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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 07.05.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-190905074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19090507
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19090507
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-05
- Tag 1909-05-07
-
Monat
1909-05
-
Jahr
1909
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^Dte «xfichte» für tzte »te«jührißt i« GUchse» sind wenig erfreulich. Nicht allein, daß die Wit terung den Märzwurf völlig vernichtet hat, sondern auch daS Auftreten von Epidemien unter dem Wilde erfüllt dir Jäger- well mit Sorge. Auf verschiedenen Revieren hat man an verendeten Hase» das epidemische Auftreten von Entzündungen der Luftwege beobachtet, die durch Würmer erzeugt wurden. Um dem Hasenmangel entgegenzuwirken und auch zum Zweck der Wutausfrischung sind auf einigen sächsischen Revieren Ver suche mit der Aussetzung von auswärts bezogenen Hasen ge macht worden. Um zu ermitteln, ob diese ausgesetzten Hasen auf dem Revier bleiben oder ob sie abwandern, sind die Tiere teilweise mit Wildmarten des Allgemeinen Deutschen Jagd schutzvereins gekennzeichnet worden. f LedeuSregelu für Galdbesucher. Der „Kosmos" bringt recht beherzigenswerte Regeln für Waldbesucher, die im Anschluß und als Ergänzung zu dem in voriger Nummer enthaltenen Artikel: „Schont die Pflanzen!" hier mitgeteilt seien: 1. Laßt den Gewächsen des WaldeS ihre Zweige, Blätter und Blüten; sie sind der Schmuck de- WaldeS, sollen noch viele er freuen und neues Leben bilden. Abgerissen welken sie rasch, dienen niemand mehr zur Freude, werden meist weggeworfen und das beschädigte Gewächs verkümmert. L Betritt keine jungen Anpflanzungen, locken dich auch die schönsten Beeren und Blumen, denn du stehst die jungen Pflanzen nicht, die zu Bäumchen heranwachsen sollen. Die Zerstörung, die dein Fuß anrichtet, ist noch nach Jahren kenntlich. 3. Laß Zeitungen, FrühstückSpaptere und sonstige Abfälle nicht auf Wegen und Ruheplätzen herumltegen; balle sie zusammen und wirf sie in Dickichte oder vergrabe sie in MooS oder Laub; zer schlage auch keine auSgetrunkenen Flaschen, sondern lege sie bei seite in den Wald. Denn waS ist häßlicher, als wenn einzelne Stellen im Walde aussehen, wie Sammelplätze für Abfälle. 4. Gehe mit Feuer und Zigarren recht vorsichtig um. Bei trockenem Wetter kann jede brennend weggeworsene Zigarre und jü>eS glimmende Streichholz einen Waldbrand verursachen. 5. Störe die Tiere deS Waldes nicht; alle fürchten den Men schen als ihren größten Feind. Die Berührung durch Menschen hand kann die Mutter veranlassen, ihr Junges oder ihre Eier zu verlassen und so dem Verderbe» zu weihen. 8. Nimm deshalb auch deinen Hund an die Leine, wenn du nicht ganz sicher bist, daß er keinerlei Jagdlust hat. f Al-Ha. Die Lohnbewegung im Baugewerbe ist hier auf gütlichem Wege beigelegt worden. Zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern wurde eine Einigung erzielt. Maurer und Zimmerleute, die bisher 45 Pfg. Stundenlohn hatten, erhalten künftig 47 Pfg, während die Bauhilfs arbeiter, die bisher 32 Pfg. Stundenlohn erhielten, von jetzt ab 37 Pfg. bekommen. * * — Mtttweiba. Das 3l1 Technikum-Anlagenfest wird am 7. und 8. August in der hergebrachten Weise in den Anlagen am Technikum abgehalten. — Chenmttz. Vor einigen Tagen stürzte in der Süd vorstadt ein 55jähriger Hausbewohner infolge eines Fehl tritts die