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Unwetter den ganzen Sonnabend und Sonntag über anhtelt. Ein Brief au« dem höchsten oberlausitz-böhmifchen Grrnzort, Neugersdorf, besagt uns vom Sonntag. Draußen heult der Sturm, er fegt dabei den Schnee zeitweise so, daß man die Nachbarhäuser kaum sieht, Schneewehen einen Meter hoch und «och mehr liegen an der Dorfstraße und rS ist nicht abzusehen, ob morgen, Montag, eine freie Passage sein wird, obgleich der Schneepflug schon verkehrt . . . * s» Bei der hiesige« Sparkaffe wurden im Januar 2864 Einzahlungen im Betrag von 368 368 Mk. 88 Pf. ge leistet, dagegen erfolgten 1203 Rückzahlungen (Einlagen und Zinsen) im Betrag von 283577 Mk. 33 Pf. -f* Theater 1« SchützeuhanS. Die beiden Sonntags- Vorstellungen waren wieder gut besucht und fanden lebhaften Beifall. Am Mittwoch, 3. Febr., kommt da« soziale Drama „Ausgewiesen", da» lange Zeit von der Zensur verboten ge wesen ist, zur Aufführung. Der Vorverkauf der Eintritts karten findet schon von heute an in der Papierhandlung von Arno Roßberg statt. Wie wir hören, ist daS Interesse für „Ausgewiesen" ziemlich groß und deshalb eine rechtzeitige Versorgung mit Karten zu empfehlen. f DaS Welt-Theater bittet uns um Aufnahme folgender Zuschrift von Besuchern des Unternehmens: Es war eine Stunde wirklich angenehmer und genußreicher Unterhaltung, die wir Sonntag abend von 8-9 Uhr im Kino-Salon, Freiberger Straße, welcher gut geheizt war, verbrachten. Die Kultur, „die alle Welt beleckt", hat die lebenden Photographien auf eine Höhe gebracht, die unsere Großväter aus der „alten guten Zeit" für vollkommen unmöglich gehalten hätten. Für manchen, ja für viele ist das Welt-Theater ein direktes Be dürfnis geworden, das beweisen z. B. schon die zahlreichen Stammgäste, die ungeduldig und mit Spannung jedes Pro gramm abwarten. Sonntag abend bekam man u. a. eine interessante Weltreise eines Detektivs vor Augen geführt: die Verfolgung eine» Bankbeamten am Suez-Kanal, bei einem Fest in Kalkutta, bei Opium-Rauchern in China, nach Jokohama- Japan, bei der Präsidentenwahl von Roosevelt, bei einem Ueberfall von Indianern usw., die Abreise von New-Jork und der Ausgleich. Ein zweites buntes Bild zog vor unseren Augen vorbei, Bilder von der Geburt des Christkindes, Weih nachten der alten Deutschen, der heilige St. Nikolaus; Heiliger Abend in einer Dorfkirche, Weihnachten zur Zeit Ludwig XV. und jetzige Weihnachten Ferner wurden noch mehrere Dramen und humoristische Bilder vorgeführt. Der Besuch ist nur zu empfehlen. f Die Seneraldersammlung SeS Kgl. Siichs. MilitSr- Perei«Sb«ndeS findet in diesem Jahre erstmalig in Chemnitz statt, und zwar am 11. Juli. Anträge sind bi» 1. April beim Bundesprästdium zu stellen. f Nene Name« Im evangelischen Kalender. Das Kgl. sächs. statistische Landesamt hat soeben den von Prof. Dr. Gustav Hoffmann bearbeiteten Kgl. sächsischen Normal- kalrnder für daS Jahr 1910 mit astronomischen, kirchlichen und bürgerlichen Mitteilungen herausgegcben, in dem zum ersten Male die vom Kgl. Ministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Evangelisch-lutherischen Landeskon sistorium festgestellte neue Namenreihe der Tage des Evan gelischen Kalenders für das Königreich Sachsen veröffentlicht wird. Es gibt somit von 1910 ab in den für das König reich Sachsen bestimmten evangelischen Kalendern und Almanachen eine feste Namenreihe der Tage, und insoweit diese Kalender und Almanache nur diese NamenS- reihe enthalten, werden sie als „evangelische" zu bezeichnen sein. Bekanntlich bestand seit Jahrhunderten in den Namens reihen der Tage der evangelischen Kalender und Almanache im Königreich Sachsen