Werk von Anarchisten seien. Der Polizeipräfekt wird dem Ministerpräsidenten Vorschläge bezüglich Auszeichnung einiger Polizeiagenten machen, welche bei den gestrigen Vor gängen besonderen Mut bewiesen haben. Tovloa. Viele Gemeinde- und Generalräte in Frank reich hoben gestern als Zeichen der Trauer über die Hin richtung Ferrers die Sitzungen auf. Madrid. Ministerpräsident Maura äußerte seine Genug tuung darüber, daß in Barcelona vollkommen Ruhe herrscht, seitdem der Anarchist Ferrer hingerichtet worden ist. Lissabon. Die spanische Gesandtschaft wird von Truppen bewacht. Das Rathaus hat halbmast geflaggt zum Zeichen der Trauer über die Hinrichtung Ferrers. Frankenberger Tageblatt. Verlag. 76 >5 13 >4 78 t0 ;o X) )7 7S »7 t6 rs )2 t4 »2 t8 17 17 12 t2 73 tt 14 >4 rt ZUM Jahrmarkt Inserate für die Sonntags-Nummer des „Frankenberger Tageblattes" erbitten wir recht zeitig; möglichst schon bis Freitag abend. «, Ankündigungen find rechtzeitig auszugeben, und zwar größere Inserate bis S Ühr vormittags, kleinere bis spätestens 11 Uhr mittags des jeweiligen Ausgabetages. Kür Aufnahme von Anzeige« an bestimmter Stelle kann eine Garantie nicht übernommen werden. tzUf- 51. Telegramme: Tageblatt Frankenbergsachsen. Anzeigenpreis: Die 8 -gesp. Petitzeile oder deren Kaum 1b H, bet Lokal- Anzeigen 12 Z; im amtlichen Teil pro Zeil« 40 „Eingesandt" t» Redaktionsteile Zö Für schwierigen und tabellarischen Satz A usi ch für WiederholungSgbdruck Ermäßigung nach seststehenl Nachweis und Offerten. Annahme werden Sb <) Extrageb Jnseraten-Annahme auch durch alle deutschen Annoncen «enilcber «ml SScdrucder Frankenberg, 14. Oktober 1909 f* Zur LandtagSwahl. Unsere im Interesse des Wahl kreises und des Vaterlandes eingenommene Stellung wird vom mittelständischen Lager in Mittweida bekämpft. Man irrt, wenn man meint, wir sagen kein Wort gegen die Sozial demokraten. Wir haben ost genug betont, daß der Schwer punkt des Wahlkampfes gegen die vaterlandsfeindliche Sozial demokratie zu legen ist und daß gerade deshalb, weil unser 10. städtischer Wahlkreis sehr gefährdet erscheint, jede Stimmenzersplitterung aus bürgerlicher Seite ver mieden werden möchte. Das geschieht durch eine Sonder kandidatur, und als solche muß die mittelständische Kandidatur Grosch angesehen werden, nicht! Wir zweifeln nicht daran, daß der Mittelstand „königstreu bis in die Knochen" ist. Aber gerade die Königstreue hätte die MittelstandSvereinigung davon ab- ' halten muffen, durch eine eigene Kandidatur den Sozialdemo- Erscheint au jedem Wochentag abends für dcn folgend«« Tag. Bezugs- preis vierteljährlich 1 50 monatlich 50 H. Trägerlohn extra. — Einzelnummern lausenden Monats 5 H, früherer Monate 10 Geßelluugeu werden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Ausgabe- stell««, sowie von allen Postanstalten Deutschlands und Oesterreichs angeuowmen- Nach dem Auslande Versand wöchentlich unter Kreuzband. boykottierten alle spanischen Schiffe. In Triest erzwang die Menge die Schließung der Theater und Kinematographen. Eine Gruppe von Demonstranten demolierte die Jesulten- kapelle. Brüssel. Ueber 100 Studenten versuchten gestern abend vor die spanische Gesandtschaft zu ziehen und dort zu de monstrieren, wurden jedoch von der Polizei zurückgedrängt. Jil der Vorstadt Jxelles wurde in einer Kinematographen- vorstellung das Bild König Alfons ausgepfiffen. Einem hiergegen protestierenden Spanier wurde arg mitgespielt. In einem Laden, wo ein Bild König Alfons ausgestellt war, wurden die Fenster