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1»«« - Die«Stag, »e« 7. August As 181 Frankenberger Tageblatt Anzeiger Bezirks- 65. Jahrgang. begründet 1842. DlMll für die MM DIMptmmsW IWM^miM miS den Wtrnl zn Irankenöerz i. Kr Verantwortlicher Redakteur: Ernst Roßberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von C. G. Roßberg in Frankenberg i. Sa. Erscheint an jedem Wochentag abends für den folgenden Tag. Bezugs- preis vierteljährlich 1 50 H, monatlich SO ä. Trägerlohn extra. — Einzelnummern lausende» Monats 5 4, früherer Monate IO H. Bestellungen werden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Ausgabe stellen, sowie von allen Postanstalten Deutschlands und Oesterreichs angenommen. Nach dem Auslande Versand wöchentlich unter Kreuzband. Ankündigungen sind rechtzeitig aufzugeben, und zwar größere Inserate bis ö Uhr vormittags, kleinere bis spätestens 11 Uhr mittags des jeweiligen Ausgabetages. Kür Aufnahme von Anzeigen an bestimmter Stelle kann eine Garantie nicht übernommen werden. tz-4- 51. Telegramme: Tageblatt Frankenbergsachsen. Anzeigenpreis: Die S-gesp. Petitzeile oder deren Raum 1b H, bei Lokal- Anzeigen 12 im amtlichen Teil pro Zeile 40 „Eingesandt" im Redaktionsteile 30 H. Für schwierigen und tabellarischen Satz Aufschlag, für Wiederholungsabdruck Ermäßigung nach feststehendem Tarif. Für Nachweis und Offerten-Annahme werden 25 H Extragebahr berechnet- Jnseraten-Annahme auch durch alle deutschen Annoncen-Expeditionen. Berkaus von Reichsftempelwertzeichen betreffend. Im Anschluffe an die Bekanntmachung der Königlichen Finanzministerium», die Ausführung des ReichSstempelgesetzcr vom 3 Juni 1908 betrcffcnd, vom 20. Juli lfv. Jr. wird bekannt ge macht, daß mit dem Verkaufe von Vordrucken zu Schlußnoten, mit der Abstempelung von Pnvat. vordrucken zu Schlußnoten und von VertragSurkundcn über reichsstempelpflichtige Anschaffungrgeschäfte (8 18 des Gesetze»), sowie mit dem Verkaufe von Schlußnote .«, Frachturkunden- und Pelsonen- fahrkartenstempelmarken und mit dem Umtausch« unbeschädigter, amtlich gestempelter Vordrucke zu Schlußnoien und unbeschädigter Reicksstempelmarken (Z 129 der Aussührungibestimmungen de« BundeSrat») neben den in Ziffer 2 der bezeichneten Bekanntmachung angeführten Hauptzollämtrrn mit Wirkung vom 1. Juli lfd. I». ab beauftragt wordm find: die Steurrämter Crimmitschau, Döbeln, Frankenberg, Glauchau, Kamenz, Limbach, Löbau, Meerane, Mittweida, Reichenbach, Riesa und Wurzen, die N-benzollämter I Klingenthal und Schöna, .. die Unlersteuerämter Aue, Burgstädt, OelSnitz i /B., Schneeberg, Werdau und Wolkenstein, sowie daS Nebrnzollamt II Unterwiesenthal. Dresden, am 2. August 1906. Königliche Zoll- und Stenerdirektip«. Englands Stellung in Aegypten. Wer vermag r« zu ergründen, wie ängstliche Empfindungen mit Windeseile sich auibreiten und plötzlich ein ganze» Volk mit fieberhafter Spannung erfüllen, in gärende Unruhe versetzen? Sie find da, ungeahnt, wie der Sturm, man weiß nicht, „von wannen er kommt und braust", und wehe dem Wächter, der unvorbereitet oder gar vertrauensselig davon überrascht wird! So ergeht eS im Augenblick den Engländern in Aegypten; sorgenvoll blickt der Leiter der auswärtigen Politik des JnselreicheS, Sir Edward Trey, nach dem Lande der Pyramiden, da» durch seine Beherrschung des Suez« kanal« und damit de« kürzesten Seewege» nach Indien zu einem Eckpfeiler der britischen Weltmacht geworden ist. Die geschickte, dabei aber wenig rückfichttvolle Politik de» konservativen Kabinett», dessen Au»hängeschild Balfour hieß, dessen Seele