und ebenso in den übrigen deutschen Staaten ein so großer Wirrwarr, daß kaum noch zwei voll ständig übereinstimmten. Nunmehr gibt es künftig im König reich Sachsen für die evangelischen Kalender und Almanache eine ^feststehende Namensreihe der Tage. Was die Auswahl der Namen der Tage betrifft, so sind 68 Tage mit bibli schen Namen und Begebenheiten bezeichnet, 123 mit den Namen von berühmten Kirchenlehrern, Geist lichen und Dichtern geistlicher Lieder, 39 mit den Namen von Reformatoren und um die Reformation verdienten Personen, 19 mit den Namen vou Märtyrern alter und neuer Zeit 14 mit den Namen von Missionaren und um die Mission verdienten Männern, 6 mit den Namen bedeutender Erzieher, 30 mit den Nomen berühmter Helden und Staatsmänner, 45 mit den Namen her vorragender Träger der Wissenschaft, Kunst und Technik, 12 mit den Namen edler Frauen und 10 mit histori schen Tatsachen und Personen der Legende. (Wir werden in unserer „Unterhaltungs-Beilage" auf die neuen Kalender namen noch de» Näheren eingehen. Die Red.) -st* Lichtmeß ist morgen, der Tag, an dem „der Lauer lieber den Wolf im Stalle sieht, al» die Sonne am Himmel". In Westfalen meint man allerdings: „Lichtmeß hell und klar, gibt ein gutes Roggenjahr". Die meisten Regeln besagen jedoch, daß der Lichtmeßtag unfreundlich und trübe sein soll, daß vor allen Dingen Schneegestöber herrschen möchte. So: „Wenn Lichtmeß die Sonne so lange scheint, daß ein Reiter sein Pferd satteln kann, dann dauert der Winter noch so lange, al» er schon gedauert hat", oder „Ist Lichtmeß stürmisch und kalt, so kommt der Frühling bald"; und „Wenn der Dach» sich sonnt in der Ltchtmeßwoche, geht er auf vier Wochen wieder zu Lochei" — Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sind all« die Regeln recht wenig zutreffend. st 8- Sachseabvrg. Nicht nur bei Euch in der Stadt gibt es „treue Mieter", wie dies oft auS Frankenberg berichtet wird, sondern auch bei un» in Sachsenburg. Da wohnt seit dem 1. Februar 1859 im Hause Nr. 65 die jetzige 76jährige Witfrau Christiane verw. Eichler, geb. Rothe. Mit ihrem vor etwa zwölf Jahren verstorbenen Ehemann, dem Bergmann Eichler, hat sie einst das Heim bezogen; 35 Jahre lang war der inzwischen auch gestorbene Sattlermeister Leiteritz ihr Hauswirt; seit 15 Jahren ist Herr Spinnmeister Hirth Be sitzer dieses HauseS. Mit beiden Besitzern hat die Miets- Jubilarin stet« in gutem Hausfrieden gelebt und so denkt sie, in der „Nr. 65" auch zu bleiben, bis sie in das ewige Vater haus abgerufen wird, in dem den Seligen „viele Wohnungen", verheißen sind! fx. NieHerlichten««. Am Sonnabend starb hier nach kurzem schweren Leiden das dienstälteste Mitglied der Ge meinderats, Herr Hausbesitzer und Glasermeister Gemeinde ältester Moritz Neuhäußer, im 67. Lebensjahr stehend. In seinem Amte gleichzeitig die Annahme der königlichen Steuern bewirkend, war Herr Neuhäußer in seiner Schlichtheit ein treuer Beamter für Gemeinde und Staat und infolge eines reichen Schatzes von Lebenserfahrung auch ein bereitwilliger Berater jedermanns, der sich vertrauensvoll an ihn gewendet hat. Herzliche Mittrauer wendet sich den Hinterbliebenen des für die Gemeinde zu früh Heimgegangenen zu. Sei dem all gemein beliebten Manne nach redlich erfüllter Lebensarbeit eine sanfte Ruhe beschieden! — Haintchen. Die äußerst seltene Feier des 70jäh- rigen Bürgerjubiläumö konnte gestern der Schuh machermeister K. G. Werner hier begehen. Dem Jubilar, der im 92. Lebensjahre steht und körperlich und geistig noch recht frisch ist, wurden aus Anlaß des seltenen Tage» ver schiedene Ehrungen zuteil. — MttMeiVa. Der Nationalliberale Verein für Mittweida und Umgegend ernannte