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Var finanrmre» Oer Wcdr. I. Vor ein paar Jahren — Staatssekretär v. Thielemann war gerade gegangen und v. Stengel sein Nachfolger gewor den — erzählte Fürst Bülow in einer oielbelachten Rcichs- tagsredc, „er sei nur in der Lage gewesen, drei Männer für den Posten des Reichsschatzsekretärs dem Kaiser in Vorschlag zu bringen: den Abgeordneten Eugen Richter, den Uutcr- staatssekrctär Aschenborn und v. Stengel. Viel mehr gäbe cs überhaupt nicht, die etwas vom Reichshaushalt verstünde«". Was damals vom Etat gesagt wurde, gilt fast genau so vom Reichsfinanzwesen überhaupt. Der alte Samuel v. Pufen- dorff hat einst vom „heiligen römischen Reich teutscher Nation" gemeint, es wäre ein Monstrum. Das gleiche siehe sich wohl von der Finanzgebarung des neue» Reiches behaupten. Vierzig Jahre des Flick- und Stückwerks und der Teilreformen haben es so verworren, verwickelt und unübersichtlich gemacht, daß nur wenige noch in ihm sich auskennen. Darum soll hier der Versuch gemacht werden, in historisch-genetischer Darstel lung darzulcgen, wie Vas alles so gekommen. In diesen Zeitläuften wachsender Finanznöte und immer dringlicher werdender Reformerfordernissc darf er vielleicht doch da und dort auf dankbare Leser rechnen. * * * Es gibt staatliche Gemeinschaften — man denke nur an Preußen mit seinem großen Bahnennetz —, die einen erheb lichen Teil ihrer regelmäßigen Einnahmen aus den Erwerbs einkünsten (den sogenannten privatwirtschastlichen Einnahmen) ziehen. Das Reich fällt nicht in diese Kategorie. Der rechte Zeitpunkt, die Eisenbahnen auf das Reich zu übernehmen, wurde bekanntlich versäumt. So blieben dem Reich nur die Einnahmen aus der Verwaltung der elsaß-lothringischen Neichs- eisenbahnen, aus der Reichsdruckerei und dem Reingewinn der Reichsbank. Nun hätte es ja nahe gelegen, das Finanz wesen des Reichs ausschließlich auf Zuschüsse der Gliedstaaten, die sogen. Matrikularbeiträge, zu basieren. Aber dieser rohe sten Form der Ordnung pekuniärer Beziehungen zwischen über- und untergeordneten Verbänden bediente man sich mit Absicht nicht. Man wollte das Reich grundsätzlich auf eigene Füße stellen und überwies ihm verschiedene im Zollverein und im Norddeutschen Bund bereits gemeinsam verwaltete Quellen aus dem Gebiet der indirekten Steuern, als da waren: die Zölle, die Rübenzucker-, die Salz- und Tabaksteuer, die Erträge der norddeutschen Bier- und Branntweinbesteuerung, an deren Stelle in Süddeutschland, in bezug auf das Bier auch bei Elsaß-Lothringen, die Aversen und die Wechselstem pelsteuer traten. Freilich, ganz verzichtet man aus die Matrikularbeiträge darum doch nicht. Aber sie waren nur als Provisorium ge- gedacht. Nur solange Reichssteuern nicht eingeführt sind, hieß es im Artikel 70 der Reichsverfassung, sollten für den nichtgedeckten Teil der Ausgaben von den einzelnen Bundes staaten Matrikularbeiträge nach Maßgabe der Bevölkerungs zahl aufgebracht werden. Die machten sich, schon weil sie ein Element steter Ünruhe in die Finanzgebarung der Einzel- staaten trugen, nach und nach recht unangenehm fühlbar, und so kamen die verbündeten Regierungen 1875 dem Reichstag zum ersten Mal mit der Forderung eigener Neichssteuern. Die Brausteuer sollte erhöht, daneben eine Steuer auf Schluß scheine und noch einiges mehr eingesührt werden. Aber die Rcgierungsvorschläge fanden vor dem Reichstag keine Gnade. Dafür brachte der Zolltarif eine erhebliche Mehrung der Reichseinahmen, zu denen sich noch eine Spielkartensteuer und anstelle der bisherigen Flächenbesteuerung eine Tabak- Gewichtssteuer gesellten. Von 1878/79—1880/81 hob sich die Einnahme aus Zöllen, Verbrauchssteuern und Stempel- abgabcn um 126,1 Millionen. Freilich, auch