zum Hochparterre führenden Treppenstufen herunter und erlitt eine Gehirnerschütterung. Wie nachträglich ärzt lich festgrsteüt wurde, hatte sich der Verunglückte, der Schmirgler Richter, auch einen Schädelbruch zugezogeu, an dessen Folgen er gestorben ist. — Aheamttz. In der gestern nachmittag abgehaltrnen außerordentlichen Generalversammlung der Produktenbörse zu Chemnitz, e. B., wurde gegen nur wenige Stimmen be schlossen, das Grundstück Alberistraße 13 für den Preis von 13S000 Mark anzukaufen und darauf ein im Jahre 1914 zu beziehendes eigenes Börsengebäude zu erbauen. — Rühr-durf. Der hier tot Aufgefundene wurde als der in Chemnitz wohnhafte, 21 Jahre alte Maurer Adolf Schneider durch seine daselbst wohnhaften zwei Brüder und seine in Limbach wohnende Braut erkannt. — Freiberg. Der „Freib. Anz." hat eine Statistik über die in diesem Blatte während des Winterhalbjahrs in serierten Vergnügungen und ähnlichen Veranstaltungen ge führt. DaS Ergebnis ist ein ganz überraschendes, denn in den sechs Monaten wurden nicht weniger als rund 1700 Veranstaltungen belehrender, unterhaltender und geselliger Art inseriert, die wirkliche Zahl aber ist noch beträchtlich Häher. Die Zahl der öffentlich angekündigten Borträge belief sich aus 90, die oer Theater- und BanSlS-Borstellungen usw. auf 267. Große Konzerte sanden 34, Vereinsvergnügungen 185, öffentliche Tanzmusiken 313 statt. Dazu veranstalteten die Gastwirte allein 223 Schlachtfeste, 43 Hauskirmissen und 62 Schmäuse rc. Dabei sind in der ebengenannten Gesamtzahl die regelmäßigen VereinSabende nicht eingerechnet. Freiberg hat etwa 37 500 Einwohner. — Dre-de«. In Vorstadt Seidnitz hat eine 27 Jahre alte Auswärterin, namens Margarete Specht, rin entsetz liches Verbrechen an ihrem fünf Monate alten Kinde verübt. Sie holre das Kind bei den Pflegeeltern ab und fuhr eS in einem Kinderwagen nach einem kleinen Wäldchen in der Nähe des Tolkewitzer Friedhofes. Nach längerer Zeit kam sie mit dem Kinde, das inzwischen gestorben war, zurück und teilte der Pflegemutter mit, sie wisse nicht, an welcher Ursache das Kind verschieden sei. Die ärztliche Untersuchung ergab, daß das kleine Wesen erstickt war, und zwar hatte ihm seine Mutter längere Zeit Mund und Nase zugehalten. Die Täterin wurde verhaftet und hat ihre Tat eingestandeü. — Leipzig. AnderFünfhundertjahr-Jubelfeier der Universität Leipzig werden sämtliche deutsche Univer sitäten Oesterreichs teilnrhmen. Prag überreicht eine Medaille, welche die schweren Drangsale versinnbildlicht. — Ehrenfriedersdorf i. Grzg. Das vielen Ausflüg- lern und Touristen bekannte Restaurant „Greifenstein", das inmitten unseres städtischen Freiwaldes und in direkter Nähe des Greifensteins liegt, wurde dieser Tage durch die Stadt zum Preise von 41000 Mk. käuflich erworben. — Crimmitschau. In der Langestraße hier griff ein beim Abputzen eines Hauses beschäftigter Maurer aus Ver sehen an die vorüberführenden Drähte der elektrischen Leitung. Durch den hierbei erhaltenen Schlag stürzte der Maurer vom Gerüst und wurde schwerverletzt aufgehoben. — Bautze«. An ihrem 100. Geburtstag ist Frau verw. Brüll von vielen Seiten reich beschenkt und beglück wünscht worden. Der König hat dem alten Mütterchen, das ein Giebelstübchen in der Fischergasse bewohnt, neben Glück wünschen ein Geschenk von 100 Mark übermitteln lassen. Bon einem ungenannt sein wollenden Wohltäter erhielt das seltene Geburtstagskind ebenfalls 100 Mark. Der hiesige Stadtrat schenkte seiner ältesten