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Vsr- i auä dtigo k rar sr« VeilW zm Fmkeübergn Tageblatt mb BeMmzeiger. «erantwortltcher Uedaktcur: Ernst Roßterg in Frankenberg t. Sa — Druck und «erlog van T. E. «oßberg in Frankenberg i. Sa. Uls Mtllwo« «en SV. Mat ivvv Var Zcdieürgeklcdi. * Das Haager Schiedsgericht hat nunmehr seine Ent- scheidung getroffen und damit einen Zwischenfall aus der Welt geschafft, der vor einigen Monate« leicht zu folgen schweren Ere gniffen hätte führen können; war doch die Er regung jense ts der Vogesen eine fast ebenso große, wie zu jener Zeit, als Herr Delcassö kurz vor seinem Sturz Deutsch land zum Knege provozieren wollte. Der Schiedsspruch sucht Licht- und Schattenseiten nach beiden Richtungen zu verteilen, allerdings ist mehr Schatten Deutschland zugefallen und wie eS scheint nicht mit Unrecht, denn das Verhalten des deutschen Konsulatsbeamten kann nicht als einwandfrei angesehen werden, während andererseits das Vorgehen der französischen Soldaten wider den Konsulatsbeamten gegen völkerrechtliche Grundsätze verstieß. Man wird sich daher in Deutschland mit dem Urteil durchaus einverstanden erklären, und die Reichsregierung wird nunmehr gemäß den bei Berufung des Schiedsgerichts ge troffenen Vereinbarungen offiziell der französischen Regierung ihr Bedauern über den Zwischenfall ausdrücken und ein gleiches wird auch von Paris aus erfolgen. Die Hauptbedeutung in der Haager Entscheidung sieht man aber weniger in dem Resultat, als vielmehr in dem Moment, daß ein derartiger gefährlicher Konflikt überhaupt auf schiedsgerichtlichem Wege beigelegt werden konnte, wäh rend in früheren Jahren ein Waffengang schwerlich ausge blieben wäre. Diesem Gesichtspunkt wird man zweifellos zu stimmen können und zugeben müssen, daß der schiedsgericht liche Gedanke sich gerade in einer der allerschwierigsten Fragen durchaus bewährt hat, obwohl es sich um einen Fall handelte, der an die Ehre zweier Nationen ging, und dieser Ausgang wird zweifellos für den schiedsgerichtlichen Gedanken unge mein Propaganda machen, und es steht zu erwarten, daß diese Art der Beilegung eines Konflikts sich in der Folge noch öfter wiederholen wird. Hierin liegt zweifellos ein erfreu licher Kulturfortschritt, der nicht hoch genug anzuschlagen ist. Andererseits könnte es aber nichts Verfehlteres geben, als das Haager Urteil nun zu einer Agitation für den Abrüstungs gedanken benutzen, wie dies die sogenannten „Friedensfreunde" gern tun möchten. Soweit sind wir denn doch noch nicht, daß alle Konflikte auf schiedsgerichtlichem Wege beseitigt wer den könnten und damit das „Volk in Waffen" überflüssig würde. Gewiß ist es durchaus zu wünschen, daß der schieds gerichtliche Gedanke immer weiter Ausdehnung findet und dahingehende Verträge zwischen den Mächten abgeschlossen, die Hauptentscheidung werde noch immer diejenigen Instrumente bilden, welche die Inschrift tragen „ultima ratio ro§is", die Kanonen. Wäre Deutschland in militärischer Hinsicht nicht so stark gewesen, dann wäre es niemals zu einem Schiedsge ¬ richt gekommen, dann würde Frankreich nicht gezögert haben, mit seinen Verbündeten über Deutschland herzufallen und es zu demütigen. Vitt frankenbetget ÄanOewucb, bearbeitet von Seminarvberlehrer Max Kästner (Verlag C. G. Roßberg. Preis 1 Mk.), ist — obwohl seit drei Jahren erschienen — doch noch Lei weitem nicht so gewürdigt worden, wie dies Buch es verdient. Wohl hat mancher Frankenberger ichon gemeint, er kenne unsere Umgebung aus Weg und Steg genau... nachdem man aber dies Buch in der Hand gehabt hat, mußte so mancher „von Denjenigen" zugestehen, daß