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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 08.09.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-190909084
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19090908
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19090908
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-09
- Tag 1909-09-08
-
Monat
1909-09
-
Jahr
1909
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«EW»WWWM MW WWWPW w-wv tiue Kommission eingesetzt. Der Antrag de- Gauverbandes, um Wiedereinführung d«S seit 1. April v. I. auf den mittleren und Heineren Stationen der sächsischen StaatSeisenbahnen in Wegfall gekommenen Abrufens der Züge in den Wartesälen zu petitionieren, wurde angenommen. Eia an dmselben Gauverband ergangener Bescheid der Königl. Sächs. StaatSeisenbahnverwaltung in Sachen der auf Verbesserung der vierten Wagenklasse abzielenden Wünsche wurde dem Borstand als Material überwiesen. Außer diesen Anträgen und Angelegenheiten des niedererzgebirgischen Gaues wurden nocb folgende Anträge verhandelt: Der Antrag des Gewerbevereins Bautzen, den Vorstand zu beauftragen, an die Regierung und den Landtag eine Petition zu richten, den GWerbekammern einen genügend großen Betrag aus Staats mitteln zur Verfügung zu stellen, aus dem bedürftige und würdige Lehrlinge nach Erfüllung gewisser Voraussetzungen unterstützt werden können. Der Antrag wurde gegen zwei Stimmen angenommen. Einstimmig angenommen wurde der Antrag des Gewerbevereins Zittau, den Vorstand zu beauf tragen, das Kgl. Ministerium des Innern um gleichmäßige und tunlichst milde Handhabung drS Kinderschutzgesetzes zu bitten. Ein Antrag des erzgebirgischen GauverbandeS sächsischer Gewerbevereine: „Der Gauverband erblickt in den Gewerbe kammern die berufenen Vertreter des mittelständischen Klein gewerbes und wünscht deshalb, daß dieser Umstand auch in der Wahlberechtigung und Beitragspflicht zu den Handels und Gewerbekammern zum Ausdruck kommt. Es ist deshalb da- Gesetz über die Handels- und Gewerbrkammern, das jene Kreise willkürlich in zwei Gruppen teilt, dahin zu ändern, daß alle dem Kleingewerbe angehörigen Nichthandwerker ohne Rücksicht auf ihr Einkommen und auf den Eintrag ins Handelsregister den Gewerbekammern zugewiesen werden. Die Bestimmungen des erwähnten Gesetzes über die Zugehörigkeit der Handwerker zu den Gewerbekammern würden selbstredend dadurch nicht berührt." Dieser Antrag wurde von den Ver irrtem der Verbandsvereine Leipzig-Ost und Zittau bekämpft. Bon anderer Seite wurde der Antrag energisch verteidigt. Die Abstimmung ergab die Annahme des Antrags mit 53 gegen 23 Stimmen. Nach einem Bortrag des Lokalrichters Müller-Werdau über „Zwangsweise Ausdehnung der Alters- und Invaliden versicherung auf selbständige Handwerker und Gewerbetreibende" beauftragte die Versammlung den Vorsitzenden, die wichtige Angelegenheit im Auge zu behalten. Auf Anträge der Gewerbevereine Mügeln und Kamenz wurde beschlossen, Petitionen um Gleichstellung der Fracht sätze auf Normal« und Schmalspurbahnen und um Wieder einführung des Ankunftsstempels im Poswerkehr abgehen zu lassen. Bei dm sodann folgenden Wahlen wurden als VerbandS- auSschuß wiedergewählt die Polytechnische Gesellschaft Leipzig, die Handwerkervereine zu Dresden, Freiberg und Chemnitz und die Gewerbevereine zu Waldheim, Zittau, Werdau, Plauen, Meißen, Bautzen, Dresden, Aue, Geringswalde und Sebnitz. Die Wahl des Berbandvorortes fiel auf Waldheim. Der nächste Verbandstag wird in Reichenbach i. V. abgehalten. Mit einem dreifachen Hoch auf das Wachsen, Blühen und Gckreihen des sächsischen Gewerbes und Handwerks wurde die Tagung geschlossen. 2«r MsnSvewerquartierung. Nachstehend bringen wir eine kurze Zusammenstellung der gesetzlich« Bestimmungen darüber, was von den einquartierten Offizieren und Mannschaften an Quartier und Verpflegung verlangt werden kann und vom Quartiergeber auf Erfordern gewährt werd« muß. I. Quartiere. 