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Reform fein, wenn dir Verhältniswahl und di« Wahl pflicht hinzukäm- Die Aügg. Behrens (freikons.) und Edler v. Quer- furth (kons.) sprechen sich zugunsten der Vorlage aus. Abg. Müller-Leipzig (natl.) erklärt, gegen das Gesetz stimmen zu wollen. Staatsminister Dr. Graf v. Hohenthal betont, er höbe seinerzeit nicht auf das Kompromiß eingehen können, weil mit ihm die neue WahlkreiZeinteilung zusammenhing. Abg. Brückner (freikons.) stellt fest, daß das vorliegende Ergebnis die Arbeit beider Kammern darstelle. Hierauf wird ein Antrag auf Schluß der Debatte an genommen. Nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen und den Schlußworten der beiden Berichterstatter nimmt die Kammer einstimmig d n Antrag an, ihre Beschlüsse vom 1. und 2. Dezember vorigen Jahres fallen zu lassen. Hieraus wird der vorliegende Gesetzentwurf über die Wahlreform in der von der Ersten Kammer beschlos senen Fassung in namentlicher Abstimmung mit 72 gegen 5 Stimmen angenommen. Dagegen stimmen die drei Nationalliberalen Müller-Hirschfelde, Müller-Leipzig und Dr. Zöphel und die beiden Freisinnigen Günther und Roch. Krank sind vier Abgeordnete: Dürr (freikons.), Kretzschmar (natl.), Bär (freis.) und Goldstein (soz.). Das Mandat des verstorbenen Abg. Goltzfch ist erledigt. Das Ergebnis der Abstimmung wird im Hause mit lautem Beifall aus genommen. Es folgt die Schlußberatung über die Petition des Vor stands deS Bezirksvcrbands Sächsischer Bauinnungen und des Vorstands des Dresdner Architektenvereins, betr. die Aus legung der W 6 und 7 des allgemeinen Baugesetzes für das Königreich Sachsen. Die Petition wird der Regierung zur Kenntnisnahme überwiesen. Es wird sodann nochmals über die Petition, betr. die Erbauung einer Eisenbahn durch das Bahratal, verhandelt, über die abweichende Beschlüsse beider Kammern vorliegen. Das Haus beschließt wiederum, die Petition auf sich beruhen zu lassen. Nächste Sitzung: Montag 11 Uhr vormittag. vle üonrrrvstive» uns Ser sianrler. Die „Nationallib. Korr." schreibt: Die Konservativen sind drauf und dran, ihr Verhältnis zum Fürsten Bülow zu revi dieren. Ihre Preßorgane — das alleroffiziellste an der Spitze — rügen, murren, drohen, und ihre am meisten um- jubelten Wortführer fügen ihm die Gefolgschaft auf. Wobei — ein immerhin charakteristisches Zeichen für die in Preußen mögliche Libertät — hohe Verwaltungsbeamte, wie das erst dieser Tage in Danzig geschehen ist, ihnen zum mindesten passive Assistenz leisten. Wir haben das, offen gestanden, nicht viel anders erwartet. Wir haben immer damit gerechnet, daß in dem Augenblick, wo der Kanzler versuchen würde, die logischen Konsequenzen, die am letzten Ende schlechthin unab weisbaren, aus der Situation im Reiche zu ziehen und von den Konservativen Preußens die Anerkennung der Gleich berechtigung des Liberalismus zu heischen, ihm von jener Seite eine erbitterte Gegnerschaft erwachsen würde. Ob es ein Kampf auf Leben und Tod werden soll, wissen wir nicht, vermag man im Moment noch gar nicht voraus zusehen. Nur das eine ist uns schon jetzt klar: daß es un möglich im Interesse des Liberalismus — und zwar des Liberalismus aller Schattierungen — liegen kann, in der gegenwärtigen kritischen Stunde, gewollt oder ungewollt, die Kohorten des Agrarkonservativismus zu verstärken. Deshalb möchten wir auch davor warnen, die vielerörterte und noch mehr mißverstandene Wendung über eine mögliche schärfere Art der Sozialistenbekämpfung anders denn als eine taktische In Brügges erneutem Händedruck gab sich viel Ver