eingeschlagen. Paris. In der französischen Hauptstadt kam es gestern zu heftigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Mani festanten, die vor der spanischen Botschaft Kundgebungen gegen Ferrers Hinrichtung veranstalteten. Unter dem Rufe: „Nieder mit dem katholischen Spanien!" zogen große Meu- schenmassen gegen das spanische Botschaftsgebäude, wurden aber dort durch einen Polizeikordon zurückgedrängt. Bei dem Versuch, den Kordon zu durchbrechen, wurden zahlreiche Mani festanten durch Säbelhiebe schwer verwundet. Viele Revolver- schüffe wurden abgefeuert. Der Polizeipräfekt Lapine, sowie der Führer der Munizipalgarde wurden durch Steinwürfe am Kopfe verwundet. Ein spanischer Anarchist gab zwei Revolverschüffe gegen den Präfekten ab. Der erste Schuß verwundete einen Polizeiagenten schwer, der zweite einen an deren Polizisten leichter. Der Anarchist und zahlreiche andere kraten in die Hände zu arbeiten. Unser Wahlkreis ist im guten Einvernehmen aller bürgerlichen Parteien seit langem gut nationalliberal vertreten gewesen; es war deshalb auch da- Vorrecht der nationalliberalen Partei, einen Kandidaten zu präsentieren. Nachdem dieser selbst dem Mittelstand an gehörende Kandidat bestimmt versichert hat, die wahren In« teressen des Mittelstandes energisch zu vertreten, lag keine direkte Veranlassung vor, einen eigenen Kandidaten zu bringen, der wenig Aussicht hat, gewählt zu werden! Day Vater land über der Partei, die Interessen der Allge meinheit und des Vaterlandes übe-: die eigenen! das muß dir Parole für die bevorstehende Wahl sein. Die Mittelstandsvereiuigung aber treibt einseitige Interessen- Politik, sie unterstützt — fast tlingt's wie Hohn — im Land tagswahlkampf nur solche Parteien, welche die schweren Belastungen des Mittelstände- im Reichstage be schlossen haben. Von den liberalen Parteien, die Mgen die Belastung des Mittelstandes stimmten, wird nicht eine unter stützt. — Gleichviel: Man scheint im mittel ständischen Lager trotz unserer eindringlichen Bitte nicht auf die Aufstellung eines wähl kreis fremden Kandidaten verzichten zu wollen, den bürgerlichen Wählern stehen am 21. Oktober also zwei Kandidaten zur Auswahl, — möge jeder nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden, aber vor allem tue jeder seine Pflicht! Fehle keiner an der Urne, auch darm nicht, falls es am Stichwahltage gelten sollte, die endgültige Entscheidung zu treffen! s A«S -em Kirchenvorftaud. In der gestrigen Sitzung wurden in Gegenwart des Vorstandes der hiesigen Kantorei- gesellschaft den Herren Julius Hunger und Bruno Nie« lius von hier, die seit 1874 bez. seit 1867 ummjerbrochen dieser Gesellschaft al- außerordentliche Mitglieder angehürt haben, durch Herrn Obcrpfarrer Ehmer je eine AuerlamungS« urkunde des Landeskonsistoriums für ihre langjährige,' selbst lose und verdienstpolle Arbeit im Dienste der Mche feierlich überreicht. f Das neue Aüufnudzwauzißpfenutgftück. In dm nächsten Wochen wird mit der Ausprägung der neuen Fünf« undzwanzigpfennigstücke begonnen, sodaß die Ausgabe voraus sichtlich Mitte Dezember erfolgen wird. Das neue Geldstück ist in seiner Größe der Mark fast gleich, doch ist sein Rand glatt. Die Vorderseite zeigt einen sitzenden Merkur, neben dem die Wertbezeichnung angebracht ist. Die Rückseite trägt, um Verwechslungen mit dem Markstück vorzubeugen, nicht nur den heraldischen Reichsadler, sondern auch die Bezeichnung „Deutsches Reich", die Wertbezeichnung, die sonst stets auf der Vorderseite unserer Münzen