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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 27.07.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-190907278
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19090727
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19090727
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-07
- Tag 1909-07-27
-
Monat
1909-07
-
Jahr
1909
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Stadt eine Schleife in den Farben der Stadt, eine ebensolche brachte namens der Schützenfrauen dir Tochter deS Vorstehers, Frl. Berger, dar. Fahnennägel Übergaben: Herr Kommer zienrat Schieck namens deS Turnvereins (D. T ), Herr Dr. Költzsch namms der priv. Vogelschützengesellschaft, Herr SanÜätSrat Dr. Birkner namens deS Freihandschützenver- eins. Herr Kaufmann Seyfarth namen» deS K. S. Militär- veretnS, Herr Baumeister Franke namen» deS A. S. Krieger- verein«, ferner die Vertreter der Schützengesellschaftm zu Chemnitz, Freiberg,Hainichen, Oederan,Roßwein, Ober. u.Niederlichtenau, Augustusburg, sowie Herr Prokurist Berthold namens des hiesigen Sängerbundes. Herr Hauptmann Metzler dankte für die Geschenke und brachte dem gesamten Schützenwesen ein Hoch. Gegen V»12 Uhr stellten sich vor dem „Roß" die Fest- teilnehmrr auf, und in festlichem Zuge, in dem sich außer der neuen Fahne noch 1t weitere befanden, ging es hinaus nach dem Festplatz, wo Festtafel stattfand. * * Herr Bürgermeister Dr. Irmer wurde von der priv. Scheibenschützengesellschaft in dankbarer Anerkennung seines der Gilde gegenüber stets betätigten fördernden und warmen Interesses, insbesondere seiner Verdienste um das Fest der Weihe der durch den König verliehenen Fahne zum Ehren mitglied ernannt. Eine Deputatton überbrachte gestern, Sonntag, vormittag Herrn Dr. Irmer das entsprechende Diplom. * * Das Programm für die nächsten Tage lautet: Diens tag, den 27. Juli: Bon vormittags 10 bis abends 6 Uhr: Schießen auf alle Scheiben. — Mittwoch, den 28. Juli: Nachmittags V,2 Uhr: Sammeln im „Hotel zum Roß"; 2 Uhr: Umzug mit der neuen Fahne; 3 Uhr: Damen kaffer; hierauf: Fortsetzung des Schießens bis 5 Uhr; abends 7 Uhr: Proklamation deS neuen Schützenkönigs; 8 Uhr: Einzug; */,9 Uhr: Zapfenstreich. — Donnerstag, den 29. Juli: Vormittags: Ständchen bei dem neuen König und den neuen Schützen; nachmittags 2 Uhr: Festessen im „SchützenhauS" mit anschließender Beteiligung am Konzert und Ball im „Tanzsalon". * * Historisches vom Schutzen- und BolkSfeft. Nicht immer war eS so, daß daS Volksfest eine ganze Woche andauerte. AuS den 40er Jahren noch, soweit daS „Wochenblatt" znrückreicht, können wir feststellen, daß daS „Scheibenschießen" Montag und Dienstag abgebalten wurde und in den Nebenver- anügungen gingen noch der Mittwoch und Donnerstag auf. Es bestand ja damals noch die Lommunalgarde, deren Jahresfest, da- meist um den 20. August und zwar auf dem „Exerzierplatz" oberhalb der GunnerSdorfer Aue abgebalten wurde, alS „Volksfest" noch mehr Geltung in Anspruch nahm. Aber mit der Auflösung der Kommunalgarde (1849) war auch die Herrlichkeit von deren Bürgerfest vorbei. Die Scheibenschützen-Gesellschaft wurde von nun an die alleinige Pflegerin des Volksfestes. Daß in den ersten 50er Jahren, der Zeit deS Rückschlags nach den bewegten Jahren 1848—1849, die richtige Stimmung fehlte, daS „Scheibenschießen", wie daS Fest noch bis heute meist benannt wirb, weiter aus zubauen, lag in der Natur der Sache. Aber im Jahre 1856 nahm eS die Schützen-Gesellschaft in die Hand, das Fest reichlicher auS- zugestalten. In diesem Jahre begann daS Fest mit Auszug und Schießen schon am Sonntag und dauerte offiziell bis Freitag abend .... aber schon in den letzten Tagen der Festwoche wurde bekannt gemacht, daß, da „noch einige Zelte stehen bleiben", auch am Sonntag noch geschossen und gefeiert wurde. Und so wurde es auch in den folgenden Jahren gehandhabt und der von da an zunächst erst in das Programm eingefügte zweite Sonntag brachte für die Schützen meist Reiterschießen, für die liebe Jugend aber — wie sich Verfasser dieser Zellen noch recht wohl erinnert — Sackhüpfen und Stanaenklettern, Belustigungen für Jung-Deutsch land, die in späteren Jahren fallen gelassen wurden. Das Jahr 1858 mit dem Hochwasser zu Ende Juli und Ansang August brachte eine Abweichung in Begehung deS Festes mit sich, dahin, daß infolge der strömenden Fluten — Regen konnte man kaum mchr sagen — und des Elendes willen, daS überL Sachsenland kam, daS Fest nicht am Sonntag begann, sondern erst am DtenStag früh, „nachdem sich die Wässer etwas verlaufen", der erste AuLzug , erfolgen konnte. Und schon einmal vorher war eine Vertagung notwendig gewesen ... im Jahre 1851: auS einem Grunde, der heute un glaublich erscheinen mag, der aber in den Anschauungen jener Zeit, in denen man gewissen Naturerscheinungen mit Bangen entgeaen- sah, begründet war. Man höre: Wegen einer für den 28. Juli «»gekündigten Sonnenfinsternis, von welcher die Männer der — The«»ttz. Zum Schaden einer hiesigen Firma be ging deren Prokurist P. O. Clauß bedeutende Unterschla gungen. Man spricht von 30000 Mark. Als die Unter schlagungen entdeckt wurden stellte sich El. selbst der Staats anwaltschaft, worauf er verhaftet wurde. — Vester««. Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich infolge Durchgehens des Pferde- eine- MtlchgeschlrreS vom Rittergut Bürnichen auf der Frankenberger Straße. Auf der sogenannten „Börnichenhöhe" wurde da- Werd plötzlich scheu, raste die abschüssige Straße herunter und schleifte den Knecht Tauscher ein Stück Weges, dann schlug der Wagen gegen das Rülkesche Grundstück, wodurch der Knecht lebens gefährlich verletzt wurde. — Dre-ste«. Der Prinz Max ist in Dresden ein- getroffen und begab sich zu einem Besuch bei der Prinzessin Mathilde nach der Kgl. Billa in Hosterwitz. Später reiste er zu einem mehrtägigen Besuch bei dem Prinzen und der Frau Prinzessin Johann Georg nach Rehefeld. — Wie au« SeiS mitgeteilt wird, ist der König mit den Prinzen- Söhnen von der über dm Schiern, Molignonpaß, die Vayoletthütte, das Tschagenjoch und Weißlahnbad unter nommenen Fußtour wohlbehaltm nach SeiS zurückgekehrt. Bei dem in SeiS herrschenden schönen Wetter find für die nächsten Tage noch Ausflüge in die nähere Umgebung ge plant. — DaS Kgl. Hoflager wird am 29. Juli nach Schloß Moritzburg verlegt. Der König wird dort bi« zum 12. August mit seinen Kindern Wohnung nehmen. — Dresden. Bon den kürzlich in der Elbe ertrunkenen Gebrüdern Espig, Söhne des Schneidermeisters Espig, ist heute früh die Leiche des Jüngeren, Kurt, unterhalb der Ma rienbrücke gefunden worden. — Der 43 Jahre alte Buchhal ter Grille, der am 10. Juli in die Elbe sprang, ist in