seinen bisherigen ersten Vorsteher, Herrn Kommerzienrat Rüdiger, in Anscbung seiner großen Verdienste um die Pflege des gemäßigten Libe ralismus und in Würdigung dessen, was er durch Gründung und Leitung des hiesigen Nationalliberalen Vereins geleistet, zum Ehrenvorsitzenden. — Che»«ttz. Auf dem Bahnhof Hilbersdorf ist in der Nacht zum Sonnabend gegen Uhr der HilsSzugschaffuer Ranft schwer verletzt zwischen den Gleisen liegend aufgefunden worden. Der Unglückliche ist vermutlich von einem nach dem Ablaufberg fahrenden Güterzug herabgefallcn und überfahren worden. — DreStze«. Bei der Fran verw. NcgierungSrätm Schmeißer in der Fürstensiraßc ist Sonnabend nachmittag durch Mitglieder einer internationalen Einbrecherbande ein verwegener Einbruch verübt worden. Dabri sind den Dieben für etwa 5000 Mark Schmucksachen in die Hände gefallen. Die R-gierungsrätin hatte ein" 26 Jahre alte» Mädchen aus Böhmen als Dienstmädchen engagiert, das mit der Bande im Einverständnis gewesen sein muß, denn es hat in Abwesenheit der Regierungsrätin gestern nachmittag die Wohnung geöffnet und von ihren Kumpanen die Schränke usw. erbrechen lassen. Die internationale Diebes bande hat Dresden schleunigst wieder verlassen. — Döbel«. In der vorgestrigen Stadtverordnetensitzung wurde auf Antrag de» Zigarrenfabrikanten Stadtverordneten Barthel eine Resolution angenommen, durch welche der Vertreter des hiesigen Wahlkreises, Lic. Everling, dringend ersucht wird, dahin zu wirken, daß unsere Zigarren industrie vor einer neuen Tabaksteuer bewahrt bleibt. Die hiesige Zigarreninduskie umfaßt 34 Betriebe mit 207 männlichen und 1124 weiblichen Arbeitern, die einen wöchentlichen Arbeitsverdienst von 41000 Mk. haben. Die weitere Belastung des Tabaks würde das Erwerbsleben unserer Stadt empfindlich schädigen, man glaubt, daß 200 bis 300 Zigarrenarbeiter brotlos würden. Die Resolution wurde nach längerer Aussprache mit 13 gegen 10 Stimmen angenommen. — Leipziz. Von schwerem Herzeleid betroffen wurde die Familie des in der Zollikoserstraße Nr. 19 wohnhaften Arbeiters Dietrich. Sonnabend nachmittag in der Zeit zwischen V,4 und */,5 Uhr Warrn dir drei Kinder im Alter von 3*/, bis 10 Jahren allein in der Wohnung, während der Vater auf Arbeit und die Mutter auf die Wäscherolle gegangen war. Die Kinder spielten an einem Koffer, wobei die 10 Jahre alte Käte und der achtjährige Hans sich hi ne in - legten. Plötzlich klappte der Deckel des Koffers herunter und das Schloß schnappte zu, sodaß es den unglücklichen Kindern nicht möglich war, sich zu befreien. Beide sanden den Er stickungstod, bevor ihnen Hilfe gebracht werden konnte. Das jüngste Kind konnte seinen Geschwistern nicht helfen. — Das 5jährige Töchterchen Lotte des Henricistraße 51 in L.-Lindenau wohnenden Postboten Beschorner machte sich mit Streichhölzern zu schaffen, wobei die Gardinen und dir Kleidung des Kindes Feuer fingen. Es erlitt schwere Brandwunden, denen es alsbald erlag. — Oberle»te«»dorf. Am Freitag abend wurde die 20 Jahre alte Arbeiterin Anna Zdika von ihrem 45 Jahre alten Pflegevater Josef Czermak in einen Werkzeugschuppen beim Johannschachte gelockt. Dort feuerte Czermak auf sein Pflegekind, welches dos Verhältnis mit ihm lösen wollte, fünf Revolverjchüsse ab und flüchtete. Da» Mädchen wurde mit Schußwunden unterhalb des linken Auges, sowie an Brust und Händen aufgefunden und in hoffnungslosem Zustände in das Brüxer Krankenhaus geschafft. Der Mörder wurde am anderen Morgen auf einer Wiese nächst dem Gut mannschachte mit einer Schußwunde in der Schläfe tot auf- gefunden. — Werda«. Dar hiesige Bürgermeisteramt ge langt mit einem Anfangsgehalt von 7L00 Mark und