stehen und Entschuldigen kund. „Sie kennen Odessa," fragte er dann, „die Zeitungen übertrieben die Schreckensschilderungen nicht?" „Mir schien, sie hätten die furchtbarste Wahrheit noch vertuscht. Ich habe grauenhafte Zustände dort ge sehen. Entsetzlich wütete der Aufruhr. Er hob geradezu jede Kulturerrungenschaft auf, zerstörte blindlings. Nun scheint das Schlimmste vorüber. Man sengt und mordet anderswo. In Odessa beginnt sich das Chaos zu lichten." „So könnte man Sie mal hinschicken," meinte der Chef. „Davon später. Jetzt nun, — wollen Sie gleich mal mit zur Börse?" Er zog die Uhr. „Hm, gehörig verspätet, versäume sie ungern. Eilen wir." So schritt Vollrad Klüven zum erneuten Erstaunen der Kontorherren, denen er beim Durchgang als simpler, ihrer Kollegialität empfohlener Genosse vorgestellt wurde, — worüber sie noch mehr staunten, — an Seite des Chefs zur Börse. Eine Ehre, die noch keinem von ihnen wider fahren war. Vollrad ahnte nichts von dem Aufruhr, den er hinter sich ließ. Er hatte sich flüchtig in der Runde verbeugt und von den vielen gespannt auf ihn gerichteten Augen eigentlich nur zwei, merkwürdig hellgrau gefärbte, be merkt, die unter weißblonden Wimpern ihn mit schiefem Blick fixiert hatten. Der freilich erweckte eine unangenehme Empfindung in ihm. „Der richtige böse Blick," dachte er betroffen, um ihn dann im nächsten Augenblick zu ver gessen. Vor dem freien Platz der Börse wandelte bereits eine beträchtliche Anzahl von Handelsherren im eifrigen Ge spräch auf und ab, da es Gepflogenheit war, bei günstigem Wetter die Geschäfte im Freien zu erörtern und abzu wickeln. Vollrad amüsierte diese Börse unter freiem Himmel. Eine Hamburger oder Bremer Börse war's natürlich nicht. Indes, soweit er einen Einblick bekam, handelte es sich doch mitunter um Abschlüsse undSummen von so weit tragender Bedeutung und Höhe, daß er ein respektvolles Interesse an der Stettiner Kaufmannschaft gewann. Als man sich zu zerstreuen begann, lud ihn der durch eine ruhige Hausse gutgestimmte Kommerzienrat ein, ihm zur Gesellschaft ein Glas Wein im Kasino zu trinken. „Lassen Sie uns auf gedeihliches Zusammenwirken an- stoßen, Klüven. Dabei erzählen Sie mir von Ihrem Vater. Ich kannte ihn vor Jahren gut. Der Fall seines alten Hauses, sein früher Tod haben mich sehr erschüttert." Dollrad folgte der Aufforderung gern. Nicht allein, Floskel zu deuten, die — vielleicht nicht übermäßig glücklich formuliert — doch nur den Sinn haben konnte, geheimen Widersachern den Wind aus den Segeln zu nehmen und sie mit ihren eigenen Argumenten zu schlagen. Daß ein Sozia listengesetz nicht möglich ist, weiß Fürst Bülow sicher so gut wie wir. Nicht nur, weil sich für derlei Ausnahmemaßregeln zurzeit im Reichstag keine Mehrheit fände (dieses Hindernis könnte man zur Not ja durch Neuwahlen aus dem Wege zu räumen suchen), sondern — und das ist der gewichtigere politische Grund — jedes Vorgehen in der Richtung die zur Stunde recht apathisch gewordene Sozialdemokratie nur von neuem beleben und die doch schon ganz hübsch Auseinander- strebenden wie mit eisernen Klammern aneinander schmieden müßte. Ktbeltrlorlgltelt In veulrcdianä. Die Mitglieder des englischen Unterhauses, George E. Barnes und Artur Henderson, beide der Arbeiterpartei an gehörig, waren — wir haben schon früher davon berichtet — nach Deutschland geschickt worden, um festzustellen, in welcher Weise man in Deutschland die Arbeitslosenfrage behandle. Das Ergebnis ihrer Forschung haben sie in einer kleinen Schrift niedergelegt, die den Titel „Arbeitslosigkeit in Deutsch