ihm das Buch erst die Augen geöffnet hat über das, was links und rechts vom Pfade die Natur bietet! Es ist das „Wanderbuch" eben nicht nur ein Wegeführer, sondern geradezu ein „Führer durch die Natur", der des Wanderers Auge und Herz empfänglich macht für die Schönheiten der Schöpfung auch auf der Quadratmeile, die das Buch behandelt. So sei gerade jetzt, da die richtige Wanderzeit gekommen, aus dem Wanderbuch ein Teil des Kapitels 13 herausgegriffen, welches eine Wanderung nach der Hausdorfer Höhe be handelt. Das Buch weiß in lebensfrisch^r Weise folgendes darüber zu berichten: Die Freiberaer Chaussee bis zur Hochwarte. Hier rechts den Fahrweg nach Mühlbach (Mühlbacher Kirchweg!) Friedhof. Bald Rechtswendung: Entweder aus dem Fahrweg weiter ins Dorf hinab und hier talaufwärts; oder geradeaus einen Feldweg am rechten Gehänge entlang hinter den Gütern weg und so schließlich beim Kriegerdenkmal auch ins Tal. Ucppige Pflanzen welt am Bachufer, umbuschtes rechtes Steilgehänge, Dorfanlage: Reihendorf; geschlossene Gutsvierecke meist am linken (flacheren) Hange, Häuslerwohnungen (vielfach einhüftig) im Tale. Oberhalb der Schule rechts den Fahrweg insHausdorfer Tal. Am Fußendes rechten Steilgehänges hin. Freundliche, waldgesäumte Talaue. Die Pflanzenwelt der Aue weist auf große Feuchtigkeit hin. Am Gehänge ist roter silurncher Tonschieser an geschnitten; weiterhin am Hange des Butterbergs ein Dtabasbruch. Bald über den Bach; am andern Gehänge entlang sanft ansteigend nach Hausdorf. Einreihiges Dorf. Der Weg führt an der Rückseite der weit auseinanderliegenden Güter hin, daher die Aue mit ihren grasigen, blumenreichen Hängen unter uns. Talzwieselung. Das Nebental ist das Goldbonital, der trennende Waldrücken daS Gehege. Kurz vor dem Wirtshaus rechts einen anfangs ein geschnittenen Feldweg schräg am Gehänge hinan zur HauSdorfer Höhe. Wenig fruchtbarer Glimmerschteserboden (beachte die Feld früchte und die vorherrschenden Unkräuter!), daher das weite Auseinanderliegen der Güter. Allmählich entwickelt sich hinter unserm Rücken die Aussicht auf Trepvenhauer, Frankenberger Zschovauaue, Rochlitzer Berg, Rossauer Wald; über dessen Mitte der Colmberg bei Oschatz. Die Höhe (451,6 m, ca 190 m über dem Flöhaspiegel!) durch einen Fahnenmast bezeichnet. Hier der Blick nach Süden infolge dürftigen Baumwuchses nicht ganz frei. Daher rechts um das Gehölz berum auf einen an der Südseite der Höhe entlang führenden Weg. Wenige Schritte links eine i Bank. Blick ins Erzgebirge: Ueber dem flachhängigeren Vorder- " grund die Augustusburg auf ihrem steilen, die Flöhaer Aue um ! ca. 240 Meter überragenden Porphyrkeael wie ein Märchenschloß, f zum Greifen nahe: man erkennt deutlich, daß ihre Romantik, wie die vieler andrer berühmten Punkte, auf der Lage am Rande eines Gebirgs beruht. — In weiter Ferne Annaberg mit dem Pöhlberg, der Fichtel- und Keilberg. Zurück (wir wählen den dritten der vorgeschlagenen Pfade): Von der Aussicht nach rechts (Westen) bis zum Fahrweg Hausdorf—Flöha; hier eine kurze Strecke tn der Richtung nach Flöha gradeaus; vor der Linksbiegung deS Fahrwegs auf einem Feldweg etwa 15 Min. lang gradeaus an einem sanften Gehänge hin. Rechts unten ein Seitentälchen deS HauSdorfer Tals; Blick auf den Trevpenhauer; dürftiger Glimmerschteserboden; links oben Wald, der nach kurzer Zett an unsern Weg herantrtlt; weiterhin erneutes Zurückweichen deS Waldes Dann trifft unser Pfad senkrecht auf einen rechts von Hausdorf herauskommende» Feldweg; hier links, nach wenigen Schritten nochmals fast rech: winklig um- biegend nach rechts durch Feld aus das Frauenholz