angebracht sind. Das Fünf- undzwanzigpfennigstück wird auch das erste deutsche Geldstück sein, das die Wertbezeichnung auf beiden Seiten trägt. f Sternschnuppe« begegnen der Erde vom 19. bis 25. Oktober in etwas reicherem Maße. Die Körperchen strahlen, wie alljährlich um dieselbe Zeit, bei den Sternen Ny „Orion", Beta „Stier" und „Zwillinge" aus, die spät abends im Osten und Südosten emporsteigen. — Plane b. Flöha. In*der Tüllfabrik von Siems u. Co. verunglückte der Tüllweber Lesch aus Euba dadurch, daß er mit der rechten Hand in die im Gange befindliche Maschine geriet. Dem Unglücklichen wurden zwei Finger abgerissen. — Dresden. Im Festsaale des Ministerhotels fand heute nachmittag eine Ehrung des 80jährigen Wirk!. Geh. Rates Otto Vitzthum von Eckstädt durch das Königliche Kon servatorium statt. Die obersten Klassen sangen eine Anzahl Chorlieder, während ein Quintett und eine Solosängerin wei tere Vorträge darboten. Herr Johannes Krantz dankte dem 80jährigcn Grafen für seine langjährige Wirksamkeit als Vor sitzender des Patronatsvereins. Der Feier wohnten auch Staatsminister Vitzthum von Eckstädt, Mitglieder der Hof gesellschaft und das Lehrerkollegium des Königlichen Konser vatoriums bei. — Dresden. Zwei Fabrikarbeiterinnen von 17 und 20 Jahren wurden in den Anlagen von Altlöbtau krank ange troffen, nachdem sie zuvor Karbolsäure getrunken hatten. Beide überführte man ins Krankenhaus. Der Grund zum gemein samen Selbstmord ist unbekannt. — Der Direktor der Ge sellschaft Luftschiffbau Zeppelin, Herr ColSmann, wird am nächsten Freitag in Dresden in einer vom Ober bürgermeister Dr. Beutler geladenen Versammlung die Zwecke und Ziele der neugegrttndeten Verkehrögesrllschast darlegc». Es besteht die Absicht, die Stadt Dresden in dm regel mäßigen Verkehr mit lenkbaren Lustschisfcn einzu« beziehen, wen» sich die finanziellen und technischen Vorau«« setzungen verwirklichen lassen. — Kötzschenbroda. Die Gräfin Strachwitz, die jetzt in Berlin ein blutiges Ende gefunden hat, hat im vorigen Jahre in der Lößnitz gewohnt. Das genannte Blatt schreibt: „Um Spante». Einen Namen las man in den letzten Tagen immer und immer wieder in den Meldungen aus Spanien, denjenigen FerrerS, des Führers der Revolutionäre von Barzelona. Seit Jahren und Jahrzehnten dauern die trostlosen inneren Zustände in Spanien an, ohne daß jemals eine Besserung einträte, ein Kabinett löst das andere ab, irgendwelche Aen- derungen in den korrumpierten Zuständen tritt nicht ein, es bleibt alles beim Alten. Unter diesen Umständen darf man sich nicht wundern, wenn die Unzufriedenheit der Bevölkerung immer mehr wächst und die radikalen Parteien an Anhang gewinnen. Auch der Anhang der Revolutionäre wächst dadurch begreiflicherweise. Im Sommer d. I. war man von einem Ausstand im Süden nicht allzuweit entfernt und in Barzelona kam es, wie erinnerlich, zu schweren Straßenkämpfen. Der Führer dieser Bewegung soll Ferrer gewesen sein, und wenn er es jetzt auch entschieden bestreitet, so steht doch fest, daß er seit Jahren den Umsturz gepredigt und zu Ge walttaten aufgereizt hat; er wäre nicht der erste, der in der Stunde der Not alles ableugnet. Wegen seiner Verurteilung erhebt sich jetzt, hauptsächlich in romanischen Ländern, ein „Entrüstungssturm", man merkt aber sehr leicht, daß Mache dahintersteckt. Es soll unumwunden zugegeben werden, daß die spanische Regierung bei der Verurteilung durch das Kriegsgericht nicht ganz korrekt verfahren ist und daß es richtiger gewesen wäre, ein ordentliches