land" trägt. Im allgemeinen sind sie von dem, was sie in Düsseldorf, Köln, Berlin, Frankfurt a. M. und Straßburg sahen und hörten, befriedigt und kommen zum Schluffe ihrer Broschüre zu nachstehenden Schlußbetrachtungen: Der Schutzzoll habe nicht verhindert, daß es in Deutsch land viel Arbeitslosigkeit gebe, obgleich in den von ihnen be suchten Städten die Zahl der Arbeitslosen und die Verar mung geringer zu sein scheine, als in englischen Städten von gleicher Größe. Dies erklärt sich aus der Tätigkeit der Arbeitsbörse:!, die Unternehmern und Arbeitern ermöglichten, die wahre Lage des Arbeitsmarktes leichter festzustellen, und die dadurch die Zahl der Arbeitslosen verminderten. Es erklärte sich ferner aus dem Bestreben der städtischen Behörden und vieler Unternehmer, durch Regulierung der nötigen Arbeit der Beschäftigungslosigkeit zu steuern. Endlich sei es zu er klären durch die Unabhängigkeit der deutschen Städte von einer Zentralbehörde, die ihnen ermögliche, sich mit der Arbeitslosigkeit in ihrem Verwaltungskreise zu beschäftigen. Eine weitere Betrachtung, die die Herren anstellen, ist die, daß die deutschen Pläne, durch Versicherungen gegen Arbeits losigkeit zu kämpfen, sich noch zu sehr im Versuchsstadium befänden, daher für England noch nicht zu eurpfehlen seien. Der in Straßburg Angeführte Versicherungsplan scheine jedoch am empfehlenswertesten. Die Herren schließen mit dem Dank für die ihnen überall zuteil gewordene Freundlichkeit und Zuvorkommenheit. cagergescdicdte. Deutsches Reich. — Der Kaiser nahm am Freitag einen längeren Vor trag des Reichskanzlers entgegen. — Zum bevorstehenden 50. Geburtstag des Kaisers kommen, wie jetzt feststeht, sämtliche deutschen Bundes« fürsten nach Berlin. Nur der 88jährige Prinzregent von Bayern wird sich seines hohen Alters wegen durch seine» ältesten Sohn, den Thronfolger Prinzen Ludwig, ver treten lassen. - Die Berliner Stadtverordneten-Versammlung nahm die Magistratsvorlage an, wonach 6 0 000 Mark für die beim Empfang deS englischen Königspaares ent stehenden Kosten bewilligt werden. — Der Vortrag Staatssekretär Dernburgs über südwest afrikanische Eindrücke, sowie der in Dresden gehaltene über industrielle Fortschritte in den Kolonien wird in den nächsten Tagen bei Mittler u. Sohn als Broschüre erscheinen. Wie wir hören, soll der weil er nachgerade Appetit verspürte, sondern ahnte, daß sie eine Auszeichnung war, wiewohl er sich sagte: „Einem persönlichen Gefallen an meiner kaufmännisch noch völlig minderwertigen Wenigkeit darf ich die liebenswürdige Be handlung nicht zuschreiben, sondern muß sie mehr auf Vaters Konto, respektive unseren alten Namen zurück führen. Jeden .^beliebigen würde der Kommerzienrat am Ende doch nicht gleich in Börsengeschäfte einweihen und hinterher mit einem Willkommenstrunk regulieren. Aber diese abgerechnet, es scheint mir, man wird mit ihm aus kommen können. Der kleine Mann mit seiner gelben ver trockneten Haut sieht zwar aus wie das lebendige Rechen exempel, ich halte ihn aber keineswegs für den eingefleischten Zahlenmenschen. Er hat Herz." Als sie darauf bei russischem Kaviar und spanischem Portwein saßen — beides bekam man nicht besser im Alsterpavillon — sprach Vollrad von dem, was ganz Ham burg wußte und vielleicht nur über ein neues Fallissement in der Finanzwelt vergessen hatte: von dem Ruin seines Hauses durch Weltereignisse, Bankkrache, lässige Gcschäfis- führung und ungetreue Beamte, von dem Abschluß des Dramas durch den jähen Tod seines Vaters, dessen Kraft ein Nervenschlag brach. „Nervenschlag," sagte Brügge