zu. Blick links auf die Augustusburg, rechts auf die HauSdorfer Höhe. Am Rande des Frauenholzes nach links; dann rechtwinklige Wegknickung nach rechts; und nun durch wechselvollen Wald gradeaus in 40 Min. auf die Altenhatner Straße (4,2 km). Blick auf die Altenhain— Flöhaer Straße und Ebersdorf, auf Niederwiesa, auf den Adels und Beuthenberg und die Struth. Am Wege massenhaft die sein- blättrige Bärwurz (Llsaw atdamantioam) eine Charakterpflanze des Erzgebirgs. Auf den Lichtungen und im Jungholz überall der schmelzende Gesang des Baumpiepers. Heidekrautblüte im August! Auf der Altenhatner Straße rechts in 40 Min. nach der Stadt. cageigercdkdte. »«ich. — Die Gründung eines nationalen Arbeiter bundes für das Königreich Sachfen soll demnächst er folgen. Am Himmelfahrtstag fand in Crimmitschau eine Vorbesprechung von Vertretern verschiedener nationaler Ar beitervereine des Königreichs Sachsen statt. Die Versamm lung erklärte sich einmütig mit der Gründung eines solchen Bundes einverstanden. , — Die neuen 25 Pfg.-Stücke werden nicht vor Be ginn des nächsten Quartals in den Verkehr gebracht werden können. Die Ausarbeitung und Prägung der Münzen er fordert doch mehr Zeit, als ursprünglich angenommen wurde. — Auf der Konferenz im Reichsschatzamt soll aus den Reihen der Bankiers eine neue Art von Steuern, und zwar eine Dividenden-Steuer, au Stelle der kon servativen Wertzuwachs-Steuer vorgeschlagen worden sein. Die Beratungen darüber sollen fortgesetzt werden. — An der Börse herrschte Unzufriedenheit darüber, daß zu den Beratungen in dem Reichsschatzamt wieder nur Vertreter der Groß-Banken hinzugezogen waren. — Die Reichseinnahmen im April, dem ersten Monat des neuen Etatsjahres, waren recht günstig. Die Haupteinnahmequellen des Reiches zeigen im Vergleich mit Eättk. Novelle von A. Enrodt. >8. gorNrtzuru^ »AaÄoruÄ rrrkvtev. „Warum nicht?" lachte sie übermütig. „Wer wollte mir wohl etwas tun? Unsere Leute kennen mich alle und find mir gut." „Ich fürchte auch nur fremdes Gesindel, das sich hier oft genug umhertreibt." „Auf der Landstraße wohl, nicht auf den versteckten Pfaden, die ich gehe." „Und doch kann ein unglücklicher Zufall auch hierher einmal einen Strolch verschlagen, und dann verdoppelt gerade die Abgeschiedenheit die Gefahr. Sie sollten sich wirklich lieber jemanden zur Begleitung mitnehmen." „Ich habe ja Pluto," neckte sie und setzte, als er un mutig den Kopf schüttelte, ernsthafter hinzu: „Wen sollte ich wohl mitnehmen ? Ich bin im Dorfe bei meinen Kranken gewesen. Dahin aber begleitet Tante mich nie, weil die Luft in den Häusern ihr, wie sie meint, Migräne macht. Auch sind ihr die Wege zu weit, und in stolzer Karosse bei den Leuten vorfahren — nicht wahr, Herr Dankwerth, Sie fühlen selbst, daß das nicht geht. Und jemanden von der Dienerschaft mitnehmen? Auf solchen Gängen ! Da ist mir doch Pluto lieber, und seinen Mann steht er auch, besser als meine Jungfer oder der Hasenfuß von Franz. Heute aber gehe ich ja unter Ihrem Schutz und darf mich deshalb wohl noch tiefer in das Dickicht wagen, um mein Lieb lingsplätzchen nach der langen Abwesenheit zu begrüßen." Sie sah mit ihrem freundlichen Lächeln zu ihm auf und wies auf einen kaum wahrnehmbaren Pfad, der sich von ihrem Wege abzweigte. „Ich verspreche Ihnen auch zum Lohn für Ihre Willfährigkeit einen reizenden Aus blick," fuhr sie fort, als er sich zustimmend verneigte, und schritt ihm voran durch das dichte Buschwerk, welches kein Nebeneinandergehen gestattete. Seine Blicke hingen an der biegsamen Gestalt, wie sie leichten Schrittes vor ihm herging, und er fühlte sein Blut rascher durch