der Nähe von Kötttz als Leiche an Land gebracht. — Wacha« bei Radeberg. Ein hiesiger Gutsbesitzer be auftragte einen Knecht mit der Herbeischaffung einer Fuhre Sand aus einer nahen Kiesgrube. Beim Beladen des Wa gens ging Plötzlich eine Sandwand nieder, durch derm Wucht der Knecht, der sich auf dem Wagen befand, zerquetscht wurde und infolge eines Schläfenbeinbruches sofort tot lie gen blieb. — Rotzwei«. Nach qualvollem Leiden starben hier der 31 Jahre alte Filzarbeiter Otto Taupadel und dessen sieben jähriges Mädchen. Die Familie hatte am Mittwoch mittag selbstgesammelte Pilze gegessen, und zwölf Stunden später stellten sich die Zeichen der Vergiftung ein. Trotz ärztlicher Kunst starben Vater und Tochter; die Mutter und ein anderes Kind sind noch schwer krank. — Leipzig. Der Donnerstag nacht im D-Zug München- Leipzig bei Regensburg festgcnommene junge Mann, der einen Revolver gezogen und die Mitreisenden bedroht hatte, von diesen jedoch schnell überwältigt wordm war, scheint, wie sich herausgestellt hat, unter Wahnvorstellungen gestanden, nicht aber einen Raub beabsichtigt zu haben. Der Revolver war gar nicht geladen. — Geyer. Als ein ehrendes Zeichen für die Leistungen und Lehrerfolge der hiesigen, seit 1891 bestrhmden ersten Gemeinde- und Privat-Beamtenschule darf eS erachtet werden, daß beim Magistrat der Stadt Hanau gegenwärtig 10 solche ehemalige Beamtenschüler angestellt sind — ein ganzes Stämm chen Sachsen, die sich stark genug fühlen, um wettweg von ihrer Bildungsstätte eine „Heimatsgruppe" für sächsisch« Ge selligkeit dieser Beamten zu gründen. — GskS-orf. Vor kurzem erhielt ein hiesiger Geschäfts mann einen Brief, in dem er unter Drohungen aufgefordert wurde, innerhalb einer bestimmten Zeit eine größere Summe Geldes an einen angegebenen Ort nirderzulegen. Der Brief wurde der Polizei übergeben und diese ermittelte mit de. OeiMder «ml SScdritcber Frankenberg, 26. Juli 1909. -f- Leipziger Universitäts-Denkmünzen. Im Schau fenster der Buchhandlung von C. G. Roßberg sind gegen wärtig je ein Exemplar der anläßlich des Leipziger Univer sitäts-Jubiläums zur Ausgabe gelangten Zwei- und Fünf markstücke ausgestellt. Die Münzen tragen die Bildnisse des Kurfürsten Friedrich des Streitbaren und des Königs Friedrich August. Die Umschrift lautet: Friedrich der Streitbare — Friedrich August 1409 Universität Leipzig 1909. Die Rück seite entspricht der der gewöhnlichen Münzen. Ein Münz zeichen tragen sie nicht. -f Persoualuachücht. Herr Bezirksarzt Medizinalrat Dr. Rech Holtz in Freiberg ist vom 25. Juli bis 16. August dieses Jahres beurlaubt und wird während dieser Zeit durch Herrn Bezirksarzt Dr. Brink in Frankenberg vertreten. f KewitMlifte. Die offizielle Gewinnliste der Geldlotterie zum Besten der Stiftungen und Wohlfahrtseinrichtungen im Königlich Sächsischen Militärvereinsbund ist «schienen und liegt in der Buchhandlung von C. G. Roßberg zur Einsicht aus. f Bom Braust i« Riesterlichteuau. Am Schluß unsres Berichts in voriger Nummer bemerkten wir, „daß einer Chemnitzer Zeitung zufolge ein weggewiesener Bettler als Brandstifter in Frage kommen soll". Gegen diese Auffassung verwahrt sich der Besitzer des betroffenen Gutes ganz ent schieden. Wenn von einem Bettler die Rede sei, so müsse entgegengehalten werden, daß derselbe mit einer Gabe wohl bedacht worden ist, so daß er unter Dank fröhlich