und treibende Kraft jedoch Chamberlain gewesen, hatte r» verstanden, um de« marokkanischen Linsengericht» willen Frankreich zum Verzicht auf seine ägyptischen Rechte zu bewegen. Diese Rechte, di« au» den Tagen de» großen Korsen datieren und durch den genialen LeffepS, den Erbauer de» Suezkanal», aus» neue befestigt wurden, sie be standen ja schließlich in nichts als in dem Anteil an der ägypti schen Staatsschuld und dem Mitbesitz von Euezkanalaktien; aber wesentlich tiefer begründet find auch die englischen Ansprüche nicht. Nur ist England der glücklich besitzende Teil, er übt die Verwal tung au», unterhält daS Heer, hat in den Jahren, seitdem ein britischer Generalstatthalter sorgsam und eifrig über den Khedive wacht, immerhin nicht unerhebliche kulturelle Arbeit geleistet und kann heute sagen, daß e» seinen ägyptischen Besitz durch große materielle und geistige Aufwendungen legitimiert und sich zu eigen gemacht hat — solange die eingeborene Bevölkerung und die ägyptischen Notabeln sich damit adfinden. Gegen die britische Politik Frankreich gegenüber läßt sich somit vom Standpunkt de« gesunden nationalen Egoi«mu« auch nicht» einwendrn, und e» ist Sache der Franzosen, sich durch ihre Au«< schastung in Aegypten beschwert oder übervorteilt zu finden. In der Tat sprechen auch ganz bestimmte Anzeichen dafür, daß fich französischer Einfluß in rnglandfeindUchem Sinne im Pharaonrn- land geltend macht und seinen Teil zu jener Gärung beigetragen hat, di« heut« England mit groß« Sorge erfüllt und zu jenen Ausschreitungen gegen britische Offiziere geführt hat, al» deren Folge die harten Urteile ergingen, die im Unterhau» eine bemerken», werte Debatte hcrvorriefen. Obwohl nur gegen einen einzigen britischen Offizier ein tätlicher Angriff «folgt war, wurden vier Fellachen zum Tode, mehrere zu lebenslänglichem Zuchthaus, zu langjährigen Gefängnisstrafen oder 50 Peitschenhieben verurteilt und die Straf« sofort vollstreckt, um ein« Begnadigung der Misse täter oorzubeugen. Und als diese drakonische Streng« begreiflicher- weise im Mutterland nicht unbemerkt blieb und ein paar Philan- tropen den Kolonialminister mit Interpellationen bestürmten, da gab er ihnen eine Antwort, daß dem Haus« der Ehrenwerten Hören und Sehen verging. Man stehe, meint« drr Mimst«, möglichrrweis« am Vorabend von Ereignissen, di« vi«ll«icht noch ganz and«« Mahrrgeln «forderlich machen könnten. Jedenfalls werde man die Vermehrung der britischen Streitmacht in Aegypten aus Kosten dr» ägyptischen Schatzamt» sehr bald in eingehende Ei« wägung ziehen müssen. Und dies« Ankündigung find bald genug Maßnahmen gefolgt, um in den wichtigsten Garnisonen Aegypten» und de» Sudan» weitere Truppen unterzubringen, und zwar in einer Zahl, die jeden Versuch, einen Aufstand unter den ägyp tischen Fellachentruppen herbeizufahren, von vornherein al» au»- fichtilo» «scheinen läßt. E» ist nicht zu bezweifeln, daß der Akabastreit, den die Pforte in der jüngsten Zeit mit England auizufechten hatte, die Hoff nungen namentlich der gebilveteren Schichten in Aegypten, auf einen gewaltsamen Umsturz, auf die Vernichtung der englischen Herrschaft in Aegypten entflammte. Von gut unterrichteter tür kischer Seite wird versichert, daß in zahlreichen ägyptischen Regi mentern die Offiziere nur auf da» Einrücken der türkischen Streit- kräfte in da» Nildelta warteten, um auch ihrerseits zu den Waffen zu greifen, und damit stimmt auch die Tatsache überein, daß die britische Heere»leitung eine recht erhebliche Zahl ägyptischer Offizier« entlassen hat, weil sie ihnen nicht