1. für die Generäle und gleichgestellten Chargen 3 Zimmer und eine Gesindestube; 2. für die Stabsoffiziere pp. 2 Zimmer und l Gesindestube; 3. für die Hauptleute, Leutnants pp. 1 Zimmer und 1 Burschen- bez. Dienergelaß; 4. für die Feldwebel je l Stube von ungefähr 22 gm; S. für die Portepee-Fähnriche, Bizeweldwebel pp. je eine Stube von 15 bis 18 qm; 6. für die Unteroffiziere pp. eine Stube von mindestens 22 gm für je 2 Personen dieses GradeS; 7. für alle übrigen Chargen und Mannschaften Schlaf kammern. Die Mannschaften müssen, wenn Schlafkammern, Betten oder Decken nicht gewährt werden können, sich mit einer Lagerstätte aus frischem Stroh, welches in angemessenen Zeit räumen spätestens nach achttägiger Benutzung zu erneuern ist, in einem gegen dir Witterung gesicherten Obdach, und mit einer Gelegenheit zum Aufhängen oder Niederlegen der Mon- tierungS-, Ausrüstungsstücke und Waffen begnügen. Die Ausstattung der Gesindestuben, Burschen- und Dienergelaffe auf die Zahl der mitgesührten Diener ist dieselbe wie die jenige der Mannschaftsquartiere. Die Quartiere der Offi ziere rc., die Gesindestuben, sowie die Burschen- und Diener gelaffe müssen in denselben Häusern gewährt werden. Wenn für einzuquartierende Telle der bewaffneten Macht nur Unterkunft unter Dach und Fach — enges Quartier — gefordert wird, so greifen außerdem folgende Bestimmungen Platz: Die Mannschaften vom Feldwebel abwärts haben in einem gegen die Witterung schützenden Obdach nur Anspruch auf eine Lagerstätte von frischem Stroh und eine Gelegen heit zur Aufbewahrung der Waffen und zum Niederlegen der Montierungs- und Ausrüstungsstücke, sowie auf Mitbenutzung vorhandener Kocheinrichtungen. Lieferung von Brennmaterialien oder Benutzung der Geräte des Quartiergebers dürfen nicht gefordert werden. Zur Erleuchtung der Unterkunftsräume bis abends 10 Uhr genügt Stalllicht. II. Stallungen für Pferde. Hierzu sind im Bedarfsfälle alle geeigneten Räume, Schuppen, Scheunen zur Verfügung zu stellen. Für die Stallungen ist an Streustroh, Stalllicht, Stalleinrichtung und Stallgerät nur das Notwendigste und Hausübliche zu gewähren. Räume, die sonst nicht als Stallung verwendet werden, sind hiernach mit der notwendigst« Einrichtung, wie Krippe, Eimer, Schaufel, Düngergabel, Besen rc. zu versehen. Bei engen oder Not quartieren kann für die Pferde nur Unterkunftsraum u. Schutz gegen Wind und Wetter mit Vorrichtung zum Anbinden — nicht auch die Lieferung von Streustroh und Stallgerät — beansprucht werd«. III. Verpflegung. Die mit Verpflegung einquartierten Offiziere, Sanitäts offiziere, Beamten und Mannschaften haben sich in der Regel mit der Kost des Quartiergebers zu begnügen. Bei Streitig keiten muß dasjenige in gehöriger Zubereitung gewährt wer den, was der Etnquartierte nach den über die Verpflegung der Truppen bestehenden Bestimmungen während der Uebungen außerhalb der Garnison und der Lager zu fordern berechtigt sein würde. Die Verpflegungsportion, welche bei Streitig keiten zu gewähren ist, besteht in: a) 750 Gramm Brot; b) 250 „ Fleisch (Gewicht des rohen Fleisches), nebst 60 Gramm Rindsnierenfett oder 40 Gr. Schmalz oder 25 Gr. Butter, oder 200 „ geräuchertem Speck; o) 125 „ Reis, Graupm oder Grütze oder 250 „ Hülsenfrüchten oder 1500 „ Kartoffeln; ä) 2S „ Salz nebst den erforderlichen sonstigen Speisezutaten; s) 15 „ Kaffee (Gewicht in gebrannten Bohnen). Außer der Kaffeeportton hat der Einquartierte Getränke nicht zu beanspruchen. Die Brotportion verteilt sich gleich mäßig auf die Morgen-, Mittags- und Abendkost. Als Morgen kost ist Kaffee oder eine Suppe, als Mittagskost Fleisch und Gemüse, als Abendkost Gemüse zu verabreichen. Erfolgt das Eintreffen im Quartier erst zur Abmdzeit, so ist, sofern nicht laut der Marschroute oder nach den getroffenen Anordnung« nur