seines Weges weitergegangen sei. Herr Seifert teilt uns weiter mit, „es dürfte der Brand auf einen Kurzschluß in der dem Gute vom Werke AuerSwalde zugeführien elektrischen Leitung zurückzuführen sein". Zeugen für diese Auffassung seien vorhanden. Wissenschaft scho» Monate vorher zu berichten wußten, daß - etne „totale" sein würde, wie sie seit 1702 nicht dagewesen war. Es wurden alle jene Erscheinungen, die mit eine» derartigen Naturereignis in Zusammenhang stehen, schon vorher beschrieben. In dem Gefühl der Kleinheit de- Menschen gegenüber einem solchen Ereignisse beugte man sich vor der Allmacht der Natur und so kam eS, daß der herkömmlich auf Montag, den 28. Juli, stattsindendc Beginn des Schützenfeste» aus Dien-taa, den 29. Juli, verlegt wurde. Und es war wohl begreiflich: Die Be völkerung in weitesten Kreisen stand in wahrhafter Ängst, denn man befürchtete von der Sonnenfinsternis allerlei Unhell für dir ganze Welt! Ein Zeitgenosse hatte die Befürchtungen de- Volks zusammengefaßt in folgendem Reim: Viel Fieber, Krankheit. Pest und Tod, Schwere Zeit, Mangel und Hungersnot, Groß' Hitz', dürre Zett, Unfruchtbarkeit, Krieg, Raub, Mord, Aufruhr, Neid und Streit. Frost, Kält', Sturmwetter und WasserSnot, Viel hoher Leut' Abgang und Tod. Groß' Wind, Erdbeben an manchem End', Biel Aenderung der Regiment. Und der gefürchtete 28. Juli kam: Die äußeren Erscheinungen wirkten allerdings bedrückend auf ängstliche Gemüter. Wenige Minuten nach nachmittag- 3 Uhr nahm die Sonnenfinsternis ihren Anfang. Da- Thermometer, daS 3 Uhr auf 32" R. ge standen batte, sank im Verlauf einer Stunde auf 18 o R. '/.4 Uhr begann die Mohnblume sich zu schließen, gegen 4 Uhr gingen strahlenförmige weißliche Dunstschichten von der Sonne nach Osten aus. In der ganzen Natur herrschte eine tiefe Sabbat-stille, Schwalben flogen unruhig und tief hin und her, während Tauben sttll und wie verdutzt auf den Dächern nebeneinander saßen und in Zug gespannte Pferde bedächtig und ängstlich einherschritten. Aber am Himmel konnten — wie vorher angesagt — die Gestirne Jupiter, BenuS und andere Fixsterne erster Größe mit bloßem Auge nicht wahrgenommen werden. Bald nach 4 Uhr, zur Zett der größten Verfinsterung, als die Mohnblume sich 1 Zoll ge schlossen hatte, wurde die Beleuchtung am Horizonte fahl und unheimlich, unten auf der Erde erschienen die Gesichter grünweiß, wie im Schein einer grünen bengalischen Flamme. Bald nach Beendigung der Finsternis trat, auf den Wiesen schon vor 6 Uhr, ein stacker Tau ein. DaS waren die von der in heiliger Ehrfurcht harrenden Menschheit wahrgenommenen Erscheinungen . . . Erdbeben und Weltuntergang, die gefürchteten Zugaben der Sonnenfinsternis, blieben auS und wie schon nach iedem heftigen Gewitter die Menschheit erleichtert aufatmet, so geschah eS seitens der 1851 lebenden Generation erst recht, und die Schützen-Gesellschaft ging dann am DienStag, den 29. Juli, in fröhlicher Stimmung an ihr JahreSfest, freute man sich doch, daß daS monatelang besprochene Ereignis so glücklich abgelaufen und die alte Gilde vollzählig geblieben war! s Ntt-erlichtem»«. Der im Hofe beschäftigte GutSbesH« Anton Köhler von hier stürzte so unglücklich, daß er sich einen Beinbruch zuzog. s Ltchte«»«1Se. Beim Probieren eines neuen Fahrrades verlor ein junger Mann von hier die Gewalt über dasselbe und fuhr gegen einen