mehr unbedingt trauen zu können glaubt. Wie da« enden mag, ist noch nicht abzusehen — vorderhand wird ja wohl England dank sein« überlegenen Orga nisation und sein« gewaltigen HklsSqurllen unbestritten« Herr in Aegypten bleiben. Gefährlich kann e« erst werden, wenn di« hi« und da aufsprühenden Funken der religiös-nationalistischen Bewegung nicht sofort «stickt werden, wenn diese Funken zu Flammen einer allislamitischen Empörung auslodern. Dann freilich kann rS schlimm »erden — denn niemand ist schwerer zu bekämpfen» al- der Orientale, wenn dessen religiös« Fanatismus einmal aufgrpeitscht worden ist. Die Weltgeschichte weiß davon zu «zählen. Gewitter, Hagel- und Blitzschläge. Die am Sonnabend nachmittag und im Lauf« de» gestrigen Tage» eingegangenen Nachrichten über di« am Freitag aufgetr«ten«n Unwetter lassen erkennen, daß unser« Gegend glücklicherweise über mal» vor schwerem Schaden behütet worden ist, während anderort» die Niederschläge und elektrischen Entladungen mit vollst« Wucht fich geäußert haben. Nähere» darüber besagen die Meldungen, die wir anschließend veröffentlichen. */* Roßwein. Ein schwere», langanhaltende« Gewitter ent lud sich am Freitag abend über unsere Stadt und Umgebung. Durch Blitzstrahl wurde im benachbarten Gleisberg daS Scheunen grundstück des Gutsbesitzer» Ley« zerstökt. */* Oederan. Am Frritag nachmittag kam »in Unwetter über unsere Gegend, welche» mit Hagel begleitet »ar, und viel Schaden an den Fluren, Gärten und Gebäuden onrichtete. Be sonder» sollen die Fluren von Thiemendorf, Breitenau, tzetzdorf, Gahlenz rc. Schaden gelitten haben, zumal di« Schloßen dje Größe von Taubeneiern hatten. Der Sonnabend nachmittag aber sollt« nicht vorübergehen, ohne nochmal» Un»etter aufzuirrten, und war diese» wohl da» heftigste, da« fett langer Zett hi« geherrscht. Waren auch die Hagelkörner nicht so groß al« di« am Freitag gefallenen, so fielen sie umso dicht« und verderbenbringend«. Der Fleiß vieler Wochen, und die Hoffnung auf rin« schön« Ernt« »dem kein zu gewinnen. Wenn daS Familienleben im Helldringer Hause trotz! ganz ungetrübtes war, so traf die Schuld nicht ihn, sondern seine Gattin Helene, eine geborene Baroneß Klinkoff. Weil sie körper lich schwach, nervös und reizbar war und von ihrem Gatten im Gefühl seiner vollen Kraft und geistigen Ueberlegenhrit in Nach sicht und Liebe durchs Leben getragen wurde, hatte sich bei ihr, wie man es hänfig bei Personen mit eng begrenztem Gesichtskreise findet, ein gewisser Eigensinn auSgebildet, der für ihre Umgebung geradezu peinigend wurde, den sie selbst aber nur zu gerne für eine anerkennenswerte Charakterstärke auSgab. Dünkelhafter Ehr geiz und krasse Selbstsucht gingen mit dieser Eigenschaft Hand in Magetone. Roman von B. v. d. Lanken. .—- (Nachdruck »erboten.) Ein Rittergu t im nördlichen Deutschland, Helldringen hieß es, war seil Hunderten von Jahren der Familie von Velten gehörig. — Das Wohnhaus, hohes Parterre und ein Stock, präsentierte sich als ein schwerfälliger, aber doch schöner, massiv aufgesührter Bau mit Rampe und Balkon; der Platz unmittelbar vor dem selben war mit Kies bestreut, auf dem großen Rasenrondel waren Beete mit hochstämmigen Rosen angelegt, den Hof zu beiden Seiten begrenzten Wirtschaftsgebäude und Stallungen, nach rück wärts dehnte sich ein in Terrassen abfallender Garten von nicht unbedeutendem Umfange aus, der wahre Prachtexemplare alter Bäume aufzuwetsen hatte, nicht aber in einem bestimmten Stil angelegt und auch keinem modern ausgebildeten Gärtner anver traut war. Der „alte Degener" versah diesen