Abendkost zu verabreichen ist, die volle Tageskost — mit Ausschluß der Frühstücksportion — in einer Mahlzeit zu ge währen. Eine Verabreichung von Brot seitens der Quartier- geber findet nicht statt, wenn und insoweit die Truppen Brot oder Brotgeld empfangen haben. Oermcder m>0 ZLcdtlrcder Frankenberg, 7. September ivOS. Die Aster blüht! Bekannt ist die Sage, wie die Aster zu ihrem Nam« gekommen ist, der auf deutsch „Stern" bedeutet. Ein Engel soll danach einem schlafenden Kinde, das sich einen Stern vom Himmel wünschte, eine goldgelbe Aster auf den Schoß gelegt haben, und beim Erwachen rief das Kind aus: „O, ein Stern!" Wirklich hat diese Blume in ihrer Gestalt viel mit einem solchen gemein. Wir sehen sie in allen Farben, vom feinsten Weiß durch sämtliche blauen Nüancen hindurch bis zum dunklen Braunrot, und beim Anblick der leuchtenden Blüten vergißt man, daß ihnen der süße Duft fehlt. Nord amerika ist die Heimat der Aster. Am Ende des 18. Jahr hunderts brachte sie der Jesuitenpater d'Jncarville nach Frank reich, von wo aus sie sich über ganz Europa verbreitete. Da die Aster bis zum Eintritt des Frostes fortdauert, wird sie namentlich jetzt nicht nur in Gärten, sondern auch auf Grab- hügelü angepflanzt; sie erfreut sich mit Recht besonderer Vor liebe seitens der Blumenfreunde, bietet doch ihre bunte Pracht Ersatz für die vielen fehlenden Blumen des Sommers. Durch sorgsame Pflege hat man gegen hundert Arten gezüchtet, die oft nur von Kennern durch die feinsten Schattierungen in der Färbung zu unterscheiden find. Die früheste Sorte führt den Namen „Marktkönigin", da sie meistens auf öffentlich« Plätzen feilgeboten wird. Weil ihre Blüten einzeln auf langen Stielen stehen, eignet sich diese Pflanze besonders zur Ver wendung in schlanken Vasen. Als Zimmerdekoratton benutzt man häufig die Chrysanthemum- und die Rosenaster, die man aus den Beeten in Töpfe versetzt, wo sie sich lange halten und durch ihre Schönheit Aufsehen erregen. Von enormer Größe ist die Goliathaster, und eigenartig reizvoll nimmt sich die hohe Washingtonnadelaster aus, die den nadelartig ge formten Röhrenblüten diese Bezeichnung zu verdanken hat. Wer zierliche Blumen liebt, dem gibt die Zwerg-Päonienaster mit ihren päonienartigen Blüten oder die Shakespeare- und Humboldtaster den gewünschten Schmuck für die Woh nung. Die Beete, welche schon ein prächtiges Bild bieten, wenn nur eine einzige Farbe Astern darauf vertreten ist, können den Vergleich mit solchen nicht aushalten, wo die reiche Skala von rot, orange, gelb, weiß, blau und violett in phantastischer Schönheit vereint ist und die Zauberwelt des Orients vor unseren Blicken sich aufgetan zu haben scheint. * f Freiwillige Berichterstatter sind uns stets willkommen! Gar manches Vorkommnis in unserer Stadt und den Ge meinden unseres Bezirks, welches des öffentlichen Interesses nicht entbehrt, entgeht uns, well wir doch eben nicht überall dabei sein können, die Zusammenstellung des textlichen Inhalts der Zeitung uns vielmehr an den Redaktionstifch fesselt. Hier kann nun das Interesse unserer Freunde an ihrer Zeitung sich betätigen, indem sie uns von Vorfällen obengedachter Art den Tatsachen entsprechend kurz schriftliche oder mündliche Mitteilung machen. Selbstverständlich sind wir gern bereit, dadurch entstehende direkte Auslagen zu vergüten. * Zu der Prcßfehde, die in der letzten Augustwoche die Redaktion des „Flöhaer Tagebl." gegen unser Tageblatt um deswillen vom Zaune brach, weil dies sich zur Aufgabe macht, während der begonnenen Landtagswahl-Kampagne Vie keim« <l« Zcbubpianirr. Anton Jrhr. v. Verfall weiß im Augustheft von Velhagen u. KlasingS Monatsheften unS diesen Nationaltanz der Tiroler in bunten Bildern nahe zu bringen. Die ureigenste Heimat des Schuhplattler ist die Schlterseer und Tegernseer Gegend, und hier hat er sich auch in seiner Urwüchsigkeit erhalten, nur