Einwohnerin einen Lehnstuhl. Ein großer Kreis guter Menschen hatte der Mutter Brüll den Geburtstagstisch reich gedeckt. Groß war auch die Zahl derer, die sich von ihrer Nachkommenschaft zur Geburtstags feier eingefunden hatten. — Zittau. Der Sächsische Landesverband „Ga- belsberger" wird in den Tagen vom 5. bis 7. Juni d. I. seine 48. Hauptversammlung hier abhalten. Der Verband, an dessen Spitze als geschäflsleitcnde Stelle das Kgl. Steno graphische Landesamt Dresden steht, zählt gegenwärtig 285 Vereine mit über 17000 Mitgliedern. Nach der jetzt vor liegenden Festordnung stehen den Besuchern in Z'ttau ab- wrchselungsvolle, genußreiche Stunden in Aussicht. ragerguedlrdlt. Deutsche» Reich. — Geburtstag des deutschen Ktonprinzen. Der Kronprinz des deutschen Reiches und von Preußen wird am heutigen 6. Mai 27 Jahre alt. Er ist geboren 1882 im Marmor-Palais bei Potsdam, in dem er auch mit seiner jungen Frau in Frühlings- und Sommerzeiten noch manchen Monat geweilt hat. Ein Thronerbe ist ein versiegeltes Buch, was er einmal als Herrscher leisten wird, steht dahin. Aber ihm sind mehr wie jedem anderen Menschen für feine sorgen losen Jugendjahre Frohsinn und Freude zu wünschen, denn mit dem Antritt der Regierung sind heute für die Monarchen die Tage ungetrübter Heiterkeit vorüber. Nach menschlichem Ermessen winken dem Kronprinzen Wilhelm noch manche Jahre freier Verantwortungslosigkeit, die er seiner Familie und seiner ununterbrochenen Ausbildung widmen kann. — Reichskanzler Fürst Bülow hat in verschiedenen Danksagungen für die Gratulationen rc. zu seinem 60. Ge- burtStage bald leiser, bald stärker auf die Notwendigkeit des Finanzreformwerks hingewlesen und seiner Hoffnung auf dessen Zustandekommen Ausdruck gegeben. Der Deputation der Stadt Bromberg sagte der Fürst nach einem Hinweis auf die Wichtigkeit der Ostmarken-Politik: „In der Finanzfrage wünschen Sie mit mir, daß die Jahre der Vergangenheit nicht spurlos an uns vorübergegangen sein mögen, daß der Gemein sinn sich stärker erweise als die Kurzsicht und gemeinsames Zusammenwirken die Rechthaberei und Figurbrödelei in den Hintergrund dränge. Es gilt, unbekümmert um Pattei schablone und Sonderinteressen, dafür einzutreten, daß der finanziellen Bedrängnis gesteuert wird." — Sehr herzliche Worte empfing die nationalliberale ReichStagS- Fraktion vom Kanzler: „Wir können und werben nicht daran scheitern," so heißt es da, „daß wir die reichen Kräfte unserer Nation für unsere Finanzwirtschaft bisher nur unge nügend zu organisieren verstanden. In dieser Zuversicht werde ich unverzagt an dem begonnenen Reformwerk weiterarbeiten." — Der „ Kreuz-Ztg", dem Organ der Konservativen, er widerte Fürst Bülow: „Auch im neuen Jahrzehnt soll meine Arbeit unter dem Wahrspruch Ihres Blattes stehen: „Vor wärts mit Gott für König und Vaterland!", einer ernsten Mahnung aus großer Zeit." — Fürst Bülow will demissionieren? I» einer Sonderausgabe meldet die „Neue gesellfch. Korr.", daß Reichs, kanzler Fürst Bülow bereits vor dem Pfingstfest seine Demission zu geben beabsichtige, falls bis dahin keine Klärung in der finanzpolitischen Lage des Reiches erfolgt ist, die den Grund linien der Politik des Kanzlers entsprechen müßte. Fürst Bülow wird sich, sollte dieser Umschwung nicht eintreten, von seinem Gesuch um Enthebung von seinen Aemtern nicht ab halten lassen. Kaiser W lhelm kehrt am 23. Mai nach Pots dam zurück. Bald nach diesem Tage wird der entscheidende Bortrag stattfinden. (Die Meldung