Baum. Bewußtlos wurde er in die elterliche Wohnung gebracht. Twei Testamente. Roma» »*« F. Stolze. M 8-rtsrtziML.I - lNa-drua^-«»»»«.) Diese Beziehung auf Paris erweckte in Herrn von Leppel einen leisen Verdacht, den die junge Dame indessen sofort zu beseitigen bestrebt war. Sie erzählte ihrem Plane ge mäß, wie die musikalischen Studien, denen sie auf dem Packser Konservatorium obgelegen habe, sie veranlaßt hätten, sich besonders mit orientalischer Musik zu be schäftigen. Um diese an Ort und Stelle kennen zu lernen, habe sie beschlossen, auf dem Landwege nach Indien zu reisen. In Teheran angelangt, habe sie erfahren, daß vor kurzem eine große deutsche Forschungsexpedition von dort nach Persepolis aufgebrochen sei, mit der ausgesprochenen Absicht, von der berühmten Ruinenstätte aus nach den wenig bekannten östlichen Gebieten vorzudringen. Diese Gelegenheit,abseits von dergroßen, Persien durchkreuzenden Heerstraße ihren Sonderarbeiten obzuliegen, habe sie sich nicht entgehen lassen wollen. Sie habe daher ihr Gepäck auf ein Minimum eingeschränkt, sei unter der Verkleidung als Mann mit Postpferden der Karawane, so schnell ihre Kräfte es ihr gestatteten, gefolgt, habe sich in Siwänd eigene Tiere und Diener gemietet und sei nun hier an gelangt. Da sie jetzt nicht mehr auf sich allein angewiesen sei, habe sie kurz vor dem Lager ihre Verkleidung abge legt, zumal sie gehört habe, daß auch noch andere Damen der Expedition angehörten, denen sich anzuschließen man ihr hoffentlich gestatten würde. Zugleich ließ sie die Augen forschend über die Gesell schaft gleiten, als suche sie nach ihren Geschlechtsgenossinnen. Die jungen Mädchen gerieten in die größte Verlegenheit und waren wie von Purpur übergossen. Das hatte die Schlaue erwartet und gewünscht, da sie sich auf diese Weise von vornherein eine Art Uebergewicht sicherte. Der Oberst machte der entstandenen kurzen Verlegen heitspause ein Ende, indem er der neu Angekommenen erklärte, daß die Damen der Expedition aus Bequemlich keitsrücksichten männliche Tracht angelegt hätten, und dann, indem er sie im Namen aller willkommen hieß, eine all gemeine Vorstellung veranstaltete. Der Zwischenfall war vorüber. Alle hatten ihre Plätze wieder eingenommen, Ellen inmitten der jungen Mädchen, Es war selbstverständlich, daß man sie, die ja ihre eigenen Absichten und Pläne so offen enthüllt hatte, nun auch mit dem eigentlichen Zwecke der Expedition bekannt machte. Sie hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Denn wiewohl sie die Vorgänge aufs allergenaueste kannte, hatte sie doch keine Ahnung davon, wie der Hauptmann es er möglicht hatte, einen Platz in dieser Gesellschaft zu finden, die bestrebt war, alle seine bisherigen Maßnahmen nutzlos zu machen und die obenein von seinen Machenschaften zweifellos mehr, als ihm lieb sein konnte, unterrichtet war. Sie ließ während dieser für sie so interessanten Ent hüllungen ihr Auge verstohlen auf dem Gesichte Kurts ruhen, dessen nervöses Zucken ihr nur zu gut zeigte, wie qualvoll diese Auseinandersetzung ihm war. Der arme Kerl! Er tat ihr wirklich leid. Denn so viel sah sie sofort ein, daß auch ihr eigenes Eingreifen, der Diebstahl der Heiratsurkunde aus dem Kirchenbuchs, ganz nutzlos gewesen war. Sie konnte schon verstehen, daß Kurt als zum einzigen Rettungsanker nun zu der Verbindung mit Alice Werner gegriffen