Ge« »IIM SlMlM MUcks ^UN, —wenn sie sehen tönnlcn, welche Entwicklung der Wintersport ge- I W nommen hat. Rodel, Bob-ley und Ski herrschen vor und Wintersportieste sind Veranstaltungen der vornehmen Welt ge- worden. Nun ist der Wintersport ja gewib gesund, aber doch nur, wenn man sich vorsichtig vor Erkältung hütet. Und daS tut man sicher und bequem, wenn man währens der Fahrt immer eine Sodener Mineral-Pastille (FayS ächte) i« Munde zergehen läßt. Daß Fay» ächte Sodener auch jede vorhondene Erkältung schleunigst beseitigen, ist längst bekannt. Man kaust sic in allen Apotheken, Drogen- und Mmeralwasserhandlungen für 8b Pfg. di« Schachtel. Im Tuge äer Roman von T. Dressel. l«. Fortsetzung.) (Nachdruck verdaten.. Da drückte sie ihm die Hand. „Sie haben recht, es wäre sinnlos und hieße auch, mich selber der hellsten Freude berauben. Lasten wir sie jubeln." Mitteilsam redete sie weiter: „Meine älteste Tochter war auch solch sonnenfrohes Kinderseelchen und hat sich dann im frühen Lebensernst doch so tapfer bewährt. Schon mit dem zwölften Jahr, als uns mein guter Mann so frühe entrissen wurde, hat sie eigentlich schon die Kinder schuhe ausziehen müssen und doch nicht ihres Herzens Fröhlichkeit eingebüßt. Ja, noch heut hat sie ihr goldiges Lachen und ist doch schon so lange Mutters ernsthafte Stütze." Nun war er es, der nach der Doktorin Hand griff, so tnnia fest, als müsse er ihr besonders danken für diesen Lobspruch. „Warum ist sie nicht hier?" fragte er leise. Wir hatten bis vor kurzem auf ihr Kommen gehofft. Dann ging's doch nicht. Ihre junge Schülerin wollte sie nicht misten. Das ist ein sehr zartes junges Mädchen, das schon seit Wochen an einem Lungenkatarrh leidet und nun gleich nach Weihnachten, unserem Winter aus dem Wege, an die Riviera gehen soll. Meine Tochter wird sie mitsamt der Mutter begleiten und mußte auf die Fahrt zu uns verzichten. Es ist das erste Weihnachten ohne sie. Mir fehlt unsere liebe Große sehr." „Und mir erst," dachte Vollrad erschrocken. „Mein Gott, sie rückt mir ja immer ferner. Und wie viele der schwarzäugigen Feuerköpfe da unten werden sich in ihre zarte Holdseligkeit verlieben. Er war so bestürzt, daß er nun allen Ernstes unter Annelises hergesandten Gaben nach dem kleinsten Gedenkzeichen zu suchen begann. Nichts, nichts. Mutter und Geschwister hatte sie liebevoll und sinnig bedacht, für ihn fand sich nicht das kleinste Er- tnnerungswort, nicht der leiseste Gruß. Ja, durfte er das denn erwarten? Sollte sie sich etwa für einen anonymen Blumenstrauß aufs Geratewohl be danken ? Lächerlich. Nein, natürlich nicht. Allein, sie hätte ebenfalls so --ub ros» zeigen können, daß sie den Spender erraten, daß — daß Lieber Gott, was hält man nicht alles am Weihnachtsabend für glaubhaft, wenn man als reiner Tor mit Kindern jauchzt." Da kam Fini von ihrem Tischplatz her auf ihn zu getänzelt. Sie hielt ein schmales, etwa zwölf Zentimeter langes Kärtchen in der Hand, das sie ihm strahlend bot. „Herr Klüven, ich möchte Ihnen auch was schenken. Ich glaube, dies soll ein Lesezeichen sein, das können Sie brauchen, nicht? Annelise hnt's gemalt. Ist die Rose nicht wunderschön? Sie schreibt, ich dürfe cs wieder ver schenken, aber nur an jemand, deni ich gut wär'. Da, Sie sollen es haben." Da hatte er sie in der Hand, eine herrlich gemalte Lafrance, die wunderbar natürlich auf dem graugetönten Kartonstreifen hingestreut mar. Und als er sie mit liebe voller Genauigkeit betrachtete, sahen seine seligen Augen, kaum merklich zwischen zwei bräunlich gefärbte Blättchen geschoben, eine winzige Zahl, drei kleine Buchstaben. 