Posten schon lange zur Zu friedenheit des jetzigen Besitzers; au jedem Mittwoch- und Sams tag-Nachmittag wurden ihm ein paar flinke Jungen und Mädchen aus dem Dorfe zur Hilfe beigegeben, das genügte, um die nötige Ordnung zu schaffen. Der Nasen wurde auch gemäht, aber ein bißchen rotbluhender Klee, hier und da ein paar Gänse- und But terblümchen, nahmen ihm in den Augen der Helldringer nichts von seiner Schönheit. Die verfeinerte» und überfeinerten Kultur bestrebungen der Außenwelt waren noch nicht bis hierher ge drungen, Land und Leute hatten sich eine gewisse frische Ur sprünglichkeit bewahrt. Der jetzige Besitzer, Karl Friedrich von Belten, war ein hoher Vierziger, von schöner Gestalt, breitschultrig, mit bräunlich-blondem Haupt- und Barthaar, ein Mann, dessen GesichtSausdruck Wil lenskraft, dessen Auge aber daneben unendliche Herzensgüte und Freundlichkeit ausdrückten; von den Standesgenossen wurde er wertgeschätzt; von seinen Untergebenen als wohlwollender Herr geliebt, von seinem Sohn und seiner Nichte vergöttert, mit einem Wort, alle Herzen schlugen ihm entgegen, alle wußte er für sich Hand, und daß gerade Karl Friedrich diese Frau hatte lieben und heiraten können, war für alle seine Freunde und Bekannten ein Rätsel geblieben. Indessen, Helene von Klinkoff war als Mädchen von blendender Schönheit und klug genug gewesen, ihren wahren Charakter geschickt zu verbergen; vielleicht hatte sich derselbe auch erst im Laufe der Jahre und bei ihrer zunehmenden Kränklichkeit so entwickelt. Die Ehe war mit zwei Kindern gesegnet, einem Mädchen, das frühzeitig starb, und einem Knaben, Rolf, der Zug für Zug dem Vater glich. An Stelle des verstorbenen Töchter chens hatte Herr von Velten das einzige verwaiste Kind seiner Schwester ins Haus genommen. Therese von Velten hatte eine reine Neigungsheirat mit einem reichen Bremer Patriziersohn Jakob Dhrfurt geschlossen. Durch unglückliche Spekulation verlor derselbe aber den größten Teil seines Vermögens, mit dem Rest entfloh er nach Amerika, und man Hörle nie mehr von ihm. Als sein Weib ein Jahr später starb, hatte sie dem Bruder die kleine, damals sieben Jahre alte Magelone ans Herz gelegt, und dem verlassenen Kinde war in Helldringen eine zweite, liebe Heimat, in Karl Friedrich ein treuer Vater geworden. Magelone war geistig ihren Jahren weit voraus, sie lebte ein nach innen gerichtetes Seelenleben, beobachtete scharf und hatte ein tiefes, leidenschaftliches Empfinden; ihre Zuneigung, wie ihre Abneigung wußte sie nicht zu verbergen und zeigte die eine wie die andere deutlich. Mit dem um einige Jahre älteren Rolf stand sie im besten Einvernehmen, ja die Kinder hingen mit wirklich rührender Liebe aneinander, und daher mochte es kommen, daß seit Rolf das Gymnasium der Provinzial-Hauptstadt besuchte und Magelone von einer französischen Gouvernante unterrichtet wurde, sich oit ein Gefühl der Vereinsamung bei ihr regte. Die Ferien zeit, die Rolf auf Wochen in Helldrtngen zubrachte, war stets eine festliche und besonders freudige für das Kind. So war es auch jetzt in den großen Sommerferien, eine Reihe glücklicher Tage sollte ihr Ende erreichen. — Der letzte Ferien sonntag lag hinter ihnen, es war Mittwoch - am Freitag mußte Rolf wieder fort. — Der große Helldringer Garten lag, vom war men Nachmittagssonnenschein übergossen, still und menschenleer da. Magelone kam aus dem Hause; ihr niedlicher schwarzer Teckel wackelte gemächlich hinterher. Das Kindergesicht war nach denklich; langsam — was sonst gar nicht ihre Art war — schritt sie die Wege entlang, bis sie am