die Lasten waren von neuem gewachsen, und so versuchte es die Regierung abermals (genauer: zum dritten Mal) mit einer Erhöhung der Bierstcuer. Aber auch jetzt wollte der Reichstag nichts von ihr wissen; nur der Handel mit Börsenpapieren und die Lotterielose wurden durch Gesetz vom 1. Juli 1881 einer Besteuerung unterworfen. Inzwischen waren überhaupt fette Jahre angebrochen: 1883' und 1884 konnten sogar Ueberschüsse an die Einzelstaaten verteilt werden. Auf den Wellenberg folgte allerdings nur zu bald das Wellental: die Erschließung neuer Einkünfte wurde immer dringlicher. Die glaubte man, nachdem der Entwurf eines Branntweinmonopols abgelehnt worden war, in einer Verbrauchsabgabe gesunde« zu haben, die beim Ueber- gang des Branntweins in den freien Verkehr entrichtet wer den sollte. Durch Gesetz vom 9. Juli 1887 wurde dieser Reform der Branntweinbesteuerung — auch die süddeutschen Staaten waren inzwischen der Branntweinsteuergemeinschast beigetreten — noch eine Reform der Zuckerstener beigefügt: die Materialsteuer ward abgemindert, eine Fabrikatsteuer cin- gefügt: ans 15,3 Mill. Mk. Zuckersteuerertrag im Etatsjahr 1887 wurden 52,1 im Jahre 1889. Und abermals kamen fette Jahre — diesmal von längerer Dauer — bis 1892. Dann wuchsen die Ausgaben wieder über die Einnahmen und von neuem hieß es, auf die Steuer suche zu gehen. 1891 wurde die Zuckerstcuer zum zweiten Male reformiert, 1896 zum dritten. Zwischendurch war auch eine Erhöhung der Reichsstcmpelabgaben beschlossen worden. Als dann 1898/1900 die Stärkung unserer Seemacht zur Diskussion stand, wurde auf Initiative des Reichstags eine Steuer vom Schaumwein und ein Saccharinverbot eingeführt, nachdem man zuvor schon die Rcichsstempelabgaben erhöht und vermehrt hatte. Neue Einnahmequellen erschloß dann das Zolltarifgesetz vom 25. Dezember 1902; aber zwei Drittel der Mehrerträge wurden bekanntlich hier von vornherein für eine Witwen- und Waisenversicherung sestgelegt. Inzwischen war die Finanzlage des Reichs immer uner quicklicher, die Abhilfe immer unabweisbarer geworden. Herr v. Stengel versuchte cs zunächst mit einer kleinen Reform, der sogenannten lox Stengel, die im Grunde nur das Ziel hatte, etwas inchr Uebcrsichtlichkeit und Ordnung in das Neichsfinanzwesen zu bringen und die fruchtbringende Arbeit der Kalkulatoren cinzuschränken. Dann kam Ende 1905 die „große" Finanzreform, die uns noch in allen Gliedern liegt. Sie brachte die Umgestaltung der Brausteuer, die Zigaretten steuer, die Steuer von Frachturkunden und Personenfahr karten, die Erbschafts- und die Automobilsteuer, die Besteuerung der Aussichtsratstantiemen und einige Aenderungen am Reichs- stcmpelgesctz. Von 1875 bis 1907 waren so die Steuer einnahmen dcS Reichs um nahezu das Fünffache gewachsen: von 249,59 Mill. Mark auf 1186,24 Mill. Aber noch mehr waren die Ausgaben gestiegen. Zudem waren die Erträge seit 1879 niemals ganz dem Reiche verblieben, sondern zum Teil an die Gliedstaaten überwiesen worden. Von diesen Ueberweisungen soll in einem zweiten Artikel die Rede sein. * * * */* Berlin. Das preußische Staatsministerium wird sich über die Retchsfiuauzvorlageu noch vor Beginn der Sommer ferien, voraussichtlich in den nächsten beiden Wochen schlüssig machen, während der Bundesrat die Vorlagen erst Ende August beraten wird. «iadirecbvrekorm ln Zacken. Im „Natl. Ver.-Bl.", dem Organ des Nativnalliberalen Landesvereins im Königreich Sachsen, wird in einem „Ein gesandt" folgende Anschauung vertrete«: „Die Wahlrechtsdeputatio» hat, gewiß nach viel Kopfzer- i brechen, die Bedingungen festgestellt, wonach die Zuteilung der > drei Zusabstimmen erfolgen soll: Ansässigkeit oder höheres Alter, Selbständigkeit im Beruf oder Vorbildung, Steuerleiftung. Dem Anschein nach ist nun ine Altersstimme gefährdet, weil man sich über die Grenze, ob 40, 45 oder 60 Jahre, nicht einigen kann. Das ist bedauerlich. Wie Landtagsaba. Hettner in einem Vortrag in der Versammlung des Nat.