die Adern fließen. Keines sprach ein Wort. — Da erweiterte sich der Pfad; ein Felsplateau, welches schroff zur Tiefe abfiel, setzte ihm ein Ziel und öffnete den Blick auf das Schloß mit dem Park und das Silberband des Flusses, welches sich durch das Tal schlängelte. „Wir sind zur Stelle," sagte Edith stehenbleibend und wandte die leuchtenden Augen zu ihm. „Ist es nicht ein liebliches Bild, da- uns hier zu Füßen liegt?" Er hatte den Hut abgenommen und strich sich mit dem Luche über die heiße Stirn. „Es ist Ihr Reich I" versetzte <r gepreßt und vermied ihren Blick. Sie erschrak über den Ton, und der Sonnenschein wich aus dem schönen Antlitz. „Ein reizvolle» Stück Welt ist es mir, an dem ich mich freue, ohne zu fragen, wem es gehört," sagte sie traurig und wandte sich ab. Er bereute, wa» er gesprochen, und erwiderte herz lich: „Sie haben recht, gnädiges Fräulein. Die Schönheit diese» Bildes ist jedem zu eigen, der ein Auge dafür hat. Ich kannte den Punkt noch nicht." Er bekam keine Antwort. Sie war an den Rand des Felsens getreten und schlang einen Arm um den Stamm einer Birke, die ihre Wurzeln in die Spalten hineinsenkte und die schlanken Zweige mit dem lichtarauen Laub wie schützend über sie breitete. Sie hatte die Augen geschlossen. Der Blick auf das Schloß, dessen Fenster im Sonnenlicht blitzten, tat ihr weh, und sie drängte gewaltsam die Tränen zurück, welche ihr heiß unter den Lidern hervorquollen. Dankwerth sann vergebens auf ein Wort, welches das drückende Schweigen brechen sollte, und der Hund sah un ruhig von einem zum andern. Endlich berührte er mit der kühlen Schnauze Ediths herabhängende Rechte, welche den Blumenstrauß fest umschlossen hielt. Sie klopfte ihm freundlich auf den breiten Kopf und sagte dann, mit plötz lichem Entschluß sich aufraffend, zu Dankwerth: „Ich habe auch noch Grüße für Sie von Ihrer Mutter." „Bon meiner Mutter? Und wo —" „Ich bin bei ihr gewesen," versetzte sie kurz, ohne ihn ausreden zu lassen. „Bet ihr gewesen?" wiederholte er staunend. „Was mich zu ihr geführt, wollen Sie wissen? O, nichts Besonderes! Mir war's nur ein Sport für eine müßige Stunde," stieß sie bitter hervor. „Gnädiges Fräulein, Sie wissen, daß das böse Wort Ihnen nicht galt. Und selbst wenn es Ihnen damals ge golten hätte — ich gebe Ihnen mein Wort, daß es nicht der Fall war —, so bin ich seitdem den Spuren Ihres Wohl tuns oft genug begegnet, um zu wissen, daß Sie es nicht treffen konnte." Sie stand wieder abgewandt, den Kopf an den Stamm gelehnt, und ein leises Beben ging durch ihre Glieder bei dem warmen Klange seiner Stimme. „Ich danke Ihnen," sagte sie einfach. Und nach einer Pause, während sie das Antlitz völlig von ihm abgewendet hatte, sprach sie fast unverständlich vor Erregung. „Nun, wenn es kein Sport war, dann war es vielleicht der Wunsch, die Frau kennen zu lernen, welche allein auf der weiten Welt das Recht hat, Sie zu lieben " „Edith!" Ein Jauchzen fast war's, was an ihr Ohr schlug und die braunen Augen zu ihm zog, und staunendes Glücksgefühl, was ihr aus den seinen entgegenleuchtete. Einen Moment nur — dann sank ein Schatten herab, und seine Stimme klang rauh, als er sagte: „Sie spotten meiner." Ihre Blumen fielen zur Erde und sie preßte die Hand auf das Herz. Kein Laut unterbrach die Stille. Nach einer Weile fing sie in gänzlich verändertem Tone an: „Mich überraschte unterwegs ein Gewitter, und da ich mich entsann, daß Ihre Mutter in der Nähe wohnte, suchte ich bei ihr Schutz, den sie mir freundlich gewährte. Das ist alles. Und nun lassen Sie uns gehen." Wieder sah er sie vor sich in dem engen Laubgang, aber sie ging rasch