Ende des Gartens und an dem stillen Weiher, der denselben gegen das Feld abschloß, angckommen war. — Der ovale mittelgroße Teich, rings von hohen, mit Hasel- nußgesträuch, Birken und Pappeln bewachsenen Usern umgeben, war Mageloncs liebstes Ziel. Stundenlang konnte sie im Grase zwischen den Bäumen liegen oder aus dem Stamme einer ge stürzten Pappel sitzen, deren Wurzeln noch im Boden hafteten, deren grüne Blätterkrone aber über den Wasserspiegel htnaus- ragte; ein alter Schwan, der langjährige Bewohner des Weihers, und seine weniger vornehmen Verwandten, die Enten vom Hose, die durchs Korn ab und zu hinuntergrwatschelt kamen, waren dann ihre einzige Gesellschaft. Als Magelone die Gartenpforte hinter sich ins Schloß ge worfen, sprang sie leichtfüßig das Ufer hinab, balancierte auf dem Pappelstamm bis zu ihrem gewöhnlichen Sitzplatz zwischen zwei großen Aesten und ließ sich gemächlich zwischen denselben nieder; der runde Strohhut hing ihr am Arm, Muff, der Teckel, machte es sich am Ufer im Sonnenschein bequem, Schwan und Enten ruderten in einiger Entfernung auf und ab. Magelone legte ein Knie über das andere, stützte den Kopf in die Hand und blickte prüfend in das leicht bewegte Wasser unter ihr, in dem sich der blaue Himmel, die zitternden Pappel blätter und ihr eigenes kleines „Ich" widerspiegelten. — Es waren Gedanken ganz eigener Art, die sich in dem Kinderköpfchen kreuzten. Wie hatte die fremde Dame, die oben bei der Tante zum Kaffee war, doch gesagt? „Sie ist ja so schön, dadurch wird sie ihr Lebensglück finden!" Mit dieser „sie" war Magelone ge meint, sie hatte es wohl verstanden; ein weniger gewecktes und begabtes Kind würde vielleicht kaum darauf geachtet haben, ihr war keines der gefährlichen Worte entgangen, und sie hatte ihr Nachdenken über die eigene Person angeregt. Sie beugte sich weiter vor und lächelte dem Bilde zu, das ihr aus dem Wasser spiegel entgegenschaute. Es war ein liebreizendes Gesichtchen, von reichem, wirrem Goldgelock umrahmt; unter langen, etwas dunklen Wimpern strahlten tiefblaue, fast schwärzlich schimmernde Augen, von feinen Brauen überwölbt; süß war der rosige Kinder mund, in den weichen, runden Wangen bildeten sich beim Lachen zwei allerliebste Grübchen. Die kleine Eitelkeit schien befriedigt, sie nickte amüsiert dem hübschen Bilde da unten zu und strich mit den weißen Händchen die widerspenstigen Locken aus der Stirn. Zu gleicher Zeit wurde ihr Name gerufen, und oben am Ufer erschien die kräftige, schlanke Gestalt eines Knaben von un gefähr vierzehn Jahren, In grauleinenem Sommeranzug, einen Strohbut auf dem vollen, dunkelblonden Haar. Das frische, w»hl- gcformte Gesicht war nicht eben hübsch zu nennen, aber die Augen erinnerten an Magelone, wenn sie auch nicht ganz so unergründ lich tief erschienen und mehr frei und unbefangen in die Welt schauten. Die Kleine erschrak und sah sich überrascht um; als sie aber ihren Vetter und Spielgefährten erkannte, winkte sie ihm lachend zu. In ein paar gewandten Sätzen war er an ihrer Seite. „Wie kommst Du denn jetzt hier ans Wasser, Du Strick?" rief er, sie an den blonden Locken zupfend. „Mademoiselle Ducrand hat Dir ja doch anbefohlen, französische Vokabeln zu lernen?" „Hm — die paar lerne ich noch hundertmal," antwortete sie, geringschätzig mit der Hand winkend, „jetzt will ich erst den Ka ninchen Futter holen. Kommst' mit? Bitte schön, ja?" schmeichelte sie, einen niedlichen Schmollmund ziehend. Er sah sie an, einen Moment unschlüssig, was er tun sollte; als sie aber aufspringend ihn mit beiden Armen umfaßte und ihn;