3i. Oitober entzifferte er. Herrgott, Vermag u,-rer Anreise. Und diese Lasran e, sie mochte eine seiner ^osen sein. Ja, ja, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Da hatte er's, Annelises Gedenken. Auf Umwegen war's gekommen, aber es war da, war sein. Trunken vor Glück beugte er sich und küßte des sinnigen Mädelchens rosige Wange. „Kleine Fini, das ist mein schönstes Christgeschenk, o, wie danke ich dir." Paul-Naffael, der sich gleich darangemacht, Herrn Klüvens famosen Malkasten einzuweihen, ließ jetzt sein Probewerk im Stich, um neugierig Annelises Pinselei kritisch zu beäugen. „Ganz nett," meinte er von oben herab. „So was kann ich auch, bloß daß ich nicht gleich so'n feines Modell aufgabeln kann. Kostet zuviel. Wo sie das man her hat. Kopie ist's nicht. Steht ja ihr Name dar unter." „Natürlich hat deine Schwester nach dem Leben ge malt," ereiferte sich Vollrad, indem er das Blatt vorsorglich in seine Brieftasche steckte. „So was kann noch lange nicht ein jeder, mein Junge." Paul zuckte die Achseln. „Gott, Blumen I Daraus mach' ich mir noch nicht mal viel; aber wissen Sie, Herr Klüven, Sie möcht' ich malen. Wollen Sie mir gleich morgen in diesem Bratenrock mal sitzen, ja?" Vollad vrersprach es lachend, ungeachtet des brüder lichen Einwurfs: .Unverschämter Bengel, denkst wohl gar, es sei ein Vergnügen, deinem Geschmier standzuhalten?" „Abwarten, Mentor, ich hab' Herrn Klüvens Wort, du aber wirst noch dein blaues Wunder sehen." Ach, Vollrad hätte in seiner Glückseligkeit noch ganz andere Dinge versprochen, als die Bereitwilligkeit, einem zwölfjährigen, anscheinend heut an Größenwahnsinn leidenden Kunstjünger als Versuchskaninchen zu dienen. So war es gut, daß nach einiger Zeit der Sekundaner mitten aus seiner Vertieftheit in den Kosmos, den Vollrad ihm gestiftet, die Uhr zog und ihn höflich erinnerte: „Ver zeihen Sie, Herr Klüven, es ist halb sieben, und wenn Sie zu Brügges wollen " „Ja, danke, Fritz, ich hätt's fast vergessen und darf es doch nicht versäumen." Aber nur zögernd ging er. Es waren nicht allein Klein-Suses zärtliche Kinderarme, aus denen er sich schwer löste, er hatte die Empfindung, als verknüpften ihn sonst noch zahllose feine Fäden mit diesem ganzen trauten Familienkreis, dessen Herzlichkeit und wieder schlichte Biederkeit ihn tief anheimeLen. Ihm war, er dürfe nicht gehen, nirgendwo könne ihm so wohl sein, wie unter diesen guten einfachen Menschen, ihrer rührigen Strebsam keit, ihrer seltenen Genügsamkeit. Und niemand anders auch ginge ihn so nahe an, denn sie. Doch was half es! Auf der anderen Seite winkte ihm das eiserne Muß. Er durfte die kaum errungene Position nicht verscherzen. Ein üblerZwangsbefehl war die Freund lichkeit seines Chefs schließlich auch nicht. Diejzurückbleibenden Kollegen neideten ihm diese Einladung ernstlich. Mit dem Scherz: „Morgen ist auch noch Weihnachtstag, ihr Kinder," riß er sich los. Wenig später schritt er im dichten Pelz durch die ver schneiten Straßen. Richtiges Weihnachtswetter. Der Schnee, der tagsüber in dichtem Geflock niederge- wirbelt war, lag nun in flaumigem Weiß auf Straßen und Dächern, denn ein gelinder Frost gab dem schimmern den Winterbild fleckenlose Beharrlichkeit. Am klar gewor denen Firmament flimmerten die bunten Sterne, aber die vielen, vielenWeihnachtskerzen, die hienleden aus zahllosen Fenstern in die weiße Nacht strahlten und ein Heer blitzen der Funken in ihr weckten, machten sie schier erbleichen. Ja, selbst das blanke Mondschiffchen, das würdevoll in ruhiger Helle seine Bahn zog in dem stolzen Bewußtsein, zu dieser gleißenden Schneepracht zu gehören, wie die goldene Sonne in den blauen Lenztag, spielte gegen wärtig doch nur eine Nebenrolle. Fortsetzung folgt.)