klingt vorläufig sehr unwahrscheinlich. D. Red.) — Die Führer der Konservativen, Bündler, National liberalen und Freisinnigen im Herzogtum Meiningen beschlossen für die bevorstehenden Landtagswahlen ein gemein sames Vorgehen gegen die Sozialdemokratie. — Beschlagnahme des Gehalts oder Arbeits lohnes. Die Petitionskommisston des Reichstags erstattete soeben u. a. den Bericht über die Behandlung der Petition zahlreicher Kaufmanns- und Gewerbe-Vereine und Verbände betreffs Aenderung des Paragraphen 850 der Zivilprozeß ordnung (Beschlagnahme des Gehalts oder Arbeitslohnes). Die Wünsche der Privatbeamten und anderer im Privatdienst beschäftigten Personen gehen größtenteils dahin, daß die für die öffentlichen Beamten maßgebenden Bestimmungen auch auf die Privatbeamten usw. ausgedehnt werden, d. h. nur der dritte Teil des Jahreseinkommens über 1500 Mark pfänd bar sein solle, — nicht, wie bisher, alles über 1500 Mark, — oder daß wenigstens eine Erhöhung der Grenze des pfandfreien Einkommens eintrete und auch auf die Familien« Verhältnisse des Schuldners Rücksicht genommen werde. Be richterstatter war der konservative Abgeordnete Perniock. Die Kommission teilte die Auffassung des Berichterstatters, daß in den Petitionen beachtenswerte Anhaltspunkte für eine ist Aussicht stehende durchgreifende Umgestaltung-der Zivilprozeß ordnung enthalten seien, und beschloß, die Petitionen dem Reichskanzler als Material zu überweisen. — Gegen die Reichswertzuwachssteuer hat der Vorstand des Sächsischen Gemeindetages, der am 3. Mai zur Feststellung der Tagesordnung anfangs Juli in Annaberg stattfindenden Gemeindetages in Plauen versammelt war, die umgehende Absendung einer Petition an BundeSrat und Reichstag beschlossen. Maßgebend dafür waren die Gründe, die auch dieser Stelle ausführlich dargrlegt worden sind, Der Sächsische Gemeindrtag wird sich jedenfalls sehr eingehend mit dieser Angelegenheit befassen. Rieder! arrve. — Adresse der Kammer an die Königin. Die Tas Teutsch« Med. Eine Geschichte auS den nationalen Verhältnissen Böhmens von Anton Ohorn. U- tzertfetzmig.I - «Nachdruck Vecdvitd.! ES war, wie wenn dem jungen Tischler ein kühler Hauch über die warme Seele zöge, er sah im Geiste den längst verstorbenen Vater Sanders vor sich, der einstens geradezu gesagt hatte, er habe seinem Jungen den Namen Traugott gegeben, weil derselbe so fromm und treuherzig klinge, als ob in ihm allein schon ein Segen läge für das ganze Leben — er wollte etwas erwidern, aber daS lachende hübsche Gesicht Ludmilas wendete sich ihm zu, und Fragen mancher Art stürmten auf ihn, den Weitgereisten, ein. So verstrich die Zeit, und Alle waren verwundert, als der Nachtwächter draußen die elfte Stunde ausrief und sein altes deutsches Lied dazu fang: Hört, ihr Leut', und laßt euch sagen: Unsre Glock' hat eli geschlagen, Bewahret Feuer und das Licht, Daß der Stadt kein Schad' geschicht! Lodet Gott den Herrn! DaS war noch der alte Gregor und er sang noch genau so wie vor acht Jahren, so daß es Robert herzlich anmutete, und daß «r in d'tüm Augenblicke sich erst recht wieder in der Heimat fichlte. Er hätie hinauseilen und dem Alten die Hände drücken mögen, aber er kam nicht dazu: denn andere streckten sich ihm entgegen, und die Gäste nahmen Abschied. ES war ihm dabei, alS ob Ludmilas Rechte ganz besonders warm und fest in der feinen läge, und ungemein treundlich und schelmisch zugleich klang ihr: Oodrou noo! (Gute Nacht.) Mutter und Sohn aber saßen noch eine Weile