hatte. Innerlich untreu brauchte er ihr deshalb noch nicht geworden zu sein. Freilich, die Frage war immer, ob das zweite Testa ment überhaupt noch vorhanden war, abgesehen von dem in Kurts Besitz befindlichen, das er dummerweise immer noch nicht verbrannt hatte. Darauf kam alles an. Das mußte man in Erfahrung bringen. Vielleicht wußte Kurt auch darüber etwas und hatte sich dadurch leiten lassen. Nun, sie würde ja sehen. Vor allen Dingen mußte sie mit ihm eine Unterredung haben. , Die Damen hatten sich miteinander bekannt gemacht. Sonderbarerweise bildeten auch hier Toilettenfragen den Hauptstoff der Unterhaltung. Ellen hatte ihre bestimmte Absicht erklärt, die weibliche Kleidung nun, wo sie untre zuverlässigem männlichen Schutze sei, beizubehalten, und redete den andern zu, ihrem Beispiel zu folgen. Sie könne keinen Grund einsehen, weshalb sie sich in das unkleidsame männliche Gewand steckten, das zu oen weib lichen Formen so wenig passe. Die größere Bequemlichkeit sei kein ausreichender Grund, sich häßlich zu machen. Auch in Frauenkleidern könne man wie Männer zu Pferde sitzen. Sie hätten doch nicht die Absicht, wie diese an einem Handgemenge teilzunehmen, wobei ja, wie sie zugeben wolle, die männliche Kleidung vorzuziehen sei. Die erste Pflicht der Frau sei, zu gefallen, und das könne sie nur, wenn sie sich ganz als Weib zeige. Obwohl nun die andern mit diesen Grundsätzen mehr oder weniger einverstanden waren, beharrten sie doch aus der männlichen Tracht. Sie hatten einen guten Grund dafür, den sie indessen stillschweigend für sich behielten. Sie führten allerdings unter ihrer reichen Ausrüstung auch die Kleidung ihres Geschlechtes mit sich. Diese war aber von der einfachsten Art und konnte sich mit der Ellens auch nicht entfernt messen. Sie verzichteten daher lieber auf einen aussichtslosen Wettbewerb. Denn sie wußten sehr wohl, daß das Sprichwort „Kleider machen Leute" besonders für junge Damen gilt. Ellen war mit dem Ergebnis wohl zufrieden. Da jetzt der Abend dunkelte, benutzte sie dies als Vorwand, noch einen Spaziergang am See zu machen, wohin, wie sie wohl bemerkt hatte, auch der Hauptmann gegangen war. Hinter einem Felsvorsprung saß er, vor sich hin starrend. Als er sie erblickte, sprang er auf und sah sie ratlos an. Nach einer kurzen Pause begann er in ge- quältem Tone: „Was willst du von ipir? Weshalb bist du mir gefolgt?" „Ich hätte wohl eher Veranlassung, dich zu fragen, weshalb du mich nach Brindisi geschickt hast und vor mis davongelaufen bist!" Er schwieg einen Augenblick. Dann sagte er; „Dein Eingreifen in Abbeville hatte sich nicht nur als nutzlos, sondern geradezu als verderblich erwiesen. Ich war dort öffentlich in der Kirche mit Schimpf und Schande bedeckt worden. Ich mußte alles tun, um die Schmach von mir abzuwehren. Dabei warst hu mir im Wege. Es gab nux ein Mittel Paz«: sch mußte Jennings ganz ver, leugnen und mich offen auf die Seite des Werners stellen, Dazu kam noch eins. Ich erfuhr, daß ihnen der Versteck des Duplikates bekannt war. Wenn sie nach Persien zogen, ohne mich und während ich ihren Bestrebungen feindlich entgegenstand, so war alles verloren- Ich mußte versuchen, sie mir geneigt zu machen, womöglich ein so enges Band mit ihnen zu knüpfen, daß mix wenigsten« die Hälfte -es Erbschaft sicher war," ,
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