Gerichtsverfahren gegen ihn durchzuführen, gehen denn aber die Revolutionäre ihrerseits gegen den Staat nicht gewaltsam vor und war es denn nicht erwiesen, daß Ferrer an der revolutionären Be wegung Teil hatte? Diese moralische Entrüstung, diese Abhaltung von Protestversammlungen seitens der Liga der Menschenrechte in Brüssel und anderen Orten ist nichts anderes als eine Farce und kaum ernst zu nehmen. Etwas anderes ist es allerdings, ob die spanische Re gierung in ihrem Vorgehen taktisch klug gehandelt hat, indem sie durch die Art des Gerichtsverfahrens dazu beitrug, Ferrer zu einem Märtyrer zu stempeln. Zweifellos werden ihr daraus im Innern neue Verwickelungen erwachsen und man muß dem weiteren Gang der Dinge in Spanien mit einiger Besorgnis entgegensetzen, denn es liegt auf der Hand, daß sich die Wut der Revolutionäre in weiteren Gewalttaten Lust machen wird. Und doch brauchte Spanien gerade jetzt mehr denn je Ruhe für seine weitere Entwickelung, zumal Marokko schwer auf dem gesamten Staatsleben lastet. Der Rifkrieg ist noch lange nicht zu Ende und erfordert weitere Millionen und wahrscheinlich auch blutige Opfer, und irgend welche Vorteile werden Spanien aus diesem Feldzug nimmer mehr exwachsen, dy die übrigen Mächte zu scharf auspassen und eine Ausdehnung des spanischen Besitzes in Nordafrika nie Massen, so daß man sich in Spanien höchstens mit einer Geldentschädigung wird begnügen müssen, deren wirklicher Einlauf bei den wunderbaren Finanzen des Sultans mehr als fraglich sein dürfte. Die Mißstimmung über die marok kanische Expedition in der Bevölkerung ist sehr beträchtlich und so häuft sich im Verein mit den jüngsten Vorkommnissen in Barzelona eine Menge Zündstoff zusammen, der über kurz odW lang zu einer i^ploston führen kann, die leicht den spanischen Staat bis in die Grundfesten erschüttern kann. Ferrer hiugerichtet! Während obige Zeilen sich im Satz befanden, erhielten wir aus Barzelona die Nachricht: Ferrer ist am Mitt woch vormittag 9 Uhr erschossen worden. Da die Kriegsgerichtsverhandlnug gegen Ferrer geheimgehalten worden ist und objektive Berichte infolge der streng gehandhabten Zensur noch nicht an die Oeffentlichkeit gedrungen sind, läßt sich noch nicht mit Sicherheit sagen, ob Ferrer zu Recht oder zu Unrecht verurteilt worden ist. Seinen Freunden erscheint Ferrer ja nur als Vorkämpfer für Freiheit und Recht in einem Lande, das unter dem Druck des Klerikalismus seufzt. Andererseits aber deuten auch viele Anzeichen darauf hin, daß Ferrer ein wüster Revolutionär, ein „Anarchist der Tat" war, der darauf ausging, die bestehenden Zustände seines Vaterlandes mit Gewalt zu ändern. Berit«. Nach den hier vorliegenden Privatmeldungen hat die Hinrichtung Ferrers in Frankreich, Italien, Belgien und Portugal lebhafte Protestkundgebungen veranlaßt. Die spanischen Konsulate und Gesandtschaften standen vielfach unter erhöhtem polizeilichen Schutz, der sich in vielen Fällen als notwendig erwies. In Brüssel entfernten die Diener der spanischen Gesandtschaft in den Abendstunden das spanische Wappen, damit cS nicht von den Demonstranten beschimpft werde. In Rom beschloß der Stadtverordnrtenausschuß, dem Gcmeinderat vorzuschlagen, den St. Jgnacius-Platz in Fran cisco Ferrer Platz umzutaufen. Die Hafenarbeiter von Genua DMl! für die MM DKWmmW Ms, Los MM DtrzmO ooö Seo Mut z« Arsnkmüerg j. Za Verantwortlicher Redakteur: Ernst Roßberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und «erlag von E. G. Roßberg in Frankerberg i. Sa.