gedankenvoll. „Wie alt wurde Ihr Vater ? Nach meiner Erinnerung muß er um mehrere Jahre mein Junior sein." „Er hatte die Mitte der Fünfzig erreicht, als er starb," versetzte Vollrad stockend und nur mit Mühe die Bewegung nicdcrzwingend, die ihn noch immer packte, wenn er des Geheimnisses seines Todes gedachte, das nur er und Barbara außer dem diskreten Arzt kannten. Dabei sollte es bleiben. Auch zu diesem wohlwollenden Mann konnte er nicht davon reden. „Ich habe bereits die Sechzig überschritten. Auch mich beschleicht mitunter die Ahnung eines plötzlichen Ablebens," sprach Brügge sinnend. Er hob das Glas zum Munde,— aber er trank nicht. Gedankenverloren blickte er in den goldbraunen Wein und setzte dann den Kelch nieder, ohne ihn mit den Lippen berührt zu haben. „Das bezweifle ich, Herr Kommerzienrat. Sie dürften kaum zu Schlaganfällen neigen." „Muß es ein solcher sein? Ein dickblütiges Fettherz habe ich ja freilich nicht, bin aber sonst schon längst kein gesunder Mann mehr. Oft halte ich mich nur mit äußerster Energie zusammen." „So sollten Sie sich mehr schonen, mal längere Zeit ausspannen, Herr Kommerzienrat." Der schüttelte den grauen Kopf. „Arbeit ist mir gerade Erlös zum Bestrn der in Messina Geschädigten verwendet werden. — Beim Etat de« Auswärtigen Amt« setzte heute Staatssekretär v. Schoen in der Budgetkommission des Reichs tag» seine vertraulichen Mitteilungen über die Balkan frage fort. Seine Darlegungen fanden im allgemeinen die Zustimmung der Kommission. Auf die Frage, wie sich die Verhältnisse seit Uebernahme des Kongostaats durch den belgischen Staat gestaltet haben, erklärt der Staatssekretär, die souveräne Gewalt ist auf Belgien übergegangen. Unsere Hal tung dabei ist zurückhaltend, da es eine innere Angelegenheit Belgiens ist. Unsere Rechte sind vertragsmäßig gewahrt, auch für ausreichende Grenzbestimmungen ist gesorgt. Wir hätten manches an den dortigen Verhältnissen auszusetzen. Es ist alles im Werden begriffen. Der Wille ist vorhanden, die Uebel stände zu beseitigen. — Die Finanz- und Steuerkommission de» Reichs tages erklärte sich mit 15 gegen 13 Stimmen im Prinzip für das Erbschaftsrecht des Staates. — Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin beauftragte das Ministerium zur erneuten Vorlegung des Gesetzentwurfs zur Einführung einer mecklenburgischen Ver fassung an die Landstände. Die gleiche Verfügung erging vom Großherzog in Strelitz. Die Vorlegung der Ver fassung erfolgt dem Vernehmen nach redaktionell unverändert. Koloniales. — Ueber die kürzlich gemeldeten Exzesse farbiger Polizeisoldaten in Kamerum ist nunmehr ein amtlicher Bericht eingelaufen. Auf Grund der von dem Hauptmann Dominik sofort angestellten Untersuchung sind mehrere Exze denten zum Tode verurteilt worden. Oesterreich» Ll « -ar»- — Der ungarische Kultusminister Apponyi wurde gestern in Wien in Audienz vom Kaiser Franz Josef empfangen. Sonntag reist der Präsident des ungarischen Reichstags, Justh, zu demselben Zwecke nach Wien. — Die politische Situation ist in Budapest sehr ernst und kurz dahin zusammenzufassen, daß der Ausbruch der offenen Regierungs- und Parteikrisis in dem Augenblick zu erwarten ist, wo das Projekt einer Kartellbank infolge des Widerstands Oesterreichs als definitiv gescheitert anzusehen ist. Es tritt immer bestimmter das Gerücht auf, daß in einem solchen Falle eventl. die Regierungsmacht der U na bhängig- keitspartei allein übertragen wird. Grotzbritauuie«. — Die Königin von England hat sich eine leichte Erkältung zugezogen, sodaß sie das Zimmer hüten muß. Dieser Umstand läßt die