muß man etwas weitab geben von den groben Fremdenorten, in denen er selbstverständlich auch schon zum lohnenden Gewerbe wurde. Weitab, schon mehr in die Nähe seines Vorbildes muß man gehen — wo der Spielhahn balzt auf der Höhe! Wer ihn je gesehen, den lyraförmigen Stoß gespreizt, daß bas weiße Blütenbukett da runter erscheint, in allen Farben schillernd, sich wendend, drehend, meterhoch springend, die sich kokett duckenden und wendenden Hennen umwerbend und dazu sein rauschendes Liebeslied lallend — dschui — Hut! — — Wer ihn je gesehen aus schneebedeckter Schneid im Frühlingsmorgenlicht, der zweifelt keinen Augenblick, woher der seltsame Tanz stamme, das „Haxenschlagen", wie er hierzulande heißt. Ihm allein ist er abgelauscht, dem Liebling des Berglers, dessen gebogene Federn seinen Hut zieren, so daß über die Her kunft deS Tanzes kein Zweifel herrscht, und damit ist wohl auch sein Alter bewiesen. Kirchweih in Valepp so Mitte August im Forsthaus, dicht am Fuße des Sonnwendjoches, waldumkränzt, auf einem Hügel, dicht dabet steht die schlichte Kapelle, die der Andacht der Almleut und Holzer dient, die hier sonntäglich sich versammeln. Von allen Seiten taucht es bunt auf tm Grün, aus allen Steigen, die von den Bergen herabtühren, auf der Berg straße von Schliersee und Tegernsee herauf. Alles freudige Farbe, die Goldschnitte blitzen auf den Miesbacheihütln, die Brustgeschnüre. DaS ist die vornehme Gesellschaft, die Bäuerinnen vom Tal, da runter leuchten die roten und blauen Spenzer der Almertnnen, der rote „Flanellerne", den das möglichst hochgeschürzte himmel blaue Tuchkleid zugleich mit den schlohweißen Strümpfen zeigt, blitzt überall auf, wie eine Flamme. Bergstockgellapper, Zuruf, im Forsthaus wird der Zapfen aus dem ersten Fatz geschlagen, datz die Beige davon h-llen. Oden im Kapellenturm wimmert das Glöckerl zum Gottesdienstanfang und rasch sammelt sich alles, tote ein Bienenschwarm vor dem Stock, vor der längst gefüllten Andachtsstätte. Ganz still wird's, kein Geflüster, das Sonnenwendjoch leuchtet und gleitzt tm Moc- «enlicht über den schwarzen Wald herüber, dann tönt wie eine Kmderstimme das Glöckchen des Ministranten am Altar. Alles beugt die Knie vor dem nie zu verstehenden hohen Geheimnis, das sich da drinnen vollzieht, das wie etwas Alltägliches, Selbstver ständliches vorüberztehl, ohne je eines dieser Herzen tiefer zu be wegen. Jetzt schweift der Blick schon rückwärts, auf die bretterne Bühne vor dem Forsthaus, die der Hausknecht eben abkehrt und mit Wasser sprengt. Wieder bimmelt das Glöckerl, — ein Böller schuß hallt durch das enge Tal, hunderttältiges Echo weckend, das Zeichen, sich dem Irdischen zuzuwendrn. Jetzt beginnt die eigent liche Kirchweih, die Kirchweih des Försters, die jährlich wohl einige Hundert Märteln einbringt. Die Jungen bilden jetzt schon Paare, der Bursch hakelt seinen Zeigefinger in den des Dirndls, das ist ein Engagement! Dann geht's den steilen Berg hinab direkt dem Tanzplatz zu, eine Blechmusik fällt ein, der „Neuhauser" lockt mit seine« Weisen — der erste Tanz beginnt! Erst im langsamen, förmlichen Sechsschritt mit innigem Anschmiegen, die Gesichter der Tänzerinnen und die Pfeifenröhrln der Burschen in der Joppen tasche kommen in ewigen Konflikt. Da plötzlich löst sich die innige Umschlingung, die Burschen stampfen im Tait mit den Füßen, schlagen die Schenkel, die Fußsohlen in grotesker Willkür mit den Händen, alles im strengsten Rhythmus; die Jungen schlagen Purzelbäume, umtrippeln mit komischen Bewegungen ihre Tänzer innen, die niit sanft niedergeschlagenen Augen, den ganzen Voll- genub der Werbung im Antlitz, sich drehen, daß die bunten Röcke sich blähen und weste, grellfarbige Kreise bilden. Der Haupttrick des Burschen ist dann, mtt einem geschickten Ausschlag des Bergschuhes den Rock der Tänzerin zu lüsten, daß die schlohweißen Strümpfe aufblitzen bis zum