-«b. Reichsvereins in Dresden mit Recht bemerkte, liegt in der Zuerkennung einer Altersstimme ein dem Volke durchaus einleuchtender Gedanke. Freilich — die Grenze wird immer etwas Willkürliches haben. Warum greift man da nicht zu der nicht minder einleuchtenden und dabei praktische« Berücksichtiguna des eigenen Hausstands. Die Gründe? Nun, wenn schon das Pluralwahlrecht den Vorzug haben soll, daß es die Stimmen nicht bloß zählt, sondern auch wägt — ist da nicht die Stimme des verheirateten Mannes, des Familienvaters, einerlei wes Standes er ist, mehr wert für den Staat als die der Unverheirateten? Unsere Zeit ist erfüllt von ethischen Bestrebungen. Die Sozialdemokratie verkündet die allmähliche Auflösung der Familie. Für jeden Einsichtigen ist aber klar, daß die festeste und sicherste Grundlage des Staates die Familie, der Hausstand ist. Wer weiß eS nicht, daß mit der Ver antwortung für die Familie, für Frau und Kinder das Leben für jeden ein ernstes Gesicht annimmt? Sage man ja nicht, im Arbeiterstand fehle das Verantwortlichkeitsgefühl. Mag manche Ehe leichtsinnig geschlossen werden, mögen viele soziale Uebel her vortreten — die Ehe bleibt doch in ihrer erziehlichen Wirkung unerschüttert, und der Staat, der sie moralisch stärkt, wirkt selbst erhaltend. Als man in Belgien zum Pluralwahlrecht griff, übersah man diese Gründe nicht. Regierung und Ländtag können deS Beifalls aller ernstdenkenden Männer und Frauen sicher sei», wenn sie diesen durchaus gerechten und dabei volkstümlichen Gedanken eben falls aufgreifen. Vielleicht läßt sich die Zuteilung der Alters stimme von 40 Jahren verbinden mit der Bedingung deS eigenen HauSstandS." * * Hl Auf den mehrfach erwähnten Wahlrechts-Artikel der „Nordd. Allg. Ztg." kommen heute die „Dr. Nachr.", das dem Kammerpräsidenten Geh. Hofrat vr. Mehnert nahe stehende konservative Organ, nochmals zurück und sagen hier bei u. a.: „ ... Der Umstand, daß die Zuschrift aus Dresden in der „Nordd. Allg. Ztg." bereitwillig Aufnahme befunden hat, wird vielfach in der Presse — und wohl mit Recht — dahin gedeutet, daß die von der sächsischen Regierung in der Frage mit Konsequenz beobachtete Haltung mit der Auffassung übereinstimmt, die man im allgemeinen in den Kreisen der Reichs- und der preußischen Regierung hin sichtlich der Wahlrechtsreform in den Bundesstaaten teilt.. .. Wenn nicht alle Zeichen trügen, scheint die Regierung unbedingt eine grundsätzliche Annäherung an ihre Wahl rechtsvorlage zu erwarten. . . . Wie aus den neuerlichen Erklärungen der konservativen Parteileitung hervorgeht, ist bei führende» Abgeordnete» der konservativen Frak tion Bereitwilligkeit vorhanden, Wahlen durch Kom- umualverbSude in gewisser Beziehung mit in den Kauf zu nehmen." Das wäre ein eklatanter Umfall. Wie paßt aber dieser zu der auf konservativer Seite gegenüber den Langhammerschen Verbesserungsanträgen gefallenen Bemerkung: „An den Grund lagen des Kompromisses darf, soll nicht das Ganze gefährdet werden, in keiner Weise gerüttelt werden!"