Befürchtung laut werden, daß die Königin möglicherweise nicht rechtzeitig wieder reisefertig sein wird, um, wie geplant, an dem Berliner Besuch des Königs teilnehmen zu können. Türket. — Bei der Lieblingsfrau des Sultans, die schon seit längerer Zeit unheilbar erkrankt war, trat vorgestern der Tod ein, der den Sultan außerordentlich betrübt. Dem Blatte „Jkdam" zufolge befindet sich auch der Sultan seit einigen Tagen unwohl. — Die Botschafter Frankreichs, Deutschlands und Italiens haben, nach einer Privatmeldung des „Neu. Wien. Tgbl.", Kiamil-Pascha den Rat gegeben, von Bulgarien eine Entschädigung von 6»/, Millionen türkische Pund anzunehmen, aber der englische Botschafter ist der Meinung, daß die Kompensation in der Kapitalisierung des bulgarischen Tributs bestehen sollte. In politischen Kreisen ist man über diese unerwartete Aktion des Sir Gerard Lowther einiger maßen erstaunt, aber man spricht die Hoffnung aus, daß der Botschafter voraussichtlich nicht auf diesen Ratschlag bestehen werde. — In Sofia betrachtet man die Verhandlungen al» abgebrochen, da auf den letzten bulgarischen Vorschlag noch keine Rückäußerung eingetroffen ist. Lebensbedürfnis. Aber lassen wir das. Sie selber zählen erst zwei-, dreiundzwanzig, wie?" „Sechsundzwanzig, Herr Kommerzienrat." „Nicht möglich, Sie haben flott gelebt, aber wie frisch, wie unverbraucht Sie aussehen " „Ich hatte junge gesunde Eltern." „Die Ihnen ihre stolzeste Kraft einverleibten, soll dar heißen? Ja, die Jugend. Ein spätes Eheglück wird selten von ihrer starken kernigen Frische und Fülle durchströmt." Wieder sah er sinnend vor sich nieder. Dann plötzlich leuchteten seine gesenkten Augen auf, die strengen Züge nahmen jene Weichheit an, die Vollrad in dem Mann geahnt. Und dann lächelte er: „Trotzdem, einen Pracht jungen habe auch ich. Ein vielversprechendes Kind, körperlich und geistig früh entwickelt. Aeußerlich hat er nichts von mir, artet völlig der Mutter nach, und mir ist's recht. Ich freue mich, daß er so frisch und gesund heranwächst. Auf die Brüggenase kommt's mir nicht an," schloß er launig. Sie hatten die Flasche geleert. Der Kommerzienrat erhob sich. „Sie müssen meinen Junten seh-m, Klüven, ich öffne Ihnen gern mein Haus. Werden Sie heimisch hier. Sie gefallen mir. Es sollte mich freuen, wenn unser Stettin Sie festhielte." Während Vollrad einen überraschten freudigen Dank murmelte, sah jener beifällig an der sehnigen, prächtig gewachsenen Gestalt, die ihn um gute Haupteslänge über ragte, hinauf und sagte: „Sie sind Soldat gewesen, Klüven?" „Gewiß, Herr Kommerzienrat, und das bei den Olden burger Dragonern." „Na ja, die schneidige militärische Strammheit sieht man Ihnen auf zehn Schritt an." Vollrad lachte. „Das Dienstjahr macht's nicht allein, ich hab' mein Leben lang viel Sport geübt." „Damit werden Sie meiner Frau imponieren. Als Soldatentochter ist sie große Freundin aller ritterlichen Leibesexerzitien, in denen ich selber freilich mich nie aus gezeichnet habe. Da fehlte es immer an Zeit und Ge legenheit. Nun, eines schickt sich nicht für alle." Er betrachtete wiederum den Kraft und Gesundheit atmenden jungen Menschen an seiner Seite und ein leiser Neid wollte in ihm aufglimmen, jener natürliche Neid, mit dem das welkende Alter fast immer auf die blühende Jugend sieht. Nichtsdestoweniger drückte er ihm freund schaftlich zur Entlassung die Hand. „Nun Gott befohlen, Klüven. Morgen früh schirre ich Sie ein. Immer pünktlich, ich halte darauf. Im übrigen machen Sie demnächst in der Blücherstraße Besuch. Ich verspreche Ihnen gute Aufnahme."