roten Band; daß dabei manche Grenzverletzung vorlommt, ist begreiflich, sie wird mit einem sanften Erröten und schüchterner Bändigung der Röcke von der Tänzerin erwidert. Ist die Lust am höchsten gestiegen, blitzen die Augen am Tanzfuror, fließen die Farben der Röcke im wilden Kreisel zusammen unter dem Grün der überhängenden Buchen, dann nimmt der Bursch wieder sein Mädel in den Arm, und der traumverlorene Sechsschritt beginnt wieder, die brutale Werbung klingt aus in dem stillen Genuß der sich berührenden Körper, aus dem die Erhörung spricht. Die Paare treten ab, andere machen ihnen Platz, jeder Bursch zahlt der Musik eine Runde. Auf den Holzbänken unter der Bühne schäumen die Maßkrüge, und die Schöne tut keinen minder krästigen Zug als ihr Kavalier, während die Alten als Zuschauer ihre P eisen schmauchen, mit Bedacht ihren Steinkrug leeren und der eigenen Jugend gedenken. Bis eS den einen oder anderen plötzlich auf- reißt. Dann fehlt zwar den arbeitssteifen Beinen der rechte Schwung, und der Walzer wird zum unsicheren Tappen, daS macht aber nichts, die alte Lust erwacht doch wieder, und wenn der llmtanz vorbei, kehrt man schmunzelnd über immer noch be währte Jugendkraft zu seinem Mab zurück. Die Liebste. Eine Geschichte vom Tage. Von Hans Wald. Auf dem Dache eines Berliner Hauses hatten sie einander kennen gelernt, als der majestätische Ballon des Grafen Zeppelm das Häusermeer der Weltstadt übersegelte. Begeiste rung flammte aus allen Angen, was Wunder, wenn die beiden Leutchen, die durch Zufall neben einander geraten waren, in dieser kurzen Stunde vertrauter mit einander wurden, wie sonst in Monaten? Und da man am Nachmittage noch beisammen war, um zu schauen, ward die Freude zu einander und auch das Verständnis der Seelen immer größer, und die Bekannten, die voran gingen, tuschelten bereits von „Bräutigam und Braut". Wars ein Wunder an solchem Tage, im Zeitalter der Bezwingung der Luft, aller Elemente? Er war aus einer Provinzstadt, deren stille Freuden er energisch rühmte, wenn er ja auch eine Anregung in der großen Stadt ad und zu dem Geiste für förderlich hielt; sie verkehrte nur in seinen, modernen Kreisen und strebte der Betätigung ihres persönlichen „Ich", unbeeinflußt von den niedrigen Dingen des Lebens, zu. Aber auch sie war ein ¬ sichtig genug, den Wert stillen Glückes nicht zu unterschätzen, das dem Vielerlei der Weltstadt erst seinen Reiz gab. Ohne den Frieden der Seele mußte das Nippen aus der Schale des Genusses schal und fade werden. Und leise flüsterte sie dann noch: „Es kostet auch zu viel Geld!" Er jauchzte auf bei diesen letzten Worten, an Geld fehlte es ihm nicht. Wofür hattm Großeltern und Eltern gespart? So konnte er denn hoffen, die von weltstädtischem Reiz um flossene Liebste mit dem pikanten Antlitz, den Nixen-Augen und der graziösen Gestalt zu gewinnen. Beneiden, beneiden sollten, mußten ihn Alle daheim. Und sie willigte ein, schon in einig« Tagen mit ihrer Mutter zu kommen, um das Idyll in der Provinz kennen zu lernen. Und sie war gekommen. Handinhand gingen er und sie in der frühen Morgenstunde in den um diese Zeit einsamen Wegen des städtischen Haines, traten dastn ins Meie hinaus und schauten glücklich in die Ferne. Und immer holder erschien sie ihm, und immer schöner gefiel es ihr. O, Minne glück der Liebe im Spätsommers Ein Häslein sprang vorüber. Er lächelte; er fühlte sich ja im Himmel, aber auch vie Erde darf man nicht ganz ver gessen. „Hasenbraten ist mein Leibgerichts" sagte er innig; „wenn Du erst meine süße kleine Frau bist, denkst Du doch daran, Liebste?" „Gewiß, Bester, ganz gewiß!" — »Und habt Ihr denn auch in Berlin öfter Hasenbraten, weißt Du damit Bescheid?* — „Gewiß essen wir ihn, aber Sonntags im Restaurant, denn weißt Du, Schatz, das Rupf« der Hasen dauert ja zu lange." Da war sein Traum aus.
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