mit hoch erhobenem Haupte, das Ge präge unnahbaren Stolzes in jeder Bewegung. Und während seine Augen, des Weges nicht achtend, ihr folgten, war es ihm auf einmal, als flüstere eine Stimme in sein Ohr: „Greif zu I Es ist dein Glück, das da vor dir geht. Greif zu, ehe es zu spät ist!" Sein Herzschlag stockte, aber dann hörte er sich selbst da oben sagen: „Es ist Ihr Reich I" Ja, ihr Reich, in dem er nichts zu suchen hatte. Und höher richtete er sich auf, aber das Herz in seiner Brust klopfte, als wollte es sich aufrichten gegen harten Zwang. Edith hatte den Ausgang des Pfades erreicht und blieb wartend stehen. Ihr Antlitz trug den Ausdruck völliger Ruhe, nur die Blässe ihrer Wangen mahnte an den Kamps, den sie gekämpft. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Ihre Hand ruhte auf dem Kopfe des Hundes, und die braunen Augen blickten in die Ferne. Er sah nur da» feine Profil ihres Gesichts und ihm schien es, als liege ein Zug von Schmerz um den festgeschlossenen Mund. „Sie sind länger bei meiner Mutter gewesen?" brach er endlich das Schweigen. „Ja, und ich werde die köstliche Stunde nie vergessen, welche ich bei ihr verlebte." Ihre Blicke begegneten sich. In Ediths Augen lag ein feuchter Glanz. Sie dachte des Traumes, der so jäh zerronnen, und ihr Stolz brach in bitterem Weh. „So haben Sie auch einen Einblick gewonnen in die Verhältnisse, unter denen ich herangewachsen bin, und werden vielleicht —," er stockte. „Ich meine, Sie müssen verstehen —" „Daß Sie klein von uns Frauen denken," ergänzte sie, und ein müdes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie voll zu ihm aufsah. „Nein, Herr Dankwerth, ich werde nie ver stehen, wie das möglich ist bei einem Manne, dem die ganze Liebesfülle eines selbstlosen Frauenherzens sich so offenbart hat, wie Ihnen in Ihrer Mutter." Er antwortete nichts, und nach kurzem Sinnen fuhr sie, fast wie zu sich selbst sprechend, fort: „Mir ist Neid immer fremd geblieben; jetzt könnte ich ihn fast empfinden. Sie zeigten mir dort oben mein Reich und dachten wohl nicht, wie öde.und leer es für das Kind gewesen, das Mutterliebe nie gekannt hat. Glauben Sie nicht, daß ich die Liebe und Güte meines Vaters verkenne. Er über schüttet mich ja mit Beweisen derselben, und ich danke es ihm, daß er mir gegönnt hat, mich frei zu entwickeln, allen gegenteiligen Versuchen zum Trotz. Aber er hat sein Ge- schäft, das — wenn auch nicht sein Herz, so doch seinen Kopf und seine Zeit mehr erfüllt als ich, und er ist ein Mann, der für das innerste Empfinden eines Mädchen herzens kein Verständnis haben kann. Wer aber könnte mir sonst diese Lücke, welche ich schmerzlicher empfinde, je älter ich werde, ausfüllen ? Meine Tante ? Sie kennen sie genug, um zu wissen, daß es unmöglich ist. Sie meint es gut, aber mir sind uns innerlich fremd, und es gibt nichts Gemeinsames sür uns. Geschwister habe ich nicht, und so bin ich allein in meinem Reiche und komme mir manchmal ärmer vor, als das ärmste Bettelkind." Sie hatten den Wald verlassen, und das Parktor lag vor ihnen. Edith blieb stehen und sah zu ihm auf. In seinen Zügen spiegelte sich die tiefe Bewegung seines Innern, aber kein Wort kam über seine Lippen. Sie reichte ihm die Hand. „Haben Sie Dank für Ihren Schutz und vergessen Sie, was ich Törichtes gesprochen." Vergessen I Ja, wer es könnte, klang es in seinem Herzen, während er ihr nachschaute, bis sie seinen Blicken entschwunden war. Hier gab es nur ein Mittel: fort au» ihrer Nähe, sobald als möglich! Hier war Flucht keine Feigheit, sondern unabwendbare Notwendigkeit um ihret» und um seinetwillen. (Fortsetzung folgt.)