? Das einzige Hindernis, daß der Umfall nicht schon vollzogen ist, scheint die Haltung der Nationalliberalen zu sein. Denn die „Dr. Nachr." betonen ausdrücklich: „Die Weiterverfolgung dieser Pläne ist aber wegen der unbedingten Ablehnung der Körper- schastswahlen durch die nationalliberale Fraktion unmöglich geworden. Mit Spannung muß man nun allseitig einer Aeußerung der nationalliberalen Parteileitung entgegensetzen." Letztere wird in den nächsten Tagen erscheinen. Dies können wir schon heute versichern. * * */* Berlt«. Zur sächsischen Wahlrechtsfrage hatte bekanntlich die „Nordd. Mg. Ztg." eine« Artikel gebracht, in dem u. a. gegen die sächsischen Konservativen der Borwurf erhoben wurde, daß es ihnen mit der Wahlrechtsreform über haupt nicht Ernst sei. Dieser Artikel erregte bei den Kon servativen umso mehr Aufsehen und Befremden, als man ihn mit Dresdener Regierungskreisen in Verbindung brachte. Demgegenüber schreibt jetzt die „Nordd. Allg. Ztg.": „In unserer Zeitung vom letzten Sonnabend veröffentlichten wir eine Zuschrift über die Wahlrechtssrage in Sachsen, die in der Presse vielfach zu Erörterungen Anlaß gab. Um Miß verständnissen vorzubeugen, stellen wir fest, daß cs sich um die Zuschrift eines privaten Mitarbeiters handelt." üeniicder unä ZäcdMcbe;. «aSdruik unkrer örtlichen Orlqlnaldrrlchir Ist nur mit genau«! Ourlienangabe,<sia!tet.> Frankenberg, 11. Juni 1S08. fr. Die Bilder vom Tage, die heute an unserer Schau tafel zur Ausstellung gelangten, zeigen folgende Ansichten: 1. Die Jubelfeier des Leib-Regiments Nr. 8 in Frankfurt a. O., der der Kaiser und die Chefs des 100jährigen Regi ments, der Großherzog und die Großherzogin von Mecklen burg, beiwohnten. 2. Der russische Riese Pisjakoff, der jetzt im Berliner Passige-Panoptiknm auftritt; Pisjakoff, früher Flügel mann im russischen Lcib-Garde-Regiment Preobraschenskij, ist 33 Jahre alt und 2,57 Meter groß. 3. Zum Attentat aus Dreyfus gelegentlich der Ueberführung der Leiche Zolas nach dem Pantheon in Paris. fr. Das hiesige Katser-Paaorama wird, wie wir er fahren, Ende nächster Woche geschlossen, um Ausgangs August oder Anfang September d. I. wieder eröffnet zu werden. Freitag, »e» 12. Juni IKS8 AMlall für dit MM AMMpimmW IW, da; MM DkzmG md den MM z« IrMMg i. Sa. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Roßberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von T- G. Roßberg in Franker berg i. Sa. -tu >en " —> Die Gemeinde -Sparkasse Floha verzinst Spareinlagen mit 3'/« °/o. Expedition »zeit: a« Werktage Vorm. 8 bis 12, «acht». 2 bis S Uhr, UunvkgvksnU von S KS» «««Km. S vltn. Durch die Post bewirkte Einlagen werde» schnell expediert. — Fernsprecher Rr. 1». Anzeigenpreis: Die 6-gesp. Petitzelle oder deren Raum 1b ch bei Lokal- Anzeigen 12 im amtlichen Teil pro Zeile 40 „Eingesandt" im Redaktionsteile SS H. Für schwierigen und tabellarischen Satz Aufschlag, für Wiederholungsabdruck Ermäßigung nach feststehendem Taris. Für Nachweis und Offerten-Annahme werden 2b H Extragebühr berechnet. Jnseraten-Aunahm« auch durch alle deutschen Annoncen - Expeditionen. Gras-Auktion. Künftigen Sonnabend, den 13. Fuui, .abends S Uhr .soll die diesjährige Heu« und Grummetnutzung auf DgonLUonkoi» komoüöekogi'ooUoKüvIeon parzellrn- weise versteigert werden. Die näheren Bedingungen werden vor der Auktion bekannt gegeben. Sammelplatz im sogenannten Rudelsgrund. Der Gemelnde-Bo, stand. für »Ehmen unsere Ausgabestellen, Stadt- und sU1 U Landboten, solme Postanstalten noch entgegen. Ankündigungen sind rechtzeitig auszugcken, und zwar größere Inserate bis 9 Uhr vormittags, kleinere biS spätestens 11 Uhr mittmzs des jeweiligen Ausgabetages. Kür Ausnahme von Anzeigen an bestimmter Stelle u Erscheint a» jedem Wochentag abends für den folgenden Tag. Bezugs preis vierteljährlich 1 .ät SO Z, monatlich bO H. Trägerlohn extra. — Einzelnummern laufenden Monats b Z, früherer Monate 10 Z. Bestellungen werden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Ausgabe- „ , stellen,, sowie von allen Postanstalten Deutschlands und Oesterreichs kann eine Garantie nicht übernommen werden. angenommen. Nach dem Auslande Versand wöchentlich unter Kreuzband. Goch- b1. Telegramme: Tageblatt Frankenbergsachscn.