beisammen und spräche» über dies und das. „Was macht denn Vater Hammer?" fragte Robert. „Der kümmert sich seit unscrs Vaters Tod gar nicht um unS, hat auch schon mit dem Seligen manchen Hader gehabt, denn er war ihm nicht deutsch genug. Hammer möchte am liebsten alle Tschechen vertilgen, und wir sind doch so friedliche, gutmütige Leute — hast es ja heute Abend selber gesehen. Aber mit den Deutschen geht's immer mehr zu Ende." „Sind denn hier so viele Tschechen? Vor acht Jahren war ja noch garnichts zu merken." „DaS ist so geworden, seit der Herr Fanta die Fabrik gebaut hat; er hat nur tschechische Beamte und Arbeiter, und so sind aus einmal mehr alS 50 Familien bergekommen. Bald daraus traf der hochwürdige Herr Kaplan Rybnik hier ein und hat die Sache in die Hand genommen, sodaß die Stadt eine tschechische Schule hat bauen müssen: denn viele Deutsche haben sich, weil sie den Nutzen für ihr Geschäft hatten und eiksahen, daß die Tschechen ganz liebenswürdige Leute seien, diesen angeschlossen und sich be- Stit erklärt, ihre Kinder in die tschechische Schule zu schicken, weil'» doch gut ist, wenn sie die andere Landessprache erlerne«, ohne daß sie auf Tausch aus dem Hause gegeben werden müssen. Dann ist die Beseda entstanden — der Herr Vilimek ist jetzt Vorstand — und der Wirt „zum wilden Mann", bei dem die Herren aus der Fabrik und der Kaplan verkehren, hat seinen Saal dazu herge geben; und über das Alles sind Leute, wie der alte Hammer, ganz erbost und schreien nun von Unterdrückung der Deutschen — eS fällt ja Niemandem ein, den anderen zu unterdrücken! Er hat auch Deinen Vater wollen Herumkriegen, und ich selber habe darum mit diesem — Gott hab' ihn selig — manchen Streit ge habt: Kaum daß ich ihn dazu gebracht habe, auf der Firmatasel die Bezeichnung trnklsr anzubrtngen, die doch notwendig ist, wenn ihm nicht die Kundschaft aus der Fabrik entgehen soll. Bei den nächsten Gemeinderatswahlen müssen wir auch einen tschechischen Magistrat bekommen, und Du wirst, wenn Du erst die Verhält nisse und die Personen näber kennen lernst, etnsehen, daß eS für die Stadt auch das Beste sein wird!" Robert hatte den Kopf aus die Brust gesenkt und spielte mit einem Löffel, der noch auf dem Tische lag. Als die Mutter jetzt schwieg, hob er die Stirne, atmete einmal tief auf und sagte: „Für heute, denke ich, wollen wir die Sache ruhen lassen — ich bin müde!" Frau Barbara sprang auf, ihm daS Lager zu bereiten in der freundlichen Nebenstube. Schneeweiß waren die Linnen und die Fenstervorhänge, und mit Behagen streckte sich der junge Mann zum ersten Male seit langem aut dem weichen Lager der Heimat, unbekümmert darum, daß von der Wand das finstere, einäugige Antlitz des alten Hussitenführers ZiSka niederschaute — in seinen ersten Schlummer klang das alte deutsche Wächterlied hinein, mit welchem Gregor die MitternachtSstunde absang, 11. Die Sonntagsglocke« klangen, und die Leute gingen zur Kirche. Ludmila kam stattlich geputzt die Treppe herab und trat nach raschem Anklopfen in das Wohnzimmer der Frau Veit, die eben noch vor dem Spiegel die Haube aufsetzte, während Robert an seinem Rock bürstete. DaS hübsche Mädchen, das mit seinen großen, schwarzen Augen und mit den dunkelglänzenden, von rotem Seidenband zusammengehaltenen Zöpfen allerliebst aussah, reichte dem jungen Manne sogleich die rechte Hand — die Linke hielt das Gebetbuch — und sagte tschechisch; „Guten Morgen! Habrn 2!k die erste Nacht schön geträumt?^ Er Wh sie groß an, da er sie nicht recht verstand, und sie lachte lustig aus und svrach nun deutsch: „Ja, tschechisch müssen Sie schon wieder lernen, wenn wir mit einander reden sollen, und es wird Ihnen auch gar nicht schwer fallen, wenn Sie'S in der Jugend gekonnt haben; wir wollen's schon fleißig üben! Aber jetzt will ich Sie zur Kirche abholen, da» heißt, wenn Sie mit mir gehen wollen." Sie lachte ihn so groß und herzlich aus den blitzenden Augen an, daß eS ihm warm bis ins Herz rieselte und er sich rasch fertig machte. I« wenigen Minuten schritt er an ihrer Seite hin durch die Gasse und fühlte ordentlich Stolz und Behagen, Ivie er so zwischen der Mutter und dem schönen Mädchen ging und die Leute freundlich grüßten. In der Kirche setzte er sich rechtSzu den Männern, und seine Begleiterinnen wendeten sich tinkL. Wie heimelte ihn das freundliche Gotteshaus an mit dem hübschen s Marienbilde auf dem Hochaltar, dem kleinen kelchförmigen Täuf- ! stein und mit der Schützensahne, die darüber hereinwehte. Ein ! wahrer Gottesfriede kam über ihn, eS war ihm, alS fiele der s Sonnenschein, der durch die Fenster brach, just bis in'S tiefste s Herz hinein. Nun klang die Orgel — ihm war'S, als habe er sie erst am letzten Sonntag gehört, so vertraut lag ihm der Ton tm Ohre, und schon wollte er anheben, daS bekannte Predigtlied zu singen, das er als Knabe so oft gesungen, als mit einem Male andere Laute um ihn her erklangen, die rhm fremd und unverständ lich waren. Und als er sich jetzt in der Kirche umsah, da war'S ihm, als fehe er ringsum lauter fremde Gesichter; er suchte die lieben alten Bekannten, die er in der Heimat einst gehabt, und fand sie nicht; nur wenige sahen ihn ay und nickten ihm zu, uph mechaniich dankte er, aber im Herzen wollte ihn frösteln- Auf der Kanzel erschien ein blutjunger Priester, rotwangig und lebendig, er bewegte die Hände und sprach laut und rasch, aber Robert verstand ihn nicht, und am liebsten hätte er sich ent fernt, wenn er nicht die Störung gescheut hätte. Er atmete erlöst auf, als die Predigt zu Ende war und, ohne das Hochamt abzu warten, verließ er jetzt das Gotteshaus und trat in den um die Kirche sich schließenden Friedhof; Sc suchte das Grab seines VaterS. Endlich hatte er es gefunden. Ein Rosenstrauch war darauf ge« pflanzt, und seine letzten Blüten flatterten leise im Herbstwtnd nnh spielten um den einfachen werben Stein, auf welchem Unter de ns Namen seines Vaters eine tschechische Inschrift zu lesen war. Der eigene Sohn konnte den Spruch nicht verstehen, den man dem teuern Loten gewidmet hatte, und ihn erfaßte eine unendlich« Wehmut; es war ihm, als stehe er ganz allein auf der weiten Erde und habe nun Niemanden mehr, mit welchem er reden und den er verstehen könne. Und er beugte tief sein Gesicht über den Rosenstrauch und faltete die Hände über dem weißen Stein, und die Tränen flossen ihm auS den Augen, während die Orgel an der Kirche kläng unh den Gesang begleitete: ?»nre« moon^ osdso, nein« . . *) Er erhob langsam sein Gesicht, schlug das Kreuz über das teure Grab und ging. Stille lag der Gottesacker, nur eine junge weibliche Gestalt schrits langsam zwischen den Hügeln hin, mit einem von blondem Haar umrahmten stillen, milden Madonnen- antlitz; flüchtig sahen die zwei einsamen Menschen sich in die Augen, Robert grüßte, und daS Mädchen dankte freundlich, dann ging er seine- Weges. (Fortsetzung